Mittwoch, 28. Juli 2021

Die Karschin bei Friedrich dem Großen - 1763

Anna Louisa Karsch, geborene Dürbach, genannt die Karschin (1722-1791) (Wiki) war eine deutsche Schriftstellerin aus Schlesien. In zwei Ehen hat sie sieben Kinder zur Welt gebracht, hatte aber in beiden Unglück mit ihrem Ehemann. Nach Ausbruch des Siebenjährigen Krieges 1756 schrieb sie Lobeshymnen auf den preußischen König Friedrich II., die durch Flugschriften im ganzen Land bekannt wurden. Ab 1761 wurde sie zu literarischen Salons in Berlin eingeladen (Wiki):

Ihre Dichtkunst wurde von Lessing, Johann Georg Sulzer, Karl Wilhelm Ramler und Moses Mendelssohn gefördert. Johann Wilhelm Ludwig Gleim erklärte sie zur deutschen Sappho. (...) Sie verkehrte am Hof der von ihrem Gatten Friedrich dem Großen getrennt lebenden Königin Elisabeth Christine von Preußen (...) und pflegte engen Kontakt mit Prinz Ferdinand von Braunschweig, Graf Heinrich Ernst zu Stolberg-Wernigerode und Graf Christian Friedrich zu Stolberg-Wernigerode. Sie schrieb Texte für Amalie von Preußen, die Äbtissin von Quedlinburg, die diese vertonte. 1789 vertonte Carl Philipp Emanuel Bach ihre Passionskantate (...). Daniel Chodowiecki unterstützte sie (...) mit der Gestaltung von Miniaturbildnissen.

Von dieser Schriftstellerin gibt es nun einen Bericht über ihren Besuch bei Friedrich dem Großen im Jahr 1763.



Nun aber trat er herein!
Ist Sie die Poetin?
Ja! Ihro Majestädt! Man nennt mich so!
Sie ist doch aus Schlesien?
Ja! Ihro Majestät!
Wer war ihr Vater?
Er war ein brauer auß Schweidnitz, beym weinreichen Grünberg!
Auß Schweidnitz? Gehört das nicht den Geistlichen?
Bey Lebzeiten meines Vaters war ein herr von Köselitz der Eigenthümer!
Aber, wo ist Sie gebohren?
Auf einer Meyerey, wie horatz eine gehabt hat.
Sie hatte, sagt man, niemals Unterweisung?
Niemals, Ihro Majestät! Meine Erziehung war die schlechteste!
Durch wen aber ward Sie eine Poetin? Durch die Natur, und durch die Siege von Ew. Majestät!
Wer aber lehrte sie die Regeln?
Ich weiß von keinen Regeln!
Von keinen Regeln? Das ist nicht möglich! Sie muß doch das Metrum wissen!
Ja! Ihro Majestät! aber ich beobachte das Metrum nach dem Gehör, und weiß ihm keinen Nahmen zu geben!
Wie denn kommt Sie mit der Sprache zurecht, wenn sie sie nicht lernte?
Meine Muttersprache hab ich so ziemlich in meiner Gewalt!
Das glaub ich, was die Feinheit betrift, wie aber stehts mit der Gramatik?
Von der hab ich die Gnade Ew. Majestät zu versichern, daß ich nur kleine Fehler mache!
Man muß aber gar keine machen! (Er lächelte.)
Was ließt Sie denn?
Plutarchs Lebensbeschreibungen!
Nicht auch Poeten?
Ja, Ihro Majestät, zuweilen auch Dichter, den Gellert, den haller, den Kleist, den Uz und alle unsre deutschen Dichter!
Aber ließt sie nicht auch die alten Dichter?
Ich kenne ja nicht die Sprache der Alten!
Man hat doch Übersetzungen!
Ein Paar Gesänge homers von Bodmer übersetzt, und den horatz von Lange laß ich


Also den horatz! Hat Sie auch einen Mann?
Ja! Ihro Majestät! aber er ist von Ihren Fahnen entlaufen, irrt in Polen umher, will wieder heyrathen, und bittet mich um die Scheidung, die ich ihm verwillige, denn er versorgt mich nicht!
Hat Sie Kinder von ihm? Eine Tochter!
Wo ist die? Zu Berlin! Hoffrath Stahl bezahlt für sie.
Ist sie schön?
Mittelmäßig, Ihro Majestät! Sie hat keine schöne Mutter gehabt!
Diese Mutter war doch wohl einmahl schön!
Ich bitte unterthänig um Vergebung! Sie war niemals schön! Die Natur vergaß den äußern Putz an ihr!
Wie wohnt Sie denn?
O, Ihro Majestät! Sehr schlecht! Ich kann kein Haus bekommen in Berlin, und, um Ew. Majestät eine Idee zu machen von meiner Wohnung, muß ich bitten, eine Cammer in der Bastilje zu Paris sich zu denken!
Aber, wo wohnt sie denn?
Im alten Consistorium, drey Treppen hoch, unterm Dach!
Wovon lebt Sie?
Von Geschenken meiner Freunde! hoffrath Stahl giebt mir sehr oft zu eßen!
Wenn Sie lieder in Drukk giebt, was giebt man ihr für den Bogen?
Nicht viel, Ihro Majestät! ich ließ acht Lieder auf Ihre Triumphe drukken 
- Was gab man Ihr?
Nur zwanzig Thaler.
Zwanzig Thaler? In Wahrheit! Davon lebt man nicht lange! Ich will schon sehen, will sorgen für Sie! Mit diesen Worten entließ mich der König! Ich taumelte den Saal hinaus, General Lentulus begegnete mir, ich weiß nicht, was ich ihm sagte.
Man liest auf Wikipedia, daß Friedrich der Große aufgrund des langen Krieges ihr keine große Summe bewilligen konnte für ihren Lebensunterhalt. Ein kleiner Ausschnitt zu der Art, wie Friedrich der Große mit den "einfacheren" Menschen seiner Zeit zu reden pflegte.
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  1. Herybert Menzel: Die Karschin, https://portal.dnb.de/bookviewer/view/1128735032#page/n0/mode/1up.