Freitag, 25. November 2022

Ein Vorkämpfer des Protestantismus in Riga - Hermann Samson (1579-1643)

"Minen hört man und Geschütz / täglich dumpf erdröhnen" - Im Kampf für die evangelische Freiheit 
- Einige Einblicke in das Leben der Deutschen des baltischen Adels und der Bürgerschaft des 17. Jahrhunderts in Livland und Kurland  

Teil 3: Hermann Samson (1579-1643) - Ein Vorkämper des Protestantismus in Riga

"Abfertigung
und 
Ableinung 
Der Hundert und Zwey und 
Dreissig 
Evangelischen War
heiten: 
Welche die Jesuiten boßhafftiger
weise auß meinem Buch von Lutheri/ und
der Lutherischen Praedicanten Beruff zum Lehr-
Ampt/ zusammen geraspelt/ und unter der NebelKappe
eines ungenandten Pflasterstreichers an Tag 
gegeben" 
(1617)

Einer der frühesten, bekannten Vorfahren des Verfassers dieser Zeilen war Hermann Samson (1579-1643) (Wiki), ein Vorkämpfer des Protestantismus in Riga und ein scharfer, erklärter, öffentlicher, Feind der Jesuiten. In seiner Jugend hatten die Jesuiten versucht, ihn zu kidnappen und ihn mit Zwang zu einem Ordensmitglied zu machen. Dieser Umstand wirft ein helles Licht auf die verbrecherischen Aktivitäten dieses Ordens.

Abb. 1: Hermann Samson, 1640 geadelt von Himmelstjerna (1579-1643) - Vorkämpfer des Protestantismus gegen die Jesuiten in der Hansestadt Riga

Dieser Orden ist bis in unsere Tage hinein weltweit für systematisch betriebene Pädokriminalität bekannt geblieben in so gut wie allen Schulen, die er überhaupt betreibt. Er ist dennoch in keinem all der Länder, in denen seine Verbrechen bekannt geworden sind, bis heute nicht verboten worden. Im Gegenteil, viele Jesuitenschüler besetzen einflußreiche Stellen im öffentlichen Leben und unterminieren ein klares, entschiedenes Vorgehen der Einzelstaaten gegen seine Verbrechen. Derzeit wurde sogar als Papst ein Jesuit gewählt, nach man seinen zu offensichtlich pädokriminellen Vorgänger Josef Ratzinger unseligen Angedenkens vorzeitig ablösen mußte, um ihn aus der öffentlichen Schußlinie zu nehmen, die konsequenterweise ansonsten nur vor einem staatlichen Gericht hätte enden können mit langjähriger Haftstrafe.

Im Laufe seines Lebens überschütteten die Jesuiten den genannten Vorfahren Hermann Samson mit über 400 Klagen vor Gericht. Diese Klagen bewirkten, daß er vor den polnischen König Sigismund III. Wasa nach Warschau zitierte wurde, der Jesuiten als Hofprediger und Beichtväter hatte. Diesem König waren Riga, Livland und Kurland zu jenen Zeiten untertan. Es war dies ein Begehren, dem Hermann Samson - in Abstimmung mit dem Rat von Riga - aus Sorge um Leib und Leben nicht nachgekommen ist. Aber es hat die Menschen damals sehr aufgewühlt.

Die Verfolgungen hatten endlich ein Ende, als Riga 1621 von Gustav Adolf II. von Schweden erobert worden ist und als dieser die Jesuiten aus Riga vertrieb. Hermann Samson war es denn auch, der die Begrüßungspredigt vor Gustav Adolf II. in Riga gehalten hat.

Die Vorfahren des Verfassers dieser Zeilen

Am Ende seines Lebens wurde Hermann Samson - wie damals viele verdiente Bürger der Stadt Riga - von der schwedischen Königin Christina geadelt und wurde mit Adelsgütern in Livland beschenkt. Mit seinen Kindern begründete Hermann Samson damit die weit verzweigte baltische Adelsfamilie der Samson von Himmelstjerna (Wiki). 

Eine der vier Urgroßmütter des Verfassers dieser Zeilen war eine solche geborene Samson von Himmelstjerna (Stgen2018). 

Abb. 2: Robert de la Barre (1670-1731) als Großvater von Robert Friedrich von Patkul (mitte)

Sowohl der Vater wie der Großvater dieser Urgroßmutter waren Ärzte. Ihr Vater war Leibarzt des Fürsten Pleß in Pleß in Oberschlesien. Alle seine Vorfahren gehörten seit dem 17. Jahrhundert dem baltischen Adel an. Er selbst aber heiratete eine Nichtadlige, eine Engländerin, eine geborene Morley. Die genannte Urgroßmutter des Verfassers wurde dann 1892 geboren und starb 1967 in Wien. Der Verfasser dieser Zeilen soll ihr noch in seinem ersten Lebensjahr vorgestellt worden sein.

Werfen wir einen Blick in den Stammbaum des genannten Leibarztes des Fürsten Pleß, der in direkter Linie von dem eingangs genannten Hermann Samson abstammte. Da die baltischen Adelsfamilien Jahrhunderte lang unter sich geheiratet haben, finden sich unter seinen Vorfahren Angehörige vieler namhafter baltischer Adelsfamilien, alles angesehene Familien des Landes, deren Namen einstmals viel Klang besessen hatten.

Auf eine bestimmte Familie unter den vielen Namen in diesem Stammbaum ist der Verfasser dieser Zeilen allerdings erst kürzlich aufmerksam geworden, nämlich auf die in männlicher Linie schon im 18. Jahrhundert in Livland wieder ausgestorbene Adelsfamilie de la Barre, die um 1600 aus dem calvinistischen Poitou in Westfrankreich nach Polen und von dort nach Livland zugewandert sein soll.

So war nämlich die Mutter des Leibarztes des Fürsten Pleß eine geborene von Patkul, nämlich Amalie Julie Margarethe von Pathkul (Abb. 2 und 3). Die Patkul's waren ebenfalls eine der namhaftesten deutschbaltischen Adelsfamilien. Unter den Vorfahren dieser Amalie finden sich nun neben vielen anderen namhaften Leuten zwei Brüder de la Barre, nämlich Robert Friedrich de la Barre (geb. 1670) und Friedrich Wilhelm de la Barre (geb. 1680) (Abb. 2 und 3). Ihr Großvater war nämlich Robert Friedrich von Patkul (geb. 1755). Und dessen Großvater war ein Robert Friedrich de la Barre (Abb. 2). Und dieser Robert Friedrich von Patkul war nun verheiratet mit einer Adolphine von Ungern Sternberg (geb. 1762). Und deren Großvater war Friedrich Wilhelm de la Barre (Abb. 3). Als diese beiden um 1780 heirateten haben, haben also Cousin und Cousine 2. Grades miteinander geheiratet. Denn ihre Großväter waren Brüder (s. Abb. 2 und 3).

Abb. 3: Friedrich Wilhelm de la Barre (1680-1753) als Vorfahre von Adolfine von Ungern-Sternberg (mitte rechts)

Und dieses Brüderpaar de la Barre hatte einen Großvater Wilhelm de la Barre, der Zeitgenosse von Hermann Samson war. Da sie beide viel in Riga tätig waren und bekannte Persönlichkeiten der Stadt und des Landes Livland waren, werden sie sich auch persönlich gekannt haben. Aber sie werden nicht geahnt haben, daß späterer ihrer Nachkommen einmal einander heiraten würden.

Auf den genannten Wilhelm de la Barre soll in einem späteren Beiträgen ausführlicher zurück gekommen werden, denn über sein Leben läßt sich doch allerhand Bemerkenswertes heraus finden. Ebenso auf seine Enkel, nämlich das genannte Brüderpaar de la Barre, die beide in den Diensten des Schwedenkönigs Karls XII. standen. Um aber die damaligen Zeitumstände zu verstehen, in denen dieser Wilhelm de la Barre lebte, ist es sinnvoll, einen genaueren Blick auf das Leben von Hermann Samson (1579-1643) (Wiki) zu werfen, zu dem es einen ausführlichen, lesenswerten Wikipedia-Artikel gibt, und dessen Lebensweg mehr als kennzeichnend ist.

Jesuiten beim "Seelenfang"

Dieser Hermann Samson ist wohl der geschichtlich bedeutendste unter allen Vorfahren des Verfassers dieser Zeilen. Fast alles ist bedeutsam, was über ihn auf Wikipedia berichtet wird (Wiki):

Hermann Samson besuchte die Domschule in Riga und fiel durch seine Begabung früh auf, so daß die Jesuiten auf ihn aufmerksam wurden. Weil er sich weigerte, dem Jesuitenorden beizutreten, entführten sie ihn gewaltsam, um ihn zu ihrem Alumnat, das Lyceum Hosianum, nach Braunsberg zu bringen. Er konnte jedoch unterwegs fliehen und wieder nach Riga zurückkehren.

Was für ein Geschehen! Was hier in einem Fall einmal nicht gelungen ist, könnte also in vielen anderen Fällen gelungen sein, nämlich daß begabte junge Menschen einfach in den Jesuitenorden gezwungen wurden und in diesem gehirngewaschen wurden, so daß sie in de Folgezeit als fanatische Katholiken in die Welt hinaus gesandt werden konnten, gerne unter dem Tarnmantel, daß sie weiterhin protestantisch wären. 

Erster Leiter der Jesuiten-Residenz in Dorpat war 1583 Theodor von Havkenscheid S.J. (1530-1599). Schon im nächsten Jahr wechselte er nach Riga, wo er 15 Jahre bis zu seinem Tod verblieb. Wir lesen (Honselmann 1963):

Schon 1582 hatte Antonio Possevino seinem Ordensgeneral berichtet, daß es ihm auf der Fahrt nach Riga gelungen sei, den angesehensten Edelmann von Illuxt (Kurland) zu bewegen, ihnen seinen Sohn mitzugeben und ihnen später noch zwei weitere Söhne zur Erziehung zu schicken. Überraschend ist allerdings, daß auch der lutherische Geistliche des Ortes sich erboten haben soll, seinen Sohn mitzuschicken. Sommervogel verzeichnet zwei Sendbriefe von 1596 und 1597 des Georg Mylius, Doktor der Heiligen Schrift und Professor in Jena, an die evangelischen Christen in Livland, Polen, Preußen, Litauen und Kurland, daß sie ihre Kinder nicht in die Schulen, Kollegien und Seminarien der Jesuiten schicken sollten "bey höchster jhrer selbst und jhrer Kinder Wolfart vnd Seligkeit abschew vnd Gewisse".

Das darf allerdings als "überraschend" angesehen werden. Aber überraschend dürfte ebenso sein, daß Edelleute in protestantischen Kurland ihre Söhne an die Jesuiten übergeben haben sollen. Ob man es hier nicht ebenso wieder mit Fällen von "Kidnapping" zu tun hat, so wie ein solches Mitte der 1590er Jahre auch gegenüber Hermann Samson versucht worden ist? 

Angesichts einer solchen außergewöhnlichen Gewalttat von Seiten des Jesuitenordens, die zugleich verbunden war mit verführerischen pädagogischen Angeboten wird man durchaus annehmen dürfen, daß diese Methoden von Zuckerbrot und Peitsche, ausgeübt von diesem Orden nicht nur "vereinzelt" angewandt worden sind, sondern - wie durch seine ganze Geschichte hindurch und noch bis in unsere Tage hinein: systematisch. Weshalb es keineswegs unmöglich erscheint, daß solche Methoden schon in jener Zeit in Dorpat auch an Georg Woldemar von Fahrensbach und seinem Bruder in Dorpat erprobt worden sind. Der Übertritt dieser beiden Brüder zum Katholizismus macht jedenfalls darauf aufmerksam, daß der Jesuitenorden gegenüber diese beiden inzwischen elternlosen Brüdern erfolgreicher war als gegenüber Hermann Samson. 

Das ganze spätere, außerordentlich rüde, anarchische Verhalten der Fahrensbach-Brüder, das im Auftrag des jesuitisch beratenen polnischen Königs erfolgte und deshalb immer straflos blieb, anstatt daß sie dafür - wie einige jener, mit denen sie zusammen gearbeitet hatten - hingerichtet worden wären, ihr Übertritt zum Katholizismus und ihre immer wieder erwähnte Zusammenarbeit mit den Jesuiten würde sehr gut dazu passen. Die Brüder haben sich noch rauhbeiniger und ungehobelter als die rauhbeinigsten und ungehobelsten Landsknechte jener Zeit verhalten, sie haben ihre Landsmänner immer und immer wieder mit diesem Verhalten, mit groben Beleidigungen und Gewalttätigkeiten vor den Kopf gestoßen, so daß alles das sehr genau zu einer solchen, eben geschilderten Gewalttat der Jesuiten passen würde. 

Systematische Pädokriminalität und Schwarze Pädagogik wird ja von Seiten des Jesuitenordens bis in unsere Tage hinein praktiziert. Und der Haß gegen die Jesuiten ist gerade erst deshalb in den letzten Jahren weltweit immer wieder erneut hoch geflammt, 2010 auch in Deutschland, was wir auf unserem Parallelblog ausführlich behandelt haben. Die Jesuiten haben in unseren Tagen einmal erneut all ihren außerordentlich abartigen Praktiken abgeschworen, öffentlich. Mag ihnen glauben, wer will - wir hier auf dem Blog tun das nicht. Nur allein ein weltweites Verbot dieser pädokriminellen Psychosekte und umfassende Aufklärung über diesselbe halten wir für angemessen ihr gegenüber. 

Hermann Samson (1579-1643) - Vorkämpfer gegen die Jesuiten

Wir hören weiter über Hermann Samson (Wiki):

Im August 1599 begann er ein Theologie-Studium an der Universität Rostock und hörte Vorlesungen in Griechisch und Latein bei Eilhard Lubin. Im Mai 1600 ging er an die Universität Wittenberg und wurde gleichzeitig mit Axel Oxenstierna, dem späteren schwedischen Reichskanzler, immatrikuliert.

Axel Oxenstierna sollte bis an sein Lebensende ein Freund von Hermann Samson bleiben. Oxenstjerna hat denn auch König Gustav Adolf auf Hermann Samson aufmerksam gemacht. Beide wurden am Ende ihres Lebens gemeinsam von der schwedischen Königin geadelt. Doch zurück in das Jahr 1600. Es ist das Jahr der Verbrennung von Giordano Bruno auf dem Campo fiore in Rom! Dieser hatte erst wenige Jahre zuvor in Wittenberg geweilt und sich in so begeisterten Worten über den dort herrschenden, freien deutschen Geist geäußert. In Hermann Samson zeigte er sich wahrlich (Wiki):

Er hörte Vorlesungen bei Ägidius Hunnius, Salomon Gesner und Leonhard Hutter, sowie in der Philosophie bei Jakob Martini. Im Verlauf seines Studiums erarbeitete er sich das Examen Concilii Tridentini von Martin Chemnitz so intensiv, daß er das Werk auswendig kannte. Er wurde von seinen Lehrer so geschätzt, daß er anläßlich des 66. Todestages von Martin Luther die Feierrede im Namen der Universität hielt; weiter wurde er gebeten, nach dem Tode von Salomon Gesner an dessen Stelle Predigten in der Schloßkirche zu halten. Am 25. September 1604 absolvierte er, als bester Kandidat von 32 Personen des Sommersemesters, den Magistergrad in Wittenberg.

Und weiter (Wiki):

Aufgrund der katholischen Gegenreformation in Livland kehrte er in die Heimat zurück. Riga war damals die Metropole des Baltikums und sicherte den Fortbestand der evangelischen Kirche in Livland. Während der Kalenderunruhen in Riga, in der sich eine protestantische Opposition gegen den Rat und dessen Nachgiebigkeit gegen die Forderungen des polnischen Königs und der Jesuiten gebildet hatte, das jedoch durch das Eingreifen der polnischen Regierung mit einem Sieg des Rates endete, hatte sich gezeigt, wie tief verfeindet die Bürgerschaft und der Rat waren. Der Rat, unter Führung von Bürgermeister Nicolaus Eck, stützte sich auf die polnischen Machthaber und setzte dem Vordringen der Jesuiten in Riga nur eine schwache Defensive entgegen. Die Jesuiten hatten erkannt, daß mit der Unterwerfung Rigas der Sieg der katholischen Kirche in Livland entschieden sei.
In diese Verhältnisse kehrte Hermann Samson im Sommer 1608 nach Riga zurück. Er nahm entschlossen den Kampf gegen die Jesuiten auf und hielt am 24. Juni 1608 seine erste Predigt in der Petrikirche mit dem Thema "… daß der Glaube, welchen die Lutheraner haben, der uralte katholische Glaub sey, hinwieder der Jesuiten und Bäbstlichen Glaub ein Spannewever Glaub sey." In dieser Predigt griff er die Jesuiten offen an, und ließ sie später drucken und vertreiben. Hierdurch wurde das protestantische Bewußtsein im Rat und in der Bürgerschaft gestärkt. Samson galt daher als Vorkämpfer und Verteidiger des evangelischen Glaubens, der kurz darauf in das geistliche Ministerium der Stadt aufgenommen und zum Inspektor der städtischen Schulen ernannt wurde. 1611 wurde er Oberpastor am Dom und 1616 Oberpastor zu St. Peter und damit das Oberhaupt der evangelischen Geistlichkeit in Riga. Als Inspektor der Schulen war es sein vorrangiges Ziel, sich dem Bestreben der Jesuiten, die Kinder der Bürger und Adels in ihren Schulen zu ziehen, entgegenzusetzen. Aufgrund seiner Kenntnisse in Griechisch und Latein gab er selbst Unterricht und wurde von seinen Schülern verehrt.
Die Jesuiten forderten ihn mehrmals zu öffentlichen Disputationen heraus. Allerdings war er mit ihrer Art der Polemik und ihren gewöhnlichen Argumenten vertraut und war ihnen durch seine Schlagfertigkeit, sprachliche Gewandtheit und seine Logik vollkommen gewachsen. Seitens der Jesuiten wurde Klage gegen Hermann Samson beim König Sigismund III. erhoben, der ihn durch königlichen Befehl nach Warschau zitierte. Hierauf erklärte die Stadt Riga durch ihren Syndicus Johann Ulrich in Warschau, daß sie ihren Oberhirten nicht reisen lassen würden, so daß durchgesetzt wurde, daß eine königliche Kommission nach Riga kam; vor dieser konnten die erhobenen Anklagen widerlegt werden.  

In einer biographischen Kurzdarstellung zu Hermann Samson aus dem Jahr 1777 schwingt noch viel von den damaligen Emotionen mit (Gadebuch 1777, S. 76):

Johann Ulrich, dieser würdige Syndikus der Stadt Riga, dieser Stammvater einer livländischen adeligen Familie, führte seine Sache vor dem Könige mit einer zwar tullianischen Beredsamkeit aber auch mit der äußersten Gefahr. Er trug keine Bedenken, in die Worte auszubrechen, daß seine Mitbürger lieber all ihr Blut vergießen als die rechtgläubige Religion und ihren Verteidiger verlassen wollten. Jedoch da die Not am größten war, da Samson und seine Vaterstadt verloren zu sein schien, da die Jesuiten mit Siegmunds strengsten bluttriefenden Befehlen drohten: kam Gustav Adolf und befreite Samson von den blutdürstigen Anschlägen der Jesuiten und ihrer Handlanger.

Wir erfahren weiter (Wiki):
Durch seine Auseinandersetzung mit den Jesuiten, durch seine Schriften und Predigten war Hermann Samson inzwischen in ganz Norddeutschland bekannt geworden, und erhielt Berufungen nach Rostock als Professor und Pastor, sowie nach Hamburg und nach Danzig, allerdings blieb er in Riga und lehnte alle Wünsche ab. Er wollte lieber seinen Kampf gegen die Jesuiten fortsetzen, die inzwischen immer neue Anklagen gegen ihn erhoben; zum Schluß waren es 400 Anklagen.
Im August 1621 belagerte Gustav Adolf Riga und nach einem Monat mußte sich die Stadt ergeben; die Stadtbewohner huldigten ihrem Befreier am 25. September 1621. Die Huldigungspredigt hielt Hermann Samson noch am selben Tag vor dem König in der Petrikirche. Gustav Adolf war durch Axel Oxenstierna auf Hermann Samson aufmerksam gemacht worden, und so wurde er durch Gustav Adolf zum Superintendenten von ganz Livland ernannt, mit dem Auftrag, die zerstörte Landeskirche wiederherzustellen.
1631 gründete der Rat in Riga ein Akademisches Gymnasium (1. Staatsgymnasium Riga) zur höheren Ausbildung, an dieser wurde Hermann Samson die Professur der Theologie übertragen.
Als Anerkennung seiner Verdienste wurde ihm 1638 von der schwedischen Regierung das Gut Festen in Livland geschenkt. Am 19. September 1640 wurde ihm von der Königin Christina der erbliche schwedische Adel mit dem Zusatz von Himmelstjerna verliehen.

Was für ein Leben! Und das war nur eine Nachzeichnung seines Lebens in gröbsten Zügen. Vieles ließe sich dazu wohl noch ergänzen. Im Januar 1622 schrieb beispielsweise der litauische Magnat und Calvinist Radziwill im Interesse des polnischen Königs an Hermann Samson einen langen Brief (Bienemann 1896, S. 295):

Hier bot er alle Künste der Überredung auf, um Samson zu veranlassen, der Führer eines Unternehmens zu werden, das durch plötzlichen Handstreich Riga wieder in polnische Hände bringen sollte, um sich selbst als den besten Freund der Stadt zu empfehlen. 

Damit sollte Radziwill nicht zum Ziel kommen. Merkwürdig überhaupt, daß er den Versuch machte. Um 1840 sollte ein Nachfahre von Hermann Samson eine Nachfahrin des Zeitgenossen von Hermann Samson, des Generalmajors Wilhelm de la Barre heiraten.

Willkürlich heraus gegriffen - Weitere Angehörige baltischer Adelsfamilien und ihre Schicksale

Von den vielen deutschbaltischen Adelsfamilien, die sich in diesem Stammbaum des Leibarztes des Fürsten Pleß sonst finden, seien genannt - ohne Anspruch auf Vollständigkeit: von Müller, von Maydell, von Taube von der Issen, von Liphardt, von Tiesenhausen, von Dunten, von Richter, von Oettingen, von Rennenkamp, von Pfeil, von Drenteln, von Knorring, von Ramm, von Aderkas, von Schlippenbach, von Buddenbrock, von Wrangel, de la Barre, von Uexküll Güldenband, Staël von Holstein (Wiki), von Ungern Sternberg, von Ramm, von Kloberg. Wo man in diesem Stammbaum hinschaut, findet man sehr schnell sehr interessante, spannende und recherchierbare Geschichten. 

Nur ganz willkürlich sei noch herausgegriffen etwa die Rigaer Kaufmannsfamilie Dunte, die unter anderem Seidenhändler waren. Sie wurde 1653 geadelt, weil sie dem Schwedenkönig Gustav Adolf II. Geld geliehen hatte (Dunte/pdf).

Wie dieser deutschbaltische Adel überhaupt sehr stark davon mitgeprägt ist, daß die Schwedenkönige Gustav Adolf II. und Karl XII. Livland erobert und für den Protestantismus in vielen Kriegszügen gesichert haben. Viele der Vorfahren in diesem Stammbaum der Himmelstjerna waren ursprünglich Bürgerliche, die im 17. Jahrhundert durch das schwedische Königshaus geadelt wurden, auf Gütern in Livland oder Kurland ansässig wurden und in den einheimischen Adel einheirateten.

Aber es waren - wie schon in dem Eingangszitat erkennbar - wüste Zeiten und es gab immer wieder auch Angehörige unter diesem Adel, die als Vorkämpfer für die landständische Freiheit und Selbstständigkeit Livlands oder schlicht als Verräter - je nach dem! - hingerichtet worden sind. Bekannt und berüchtigt sind dieserhalben etwa der jesuitische Geheimagent Georg Wolmar von Fahrensbach (1586-1633) (Wiki), hingerichtet 1633 auf dem Marktplatz in Regensburg von wütenden Befehlshabern des kaiserlichen Heeres. Seine Hinrichtung war katholischerseits aus Versehen geschehen. Ein Tag später war die Begnadigung von Kaiser Ferdinand II. eingangen. 

Ein anderer Fall ist Johann Reinhold von Patkul (1660-1707) (Wiki, lett), Todfeind Karls XII., der schließlich auf Befehl des letzteren in Sachsen gerädert und gevierteilt wurde. Dieser Johann Reinhold von Patkul war ein Halbbruder eines direkten Vorfahren des Verfassers dieser Zeilen. Der Vater des Johann Reinhold von Patkul war zwei mal verheiratet. Der geräderte von Patkul stammte aus erster Ehe, der Halbbruder, von dem der Verfasser dieser Zeilen abstammt, aus zweiter Ehe (mit Gertrud von Holstfer). Die Familie von Patkul (Wiki) insgesamt jedenfalls ist seit 1335 in Livland bezeugt. Vielleicht repräsentiert sie noch jene Teile des Adels, die auf den vorchristlichen Adel Livlands zurückgehen.

Wiederum ein anderer Fall ist Thomas Ramm (gest. 1631) (Wiki). Der Vater dieses Thomas Ramm war Münzmeister in der Stadt Riga in dritter Generation (Wiki):

Als Bürgermeister leitete Ramm 1621 die Verteidigung während der schwedischen Belagerung und die Unterhandlungen mit König Gustav II. Adolph über Rigas Unterwerfung. Bürgermeister blieb er bis 1631. Wegen seiner der schwedischen Krone geleisteten Dienste bekam Ramm 1622 die Güter Padis und Wichterpal doniert und wurde 1624 in den schwedischen Adelstand gehoben.

Auch die von ihm begründete Adelsfamilie von Ramm findet sich unter den Vorfahren des Verfassers dieser Zeilen. 

Und noch ein weiterer Fall ist der oben schon benannte Syndikus im Rat von Riga und der späterer Bürgermeister von Riga Johann Ulrich (gest. 1642), der sich so sehr in Warschau vor dem König für Hermann Samson und die religiösen Freiheiten der Stadt Riga eingesetzt hat (Gadebusch 1777, S. 76). Auf diesen Ulrich stößt man in unterschiedlichen Zusammenhängen wenn man sich mit der Geschichte der Stadt Riga in jener Zeit beschäftigt. Johann Ulrich wurde 1624 von Gustav Adolf II. geadelt und begründete ebenfalls eine baltische Adelsfamilie. Über ihn wird anderwärts berichtet (Böthführ 1877, S. 166):

Johann Ulrich, Erbherr zu Rujel. 1613 Syndicus. 1622 Bürgermeister. 1625 königlicher Burggraf, auch Präses des Consistoriums. Vor seinem Eintritt in den Dienst des Rates war er zehn Jahre lang fürstlich kurländischer Sekretär und Rat gewesen. In den Jahren 1618 und 1620 war er Gesandter der Stadt auf den Reichtagen zu Warschau und 1622 zugleich mit Gotthard Willing auf dem Reichstage zu Stockholm. Hier erfreuten sich die Rigischen Abgesandten, welche zum ersten Male den schwedischen Reichstag besuchten, eines ausgezeichneten Empfanges. Sie (...) erhielten mehrmals bei dem Könige Gustav Adolph eine Privataudienz und nahmen auf der Reichsversammlung unter den Städten die zweite Stelle unmittelbar nach der Residenz ein. Namentlich wurde Ulrich von dem Könige ausgezeichnet, auch von ihm zur Tafel gezogen. Auf dem Reichstage führte Ulrich (...) die Rigische Gesandtschaft ein, auf welche der Kanzler Oxenstierna antwortete. (...) Im Jahre 1624 wurde Ulrich vom König Gustav Adolph in den Adelstand erhoben. (...) 1632 erwarb er die Güter Rewold und Ucht.

Damit sind ein paar wenige Ausschnitte aus dem Ringen Riga's um die evangelische Freiheit genannt. Weitere Ausschnitte sollen in den nächsten Beiträgen behandelt werden.

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  1. Friedrich Konrad Gadebusch: Herman Samson. In: Livländische Bibliothek. Nach alphabetischer Ordnung. J. F. Hartknoch, Riga 1777 (GB)
  2. Bienemann jun., Dr. Fr.: Zur Geschichte der Kritik der hist.-polit. Schrift "Von der Eroberung der Stadt Riga 1621". In: Mitteilungen aus dem Gebiete der Geschichte Liv-, Est- und Kurlands, Band 16, Riga 1896 (GB), S. 262-320 
  3. Heinrich Julius Böthführ: Die Rigische Rathslinie von 1226 bis 1876: nebst einem Anhang, Verzeichniss der Aeltermänner, Aeltesten und Dockmänner der grossen Gilde in Riga von 1844 bis 1876.  2. vollst. umgearbeitete Auflage. Verlag von Deubner, Riga u.a. 1877 (GB), erneut H. v. Hirschheydt, 1969 
  4. Honselmann, Wilhelm: Theodor von Havkenscheid S. J. (1530-99). In: Westfälische Zeitschrift, Bände 112-113, 1962; erneut in: Blätter für deutsche Landesgeschichte, Band 99, 1963, S. 343 (pdf

Schweden und Kurland im Abwehrkampf gegen die Jesuiten (1600-1629)

"Minen hört man und Geschütz / täglich dumpf erdröhnen" - Im Kampf für die evangelische Freiheit
- Einige Einblicke in das Leben der Deutschen des baltischen Adels und der Bürgerschaft des 17. Jahrhunderts in Livland und Kurland

Teil 2: Gustav Adolf von Schweden schützt die Protestanten in den baltischen Ländern - Der polnisch-schwedische Krieg (1600 bis 1628) 

Wer die Geschicke der baltischen Länder in den Zeiten der Gegenreformation des 16. und 17. Jahrhunderts genauer verstehen will, muß viele parallele Themen gleichzeitig in den Blick nehmen: Was geschah in Schweden? Was geschah in Kurland? Was geschah in Litauen? Was geschah in Polen? Überall ein sehr buntes geschichtliches Leben. Im folgenden werfen wir zunächst a) einen Blick auf die eigentümliche Stellung Litauens, werfen dann b) einen groben Blick auf den schwedisch-polnischen Krieg von 1600 bis 1629 und behandeln als drittes c) das nicht weniger aufwühlende Geschehen rund um die Herzöge von Kurland. Zum Schluß behandeln wir noch d) die viel zu wenig beachtete protestantische Schwester des Jesuitenzöglings Sigismund III. Wasa, die seit der Niederlage des protestanitischen polnischen Adels gegenüber dem polnischen König im Jahr 1606 nicht mehr in Warschau leben sollte und der deshalb ein Wohnsitz in Strasburg in Westpreußen angewiesen worden war, wo sie eine rege Tätigkeit entfaltete.

Abb. 1: Anna von Schweden (1568-1625), Starostin von Strasburg an der Drewenz (Wiki), standhafte Protestantin in Zeiten der Gegenreformation - Gemälde der italienischen Malerin Sofonisba Anguissola (1532–1625) (Wiki)

Keineswegs unbedeutend für das Verständnis der Geschichte der baltischen Länder ist der Umstand, daß das Großfürstentum Litauen (Wiki) mit seiner Hauptstadt Wilna eine ganz andere geschichtliche Entwicklung durchlaufen hat als Preußen, das südlich von ihm lag, und als Kurland und Livland, die nördlich von ihm lagen. 

Die Selbstständigkeit bewahrt - Das Großfürstentum Litauen und die Radziwiłłs

Litauen war geschichtlich nie besonders stark zur Ostsee hin orientiert. Der westliche Teil von Litauen war das dünner besiedelte Herzogtum Samogitien (Wiki, a). Der dortige kleine Seehafen war Jahrhunderte lang Palanga (Wiki), bzw. Sventoi (Wiki). Erst 1923 kam mit der Annektion der deutschen Stadt Memel ein größerer Seehafen hinzu. 

Litauen konnte seine kulturelle und politische Selbstständigkeit gegenüber den Bestrebungen des Deutschen Ritterordens - von Preußen im Süden - und des deutschen Schwertritterordens - von Kurland, Riga und Livland im Norden - in tapferen Abwehrkämpfen bewahren. Die Litauer wurden angeführt von ursprünglich heidnischen Fürsten. Diese Fürsten traten schließlich - sozusagen "selbstständig" - zum Christentum über. Dadurch bewahrten sie ihre eigene kulturelle Tradition. Der Staat Litauen gewann während des Spätmittelalters sogar eine dominiertende Stellung in Ostmitteleuropa und ab 1362 zogen litauische Fürsten in Kiew ein, Litauen wurde Großmacht. Seine Herrschaft erstreckte sich zeitweilig über Weißrußland und die Ukraine bis an das Schwarze Meer. Die Schriftsprache und die Hofsprache in diesem Land war allerding Jahrhunderte lang das Weißrussische ("Ruthenische"). 

Im 15. bis 18. Jahrhundert kam es dann zur Staatenunion zwischen Litauen und Polen. Dadurch wurde Polnisch zur Sprache am Hof des Großfürsten von Litauen. In der Frühen Neuzeit wurde dadurch Polen zu einer sehr bedeutenden Großmacht in Ostmitteleuropa.

Wegen der engen Bindung Litauens an Polen hatte die Reformation in Litauen nie besonders große Erfolge. Es gab allerdings Ausnahmen. Ein Hort des Calvinismus in Polen-Litauen war die polnisch-litauische Magnaten-Familie der Radziwiłł (Wiki). Bei ihr handelte es sich um eine ursprünglich heidnische, litauische Familie. Frühe heidnische Vertreter dieser Familie hießen mit Vornamen Ostik oder Radvila. Sie ließen sich taufen. 1413 wurden sie in den polnischen Adel aufgenommen. Ab 1477 nutzten sie statt der litauischen Namensform Radvila, die auf den genannten Vorfahren zurück ging, den polonisierten Namen Radziwiłł. 

Verschiedene Vertreter dieser Familie wurden seit dem Spätmittelalter und über die Jahrhunderte hinweg von den polnischen Königen zu Wojewoden von Wilna und Smolensk ernannt, zu Großfürsten von Litauen ("Großhetman") und in viele andere führende Stellungen innerhalb des polnisch-litauischen Reiches. Eine Angehörige dieser Familie war auch Ehefrau des polnischen Königs.

Welche Bedeutung die Calvinisten innerhalb von Polen gewinnen konnten (s.a. Prbl2022), kam in den Anfangsjahren des Dreißigjährigen Krieges sehr deutlich zum Ausdruck. Damals spielte der calvinistische, ungarische König Bethlen Gábor (1580-1629) (Wiki) eine Rolle, die im deutschen Geschichtsbewußtsein viel zu wenig bekannt und verankert ist. Er bedrohte mehrmals Wien und damit die Rekatholisierungsbestrebungen des Jesuitenordens in ganz Europa. Sein Wirken, so lesen wir an einer Stelle, ... (Seraphim 1893, S. 142)

... erhielt dadurch noch einen gefährlicheren Charakter, als eine starke Partei in Polen, so die Magnatenfamilien der Radziwill und Saphieha, der Starost von Sandomir u. a. sich mit dem Plane trug, Bethlen Gabor die Krone ihres Reichs zu übertragen.

Zu all dem mehr noch in weiteren Beiträgen (s.a. Prbl2022). Denn das waren in der Tat weitausschauende Projekte. Immerhin war fünfzig Jahre zuvor mit Stephan Bathory schon einmal ein ungarischer Fürst König von Polen geworden. Das Handeln der Radziwiłł innerhalb des polnischen Staates in Zeiten der Gegenreformation wäre noch einmal ganz gesondert in seinen unterschiedlichen Wendungen und Differenzierungen zu verfolgen. War der Krieg Polens gegen Schweden über viele Jahre hinweg deshalb nicht erfolgreich, weil die vielen Protestanten in Polen - unter anderem Radziwiłł - ihn nur mit halbem Herzen führten? Radziwiłł hat im Jahr 1621 auch auffallend wenig Bemühung gezeigt, die Stadt Riga gegen den Schwedenkönig Gustav Adolf für Polen zu erhalten. 

Im Januar 1622 schrieb der bedeutende litauische Feldherr, Magnat und Großfürst Christoph Radziwiłł („der Jüngere“, polnisch Krzysztof „Młodszy“ Radziwiłł, litauisch Kristupas „Jaunasis“ Radvila) (1585-1640) (Wiki) im Interesse des polnischen Königs an den Superintendenten Hermann Samson in Riga einen langen Brief (Bienemann 1896, S. 295):

Hier bot er alle Künste der Überredung auf, um Samson zu veranlassen, der Führer eines Unternehmens zu werden, das durch plötzlichen Handstreich Riga wieder in polnische Hände bringen sollte, um sich selbst als den besten Freund der Stadt zu empfehlen.

Die feste Haltung der Riga'er Bürgerschaft gegenüber solchen unüberlegt anmutenden Bestrebungen ließ Radziwill völlig scheitern. Aber dieser Versuch mag auch wieder etwas von der Halbherzigkeit aufzeigen, mit der Radziwill sich einerseits für die polnische Sache einsetzte, andererseits aber auf Wegen, auf denen er doch kaum glauben konnte, zum Ziel kommen zu können. Die damalige Rolle der calvinistische Zweig der Radziwiłł's und die Protetanten insgesamt in Polen wäre deshalb noch einmal sehr genau aufzuarbeiten. Das ist - soweit übersehbar - in der Geschichtswissenschaft selten sehr umfangreich und differenziert getan worden. Es ist dazu jedenfalls nur schwer ein guter Überblick zu gewinnen (weiteres siehe: Prbl2022).

Ab 1770 traten dann Vertreter einer katholischen Linie der Familie Radziwiłł in preußische Dienste. Sie vertraten die polnische Minderheit innerhalb des Deutschen Reiches als Abgeordnete im Deutschen Reichstag in Berlin. 

Birzen als Zentrum des Calvinismus

Der calvinistische Zweig der Familie übte die Herrschaft über die litauische Stadt Birzen (Wiki) aus. Unter dieser Familie wurde die Stadt zu einem Zentrum des Calvinismus in Litauen. In ihr hat sich bis heute die größte Evanglisch-reformierte Gemeinde in Litauen erhalten (die allerdings auch nur noch einige hundert Köpfe zählt!). 

Hier jedenfalls wurde der schon eben gentannte litauische Feldherr, Magnat und Großfürst Christoph Radziwiłł (1585-1640) geboren. Dieser als Feldherr ebenbürtige Gegner des Schwedenkönigs Gustav Adolfs II. war zugleich ein wichtiger Hort des Calvinismus in Polen. Er führte die polnisch-litauischen Truppen und auch den Adel Kurlands und Livlands im Krieg gegen die Schweden und im Krieg gegen die Russen. Zeitweise diente bis 1621 unter ihm auch der Vorfahre des Verfassers dieser Zeilen, der oben schon genannte Rittmeister Wilhelm de la Barre, zeitweise zusammen mit dessen damaligem Freund, dem jesuitischen Geheimagenten Georg Wolmar von Fahrensbach, eine Person, der wir in späteren Beiträgen viel Augenmerk widmen werden. Denn er scheint Zeit seines Lebens von den Jesuiten als Geheimagent jeweils in den Zentren der politischen und militärischen Auseinandersetzungen des Dreißigjährigen Krieges eingesetzt worden zu sein.

Die Stadt Birzen ist dann 1625 vom Schwedenkönig Gustaf Adolf II. erobert worden. Zu jenem Zeitpunkt war der genannte Wilhelm de la Barre schon in die Dienste Gustav Adolfs II. übergetreten. Und während der Belagerung dieser Stadt hat der schwedische Köng ihn - um seiner Verdienste willen und sicher auch, um ihn enger an sich zu binden - mit dem oben schon erwähnten livländischen Schloß Ermes (im damaligen mittleren Livland, heute im Norden von Lettland an der Grenze zu Estland gelegen) beschenkt samt den zu dieser Schloßherrschaft gehörenden umliegenden Dörfern und Gusthöfen (Prbl12-2022). So viel zunächst zu den Deutschen und Protestanten in den baltischen Ländern.

Im Krieg gegen Polen - Gustav Adolf von Schweden (1600 bis 1629)

Die Rolle, die Bethlen Gabor bis 1629 im Dreißigjährig Krieg gespielt hatte, nämlich die des ernsthaftesten und überlegtesten Gegners der Gegenreformation, ist ab dem Jahr 1630, nachdem Gabor so "überraschend" gestorben war, von dem Schwedenkönig Gustav Adolf II. (Wiki), dem "Löwe aus dem Norden", übernommen worden. Er hatte sich aber nicht erst im Rahmen des Dreißigjährigen Krieges für die protestantische Sache in der Welt eingesetzt, sondern schon während seines Krieges gegen den katholischen König Polens, der zugleich Ansprüche auf die schwedische Krone erhob, womit die Gefahr der Rekatholisierung Schwedens verbunden war. 

Dieser Abwehrkampf geschah im Polnisch-Schwedischen Krieg von 1600 bis 1629 (Wiki), der sich im Laufe der Jahre von den baltischen Ländern hinüber nach Preußen und Pommern verlagerte, nämlich um so mehr die Schweden militärisch erfolgreich dabei werden sollten und militärisch an Ansehen in Europa gewinnen sollten dadurch. Noch bis 1629 hatte Bethlen Gabor die militärischen Fähigkeiten der Schweden nicht sehr hoch eingeschätzt, ließ sich aber gerade in jenem Jahr von dem schwedischen Gesandten Paul Strassburg eines anderen überzeugen. 

In diesem Krieg eroberte Gustav Adolf 1621 jedenfalls in einer günstigen weltpolitischen Lage zunächst Riga und Teile Livlands für Schweden und sicherte dadurch dort die Weiterexistenz des Protestantismus bis heute. Die größeren politischen und religionspolitischen Zusammenhänge, in denen sein Krieg gegen Polen geführt wurde, werden recht gut in dem bewährten wissenschaftlichen Werk "Allgemeine Deutsche Biographie" von 1879 dargestellt (ADB1879):

Bereits ein halbes Jahrhundert zuvor war den hier genannten Mächten der Zerfall von Livland der Anlaß zum Wettkampf um dessen Besitz geworden. (...) Gerade Gustaf Adolf II. war inmitten so vieler Gefahren ganz erfüllt von dem Anspruch auf die Oberhoheit, auf das Dominium über die Ostsee. Nach der entscheidenden Niederlage Rußlands war es sein Bestreben, nun auch die feindliche polnische Herrschaft von der Ostsee zu verdrängen - ein Bestreben, an das sich das weitergehende Bemühen, die Festsetzung der Verderben drohenden Habsburger an den Küsten dieses Meeres zu verhindern, mit Notwendigkeit anschloß. Gewiß würde auch abgesehen von seinen Thronstreitigkeiten mit (dem katholischen) Sigismund der Kampf mit Polen um Livland und die Ostsee ihm stets als ernste Aufgabe gegolten haben. Daß aber hinter Sigismund dessen mächtige Verbündete als gleichzeitig zu bekämpfende Feinde standen, gibt diesem Kriege eine weitere Bedeutung. (...) In seinen eigenen Augen war auch schon der Krieg gegen Polen ein Krieg zur Beeinträchtigung des Kaisers und der katholischen Liga; und es war sein dringender Wunsch, dem natürlichen Zusammenhange zwischen beiden Kriegen entsprechend ein planmäßiges strategisches Zusammenwirken mit den evangelischen Kämpfern Deutschlands herzustellen. Während er mit Kummer und Verdruß die durch ihre Fehler herbeigeführten Niederlagen bemerkte, trug er im September 1621 durch die Eroberung Rigas einen höchst gewinnreichen Erfolg über die Polen in Livland davon. Zwei Jahre später, als er mit dem Süden auch schon den Norden Deutschlands in Gefahr sah und dazu polnische Intriguen in Pommern witterte, faßte er den Plan, den Kriegsschauplatz von Livland unmittelbar nach Polen zu verlegen, um die polnische Politik von Pommern abzulenken und durch Bedrohung der benachbarten kaiserlichen Erbländer den Kaiser und die Liga selbst soviel als möglich von Deutschland zu divertiren. 

Man sieht wie eng hier das Schicksal aller protestantischen Länder, auch der Länder Pommern, Preußen und Brandenburg miteinander verzahnt war. Nebenbei sei erwähnt, daß nach der Eroberung Rigas 1621 das Rigaer Jesuitenkollegium durch Gustav Adolf aufgehoben worden ist und seine Bibliothek nach Uppsala geschafft worden ist, wo sie bis heute scheint geblieben zu sein (1936, S. 96):

Der jetzige Aufbewahrungsort der einst den Rigaer Jesuiten gehörenden Schriften erklärt sich dadurch, daß die Bibliothek des 1621 von Gustav Adolf aufgehobenen Rigaer Jesuitenkollegs im November 1622 der Akademie zu Uppsala überwiesen worden ist. 

Die Verzahnung der protestantischen Interessen in Nordeuropa hat der Schwedenkönig als verantwortungsbewußter Protestant oft noch deutlicher gesehen als viele damalige deutsche protestantische Landesfürsten (ADB1879):

Noch fand Gustav Adolf II. in Deutschland selbst am wenigsten Entgegenkommen und Verständnis. Deshalb vielleicht um so mehr vertiefte er sich noch einmal gerade 1625 völlig in seinen livländischen Krieg. Livland wurde vom Feinde im ganzen befreit, und so gewann Gustav Adolf zum mindesten eine bessere Grundlage für unmittelbare Angriffe auf Polen. Im Frühjahr 1626 wurde in der Tat der Krieg von der Düna an die Weichsel versetzt - unter den maßgebenden Gründen finden wir wiederholt auch den angeführt, daß der König Deutschland näher kommen und bessere Gelegenheit zur Correspondenz mit den benachbarten Potentaten erlangen wollte. Freilich bedauerte er, hier keine Rücksicht auf seinen Schwager, den Kurfürsten von Brandenburg als Herzog von Preußen nehmen zu können, das auf seinem Wege zunächst gelegene herzogliche Preußen wegen seiner Abhängigkeit von der Krone Polen nicht schonen und umgehen zu können. Er landete im Juni bei Pillau, okkupierte es und nannte es „ein Loch, durch das er weiter vorwärts müsse“. Dann wandte er sich gegen die preußisch-polnischen Besitzungen und eroberte im Fluge eine Reihe der wichtigsten Städte. Er verjagte die Jesuiten aus Braunsberg, sorgte aller Orten für die notleidende evangelische Kirche und erschien bereits im Lichte des Glaubenshortes. Die Unzufriedenheit der großentheils evangelisch gesinnten Preußen über den Religionsdruck der Papisten bezeichnete er als den wahren Grund der schnellen Fortschritte seines Heeres. Im folgenden Sommer (1627) gesichert und erweitert, standen dieselben gleichwohl in keinem Verhältnis zu den großartigen Erfolgen, welche zur nämlichen Zeit die Waffen Tilly's und Wallenstein's über Christian IV. und dessen Mitkämpfer im nördlichen Deutschland, wie in den Erblanden des Kaisers gewannen.

Es scheint doch allerhand Hinweise zu geben dafür, daß das planlose und unkoordinierte Handeln der protestantischen Mächte in Norddeutschland und Nordeuropa, und zwar auch unkoordiniert was ihr Zusammenwirken mit Bethlen Gabor in Ungarn betrifft, durch jesuitische Umtrieben in ihren eigenen Reihen insbesondere hervor gerufen worden ist. Unter diesem Blickwinkel wird insbesondere das Handeln des katholischen "Militärunternehmers" auf protestantischer Seite, des Grafen Mansfeld, seiner äußeren, offensichtlichen, inneren Widersprüche entkleidet und entzaubert. Deutet nicht alles darauf hin, daß dieser Graf Mansfeld wie ein typischer Geheimkatholik auf protestantischer Seite gehandelt hat, nämlich um der protestantischen Sache zu schaden (s. GA-j2022)?

Jedenfalls sollten die so sonderbaren militärischen Mißerfolge der Protestanten in Deutschland dann schließlich das direkte Eingreifen Gustav Adolfs in den Krieg in Deutschland notwendig machen. Dieses Eingreifen war schon früh geplant gewesen, ist aber immer noch einmal wieder um ein Jahr verschoben worden. Woran wiederum unser livländischer jesuitischer Geheimagent Georg Wolmar von Fahrensbach einen Anteil gehabt haben mag. Denn er diente mehrmals als eine der Verbindungspersonen Gustav Adolfs gegenüber dem calvinistischen "Verbündeten" in Ungarn, Bethlen Gabor. Und er hat dort - offensichtlich - im Geheimen nichts zum Guten der protestantischen Sache bewirkt. Bethlen Gabor starb am 15. November 1629 in Weißenburg in Siebenbürgen mit 49 Jahren, ausgerechnet zu jener Zeit als unser jesutisicher Geheimagent dort im Auftrag Gustav Adolfs weilte und dort schon zuvor üble Verleumdungen gegenüber einem anderen Verbindungsmann des Schwedenkönigs am Hof von Bethlen Gabor ausgestreut hatte, nämlich gegenüber Paul Strassburg. Der Tod Bethlen Gabors hat viel dazu beigetragen, daß die katholische Sache sich in Europa weiter gegenüber den Zugriffen der Protestanten behaupten konnte.

Zurück in die frühen 1620er Jahre. Die militärischen Ereignisse in Livland waren im eben gegebenen Zitat nur sehr grob angedeutet worden. Da an diesen mindestens ein Vorfahre des Verfassers dieser Zeilen teil hatte, nämlich der Führer des ersten jemals im schwedischen Heer bestehenden Dragoner-Regiments, der schon genannte Rittmeister Wilhelm de la Barre, soll noch zitiert werden, was man darüber auf dem schwedischen Wikipedia ausgeführt findet in Zusammenhang mit der entscheidenden Schlacht von Wallhof (Wiki):

1621 hatten die Schweden Riga belagert und erobert, was Aufmerksamkeit erregte, da es das erste Mal war, daß ein protestantischer Führer eine katholische Macht besiegte. Die schwedische Armee war jedoch erschöpft und die Polen konnten durch einen Angriff von Dorpat aus die Initiative zurückgewinnen. Ein Waffenstillstand wurde im November 1622 geschlossen und bis März 1625 verlängert. Es konnten keine akzeptablen Bedingungen für einen Frieden mit Polen erreicht werden, also plante Gustav II. Adolf einen neuen Feldzug gegen Polen, der im Juni 1625 begann. Kokenhusen, Birze und Mitau wurden erobert und Dorpat wurde nach sechstägiger Belagerung eingenommen.
Im Herbst 1625 erschienen zwei polnische Armeen gegen die schwedischen Streitkräfte und Gustav II. Adolf beschloß, einen Zusammenstoß herbeizuführen, bevor die polnischen Streitkräfte Zeit hatten, sich zu vereinen. Ziel war das polnische Lager bei dem Dorf Wallhof, und die schwedischen Truppen überquerten Anfang Januar 1626 die Düna.
Die schwedischen Truppen starteten einen Blitzangriff auf das Lager der polnischen Armee. Eine polnische Patrouille entdeckte die Schweden, was bedeutete, daß die polnischen Truppen Zeit hatten, sich zum Kampf aufzustellen und am Morgen, als die Schweden eintrafen, das Dorf in Brand zu setzen. Ein schwedischer Kavallerieangriff eröffnete die Schlacht vom rechten Flügel. Die Polen wehrten sich, aber die schwedischen Musketiere unterstützten die Kavallerie intensiv und zwangen die Polen zur Flucht, verfolgt von der finnischen Kavallerie. Die Polen waren überrascht von der perfekt praktizierten Kombination von Feuer und Bewegung, die die neue Taktik von Gustav II. Adolf ausmachte und die in dieser Schlacht zum ersten Mal erprobt wurde.
Infolge der Schlacht änderte sich die Natur des Konflikts vollständig und die schwedische Beteiligung am Dreißigjährigen Krieg, der auf dem Kontinent andauerte, wurde verstärkt. Die polnischen Truppen verließen das Schlachtfeld und der schwedische König gewann durch den Erfolg seines Plans an Mut. Schweden erlangte die Kontrolle über das gesamte Gebiet im Baltikum nördlich der Düna und hatte eine Entschädigung für die Niederlage bei Kirkholm im Jahr 1605 erhalten. Der Krieg dauerte bis zum Abschluß eines Waffenstillstands in der Altmark im Jahr 1629, wodurch große Gebiete, die zuvor von Polen kontrolliert wurden, unter Schweden fielen. Als der König nach der Schlacht das Baltikum verließ, wurde Jakob De la Gardie zum Heerführer ernannt, mußte die militärische Führung jedoch Gustav Horn überlassen und wurde stattdessen 1628 Statthalter von Riga. Der Grund war, daß er als Feldherr als zu langsam galt.

So weit die groben Züge der militärischen Geschicke in der Geschichte Livlands in jenen Jahren.

Übel provoziert - Der Herzog Wilhelm von Kurland (1615)

Der Eroberung Livlands durch die Schweden waren aber auch Vorgänge im benachbarten Herzogtum Kurland voraus gegangen, mit denen der Jesuitenorden hoffte, die protestantischen Herzöge aus dem Land vertreiben zu können und damit die Rekatholisierung vorantreiben zu können. Diese Vorgänge sind heute gänzlich vergessen. Aber nicht nur war wiederum ein direkter Vorfahre des Verfassers dieser Zeilen in diese Vorgänge verwickelt. Viel mehr gewähren sie auch ein Licht auf die schon damals angewandten Methoden der Jesuiten, die in jenen Zeiten allerdings noch nicht so rundum zum Erfolg führen sollten wie später. Wiederum war in diese unser genannter jesuitischer Geheimagent führend verwickelt und kompromittierte sich in Livland und Kurland so sehr, daß er sich dort sein Leben lang nicht mehr blicken lassen konnte.

1633, nur zwanzig Jahre nach den Ereignissen schrieb der damalige, aus Mecklenburg stammende Professor für Geschichte an der von den Schweden gegründeten Universität Dorpat, Friedrich Menius, in einer Darstellung, die er unter anderem seinem Freund und Gönner Wilhelm de la Barre gewidmet hatte, über inneren Vorgänge der Vorgeschichte dieser Eroberung Livlands durch die Schweden in vielleicht recht kurzer und treffender Weise für die Jahre ab 1613 (Menius 1633, S. 52):

Um diese Zeit (wie auch folgend 1614 und 15) begab sich zwischem dem Fürsten im Kurland und dero untersessenem Adel ein großer Zwiespalt; welchem es wohl gefiel, daß in Preußen aus denen vom Adel etliche Regiments-Räte von dem König von Polen gesetzt waren, welche mehrenteils das Gouverno - der Herzog aber nur allein den Namen führte. Daß sie aber solches desto leichter von dem König erlangen möchten, klagten sie über ihre Fürsten allerlei Excessus: Es gaben sich deren auch etliche an dem königlichen Hof in Diensten. Die Fürsten, voraus der jüngere Bruder, Herzog Wilhelm, zohe sich solches zum hohen Schimpf, resistierte (widerstand) dem Wesen so viel ihm möglich; dagegen trieben die vom Adel ihre Sache je länger je heftiger, kamen auch so weit, daß sie die Fürsten nicht mehr für ihre Herren, sondern Nachbarn titulierten; immaßen dann ich in Wahrheit bezeugen kann, daß ich Copiam Libelli, des Adels an den König bei Handen habe mit diesem Ingress: praemissis preamittandis: Was unser Nachbar Wilhelm Ketler, der sich einen Herzogen zu Kurland nennet, sich je immer mehr und mehr wieder uns unterfängt, können wir E. K.M. klagende vorzubringe hiermit keinen Umgang haben etc.. Ja, sie kamen so weit, daß sie auch die hohen Ämter zum Teil unter die Prinzipal-Geschlechter schon austeilten. Unter anderen der Vornehmsten, so solches trieben, waren auch zwei Brüder von den Nolden, gelehrt und reichen Vermögens: Dies (wie sie beim König in Diensten und in der Sache wegen Köllers Acker zwischen der Stadt Riga und den Jesuiten zu Commissarien abgeschickt waren) verließen sich darauf, sie wären nun wohl eines Wortes mächtig, ließen sich also zu Mitau in transcursu vieler beschwerlicher Wort vernehmen: Der Fürst Wilhelm, der eben allda verhanden, nachdem ihm solches referiert worden, nahm es hoch zu Herzen (...), daß sie in der furia alle beide erschlagen wurden.

Mit diesem Mord an den Nolde-Brüdern hat sich der Herzog Wilhelm von Kurland so kompromittiert, daß er schließlich in Gefahr stand, vom König von Polen als Mörder verurteilt zu werden und deshalb für den Rest seines Lebens außer Landes gehen mußte. Das war alles nur im Sinne der Jesuiten und man spürt hindurch, daß sie an der ganzen genannten Widersätzlichkeit des Adels gegen den Herzog viel Anteil hatten, insbesondere scheint uns die beleidigende Anrede als "Nachbar" ein Hinweis darauf zu sein, daß sie hier die Hand im Spiel hatten. Menius schreibt weiter über den landesflüchtigen Herzog Wilhelm (Menius 1633, S. 52):

Unterdessen hat er einen Statthalter hinter sich gelassen, einen Vornehmen von Adel mit Namen Waldemar Farensbach, eines wunderlichen Ingenii, doch sonsten vieler Sprache kundigen und nicht unerfahrenen Mann; dieser führte ein so wunderbares Regiment, daß man schier selbst nicht recht sagen könnte, ob es wahrhaftig also geschehe oder ob es einem nur träumete. Keiner wußte recht, wes Herrn Diener er war, er beraubte alle, schonte keine, doch mit einer lächerlichen Umwechslung. Wessen Freund er heute gewesen war, dessen Feind war er morgen, bald war er Polnisch, bald Schwedisch, bald alles, bald gar nichts: der gemeine Mann nannte ihn den Curischen Busiemann (im Sinne von Schreckgespenst).Folgenden 1617. Jahr übergab er den Schweden die Festung Dünamünde. Es ordnete auch der König von Polen eine Commission ab nach Kurland mit aller Plenipotentz in der Sache zu handeln; deren vornehmster war N. Kozciebuzki, Kulmischer Bischof, ein tyrannischer Mann und Erzfeind der evangelischen Religion.

In der Geschichtswissenschaft wird angenommen, daß sich Menius bei diesen Ausführungen sehr stark auf den Zeitzeugen Wilhelm de la Barre stützte, dem er diese Schrift als Freund und Gönner gewidmet hatte, und der damals als enger Mitarbeiter des genannten Fahrensbach tätig gewesen ist. Dieser Umstand veranlaßte uns, daß wir uns nach und nach immer intensiver mit diesem offensichtlichen jesuitischen Geheimagenten beschäftigten, der damals in Kurland nur sein "Gesellenstück" ablieferte. Es folgten noch viele, viele andere abgefeimte Bösartigkeiten in seinem Leben wie wir in weiteren Beiträgen sehen werden. 

Es könnte sicherlich noch aufschlußreich sein, über Google-Bücher-Suche zu "Magnus Nolde" (GB) den hier vorliegenden Zusammenhängen weiter nachzugehen. Hier zunächst nur noch einige äußere Umstände: Wilhelm Kettler, Herzog von Kurland (1574-1640) (Wiki, lit), der Sohn des oben genannten Gotthard Kettler, trat sein Herzogsamt im Jahr 1596 an. Er war als solcher dem König von Polen untertan. Nach der Teilung seines Herzogtums mit seinem Bruder regierte er den westlichen Teil von Kurland, seine Residenz lag in Goldingen (Wiki) (dem heutigen Kuldīga im heutigen westlichen Teil Lettlands), somit nicht weit von den Besitzungen des Georg Wolmar von Fahrensbach in Neuenburg entfernt. Eine streitbare Minderheit des Adels seines Landes forderte mehr Rechte vom Herzog als dieser ihr zugestehen wollte. Kurland sollte nach dem Vorbild der Adelsrepublik Polen umgestaltet werden. In zeitgenössischen Berichten wird immer wieder betont, daß diese Adelsopposition nur dazu gedient hätte, das lutherische Herzogtum päpstlichen Machenschaften im Umfeld des polnischen Königs auszuliefern.

Abb. 2: "Beide Gebr. der Nolden haben vors Vaterlandt Curlandt ihr Leben freiwillig sich nehmen lassen" - Ermordet im Auftrag des heftig erregten, weil beleidigten Herzogs Wilhelm von Kurland in Mitau am 20. August 1615 - Der Herzog wurde um dieses Mordes willen aus seinem Land vertrieben (Bildarchiv des Herder-Instituts Marburg) (BK, bzw. Dig)

Zu den Zusammenhängen rund um den Mord an Magnus Nolde findet sich eine gute Darstellung (Seraphim 1896, S. 489). Die Familie der Ermordeten und die Kurländische Ritterschaft wandten sich wegen des Mordes an den Nolde-Brüdern an den polnischen König (Seraphim, S. 490):

Die Folge war, daß schon am 13. November eine Kommission eingesetzt wurde, an deren Spitze Otto Schenking, derselbe, der als Renegat und katholischer Bischof von Wenden in der Geschichte Livlands eine verhängisvolle Rolle gespielt hat, gestellt wurde. 

Die Gründung des Bistums Wenden hatte ausdrücklich die Rekatholisierung Livlands zum Ziel (Wiki). Alles Hinweise genug, daß dieser Zwist zwischen dem Herzog von Kurland mit einer Minderheit seines Adels bewußt provoziert worden war und dazu genutzt werden sollte, um Kurland zu reaktholisieren. Im Frühjahr entschieden der polnische König und der Senat über die Angelegenheit der beiden Herzöge (Seraphim, S. 494):

... Eine weitere Behauptung des Senats brachte Licht darüber, in welchem Sinne Polen seine Einmischung in die kurländische Fraeg zu benutzen gedenke. Plötzlich hieß es nämlich, der Angelpukt (Cardo) in der ganzen Angelegenheit sei die Unterdrückung der katholischen Religion und die Verhinderung ihrer freien Ausübung. Der Sinn dieses Satzes konnte kaum zweifelhaft sein, Duldung der katholischen Kirche hieß in diesem Falle kaum weniger als Vorberitung zu ihrer Alleinherrschaft und so mußte die Befürchtung entstehen, daß auch Kurland in die Kreise der Gegenreformation hineingezogen werden würde; das mochte doch auch manchem im Lande die Augen darüber öffnen, wohin die Hereinziehung Polens in die Verhältnisse des Herzogtums schließlich führen mußte.

Der Bruder Wilhelms, Herzog Friedrich, wurde schließlich "aus reiner Gnade" des Königs in seiner Stellung belassen (Seraphim, S. 494):

Vielleicht weil seine Kränklichkeit und Kinderlosigkeit einen gar zu langen Fortbestand der Dynastie nicht wahrscheinlich machten. (...) In diese Zeiten banger Spannung fallen die ersten Anknüpfungen der kurländischen Herzöge mit König Gustav Adolf von Schweden.

Auffallenderweise ergriff der ansonsten friedfertig wirkende Herzog Wilhelm ein drastisches Mittel (Wiki):

In Neuenburg wurden die Brüder Nolde von der adeligen Opposition auf Wilhelms Befehl getötet. Als Ergebnis dieses Konflikts mußte er im Auftrag des polnischen Königs im Jahr 1616 das Land verlassen, wo (sein Bruder) Friedrich Alleinherrscher wurde. 

Wilhelm von Kurland hatte einen Sohn, der später auch seine Nachfolge antreten sollte. Über ihn wird berichtet (Wiki):

1615 wurde sein Vater nach einem mißglückten Staatsstreich gegen den regierenden Adel aus Kurland vertrieben und des Herzogtitels für verlustig erklärt. Er nahm Jakob mit sich ins Exil und ließ den Knaben bis 1621 am Berliner Hof erziehen.

Und über Wilhelms Bruder Friedrich von Kurland erfahren wir (Wiki):

Nach der Ermordung der Brüder Nolde, der beiden Wortführer der Ritterschaftsopposition, 1615 wurden beide Herzöge 1616 von der Oberlehnsherrschaft abgesetzt. Der schuldlose Friedrich erhielt sodann zunächst Semgallen und nach der Formula Regiminis von 1617 im Jahre 1618 auch Kurland zurück. Durch das neue Verfassungsgesetz von 1617 war das Herzogtum Kurland zu einer Adelsrepublik nach polnischem Vorbild geworden. Der Herzog war seitdem bei wichtigen Entscheidungen an die Zustimmung der Ritterschaft gebunden. Seine Leistungen bis zu seinem Tode erstreckten sich darauf, sich gegenüber der Ritterschaft zu behaupten, die Nachfolge seines seit 1616 von der Sukzession ausgeschlossen gewesenen Neffen Jakob durchzusetzen und seinem militärisch schwachen Land im Schwedisch-Polnischen Krieg die Neutralität zu bewahren.

Höchstwahrscheinlich konnte er sich Herzog Friedrich nur deshalb in Kurland so gut behaupten, weil inzwischen die militärischen Erfolge Gustav Adolfs II. von Schweden den protestantischen Fürsten im nördlichen Europa überhaupt eine ganz andere Stellung und Geltung verschafften und die Machenschaften des Jesuitenordens bis auf weiteres keineswegs mehr so erfolgsverheißend weiter betrieben konnten. Auch das üble Jesuitenkollegium Braunsberg im Ermland in Preußen hatte Gustav Adolf ja aufgehoben. Wilhelm von Kurland jedoch starb in Pommern in der Verbannung. Erst seine sterblichen Überreste wurden nach seinem Tod wieder zurück in seine Residenz Goldingen überführt.

Es soll hier am Ende noch auf einen anderen interessanten Umstand hingewiesen werden, der für das Verständnis des Fortgangs des Lebenslaufs des genannten livländischen, jesuitischen Geheimagenten Georg Wolmar von Fahrensbach von Bedeutung ist: Die einzige Schwester des polnischen Königs war Anna von Schweden, bzw. Anna Wasa (1568-1625) (Wiki) (Abb. 9). 

Anna von Schweden - Beständig im evangelischen Glauben

Sie hat sich seit ihrer Jugend und im Widerstand gegen ihre eigene Mutter und ihre ganze Umgebung zum Protestantismus bekannt. Inmitten all der Jesuiten am Königshof von Warschau und nachdem sie von ihrer Mutter so treu katholisch erzogen worden war! Heute liegt sie in Thorn an der Weichsel begraben, weil man ihr als "Ketzerin" kein Grab in der Königslege der Königsfamilie in Warschau einräumen wollte (Wiki):

Anna wurde ständig beleidigt, verleumdet und zänkisch aufgefordert, endlich zum Katholizismus zurückzukehren. Sie war jedoch in ihrem Glauben beständig und blieb lutherisch.

Schließlich wurde es ihrem Bruder zu viel und er wies ihr 1606 - im Zusammenhang mit der erfolgreichen Niederschlagung des bedeutenden protestantischen Adelsaufstand gegen ihn (Prbl2022) - die Starostei Strasburg in Westpreußen zu und später auch noch Gollub (Wiki). In Strasburg ist ihr Palast noch heute Sehenswürdigkeit (Wiki):

Anna-Wasa-Palast, errichtet 1564, 1606 bis 1625 Wohnsitz der schwedischen Prinzessin Anna Wasa (1568-1625), der Schwester des polnischen Königs Sigismund III. Wasa, 1678 bis 1698 rekonstruiert, 1945 ausgebrannt, nach Rekonstruktion von 1960 bis 1970 dient das Gebäude heute als Bibliothek

Und (Wiki):

Anna bewährte durch geschickte Verwaltung als gütige Herrin. (...) Beide Kreise hatten ihren Sitz in alten Schlössern des ehemaligen Deutschen Ritterordens, die in den nächsten Jahren von Anna erneuert und ausgebaut wurden, was noch heute, besonders in Gollub, teilweise zu sehen ist. Besonders wichtig war das (...) Schloß in Gollub als Grenzschutz. (...) Da in Preußen die Bevölkerung hauptsächlich protestantisch war, hatte Anna, die sich um evangelische Gemeinden kümmerte, bald Beifall und Ansehen bei den Protestanten gefunden.

Bei ihr nun war die Schwester des livländischen, jesuitischen Geheimagenten Georg Wolmar von Fahrensbach seit ihrem siebten Lebensjahr aufgewachsen, nämlich Magdalena von Fahrensbach. Und über ihre Verbindungen ins protestantische Lager nach Berlin, Den Haag und London sollte ihr Bruder von seiner türkischen Gefangenschaft in Konstantinopel (1620 bis 1621) unglaublich leicht und geschmeidig ins protestantische Lager überwechseln und Unterhändler des protestantischen Lagers bei dem ungarischen König Bethlen Gabor, bei der Anti-Habsburg-Macht Venedig werden und in vielen ähnlichen Zusammenhängen bis 1630, insbesondere sollten diese beiden Geschwister auch die Heirat Bethlen Gabors mit einer Schwester des Kurfürsten von Brandenburg anregen und anbahnen, wodurch Bethlen Gabor zugleich Schwager des schwedischen Königs Gustav Adolf wurde.

Während dieser Fahrensbach also in solchen Zusammenhängen unterwegs war, konnte er nur wenig später in Kriegsdiensten als Regimentsführer unter Walleinstein 1627 bis 1629 stehen, bei denen er dem brandenburgischen Kurfürstenpaar in Berlin, das 1621 mitgeholfen hatte, ihn aus der Gefangenschaft in Konstantinopel zu befreien, das seine Schwester als Hofdame der entthronten Königin von Böhmen, Elisabeth Stuart als Gast aufgenommen hatte, und dem beide als Heiratsvermittler dienlich gewesen waren, außerordentlich übel mitspielen sollte. 

Wallenstein schimpfte in Briefen, daß er ihn um solches schändlichen Verhaltens willen einen Kopf kürzer machen wollte, unterließ es dann aber wieder, weil er sich offenbar weitere Dienstleistungen durch Fahrensbach - so oder so - erhoffte. Zwei Jahre später ist Fahrensbach dann dennoch von seinem "Kameraden", dem General Altringer, die beide als Regimentskommandeure unter Wallenstein gedient hatten und viel miteinander erlebt hatten, hingerichtet worden. Völlig verrückte Zusammenhängen und völlig verrückte Lebensgeschichten. Mehr davon in Folgebeiträgen.

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  1. Friderici Menii: Historischer Prodromus des Lieffländischen Rechtens und Regiments Von Anfange der Provintz Erfindunge/ biß auff Ihr Königl. Majest. von Schweden Gustavi Magni Todt: Aus Wahrhafften und Glaubwürdigen Actis und Actitatis verfertiget und zusammen gebracht. Becker, Dörpt in Lieffland 1633 (Dig. Bibl), https://dspace.ut.ee/handle/10062/10508 
  2. Hupel, August Wilhelm: Nordische Miscellaneen. Materialien zu einer liefländischen Adelsgeschichte. 1788 (GB)
  3. von Hagemeister, Heinrich: Materialien zu einer Geschichte der Landgüter Livlands. Band 11, 1836 (GB)
  4. Freiherr Julius von Bohlen zu Bohlendorf (Rügen): Fragmente zur Geschichte des Herzogs Wilhelm von Kurland. In: Mitteilungen aus dem Gebiete der Geschichte Liv-, Est- und Kurlands, Band 8, Riga 1857 (GB), S. 195-239
  5. Wittich, Karl, "Gustav II. Adolf" in: Allgemeine Deutsche Biographie 10, 1879, S. 189-212 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118543733.html
  6. Stryk, L. von: Beiträge zur Geschichte der Rittergüter Livlands. Band 2, 1885 (GB)
  7. Seraphim, Ernst: Der Kurländer Wolmar Farensbach. Ein Parteigänger und Verräter des 17. Jahrhunderts. Nach archivalischen Quellen. In: Seraphim, Ernst und August: Aus der Kurländischen Vergangenheit. Bilder und Gestalten des siebzehnten Jahrhunderts. Stuttgart 1893 (GB)
  8. Seraphim, Ernst: Geschichte Liv-, Est- und Kurlands. Von der "Aufsegelung" des Landes bis zur Einverleibung in das russische Reich. Eine populäre Darstellung. Verlag von Franz Kluge, Reval 1896 (GB)
  9. Bienemann jun., Dr. Fr.: Zur Geschichte der Kritik der hist.-polit. Schrift "Von der Eroberung der Stadt Riga 1621". In: Mitteilungen aus dem Gebiete der Geschichte Liv-, Est- und Kurlands, Band 16, Riga 1896 (GB), S. 262-320
  10. Heyde, Jürgen: Zwischen Kooperation und Konfrontation: Die Adelspolitik Polen-Litauens und Schwedens in der Provinz Livland 1561-1650. 1998 (pdf)
  11. Koniarek, Dr. Klaus: Sigismund III. Wasa. Wer war wer im Dreißigjährigen Krieg [o. D., 1998, 2008/2009], http://www.koni.onlinehome.de/ausfuehrliche-biographien/sigi-frames.htm [15.11.2022] 
  12. Paradowski, Michał Kadrinazi: Rajtaria litewska pod komendą hetmana Krzysztofa Radziwiłła 1617-1622 (Kurländische Reiterei unter dem Befehl des Hetmans Christoph Radziwiłł), 2010, http://phw.org.pl/rajtaria-litewska-pod-komend-hetmana-krzysztofa-radziwia-1617-1622/
  13. Donecker, Stefan: Arbeiten und Projekte des Dorpater Professors Friedrich Menius in den 1630er Jahren. In: Forschungen zur baltischen Geschichte, 6/2011 (pdf), S. 31-60
  14. Wolke, Lars Ericson: Gustavus Adolphus, Sweden and the Thirty Years War, 1630–1632. 2022 (GB
  15. Die Geschichte von Windau, https://www.onlatvia.com/history-of-ventspils-598

Riga und Livland im schweren Abwehrkampf gegen die Jesuiten

"Minen hört man und Geschütz / täglich dumpf erdröhnen" - Im Kampf für die evangelische Freiheit
- Einige Einblicke in das Leben der Deutschen des baltischen Adels und der Bürgerschaft des 17. Jahrhunderts in Livland und Kurland

Teil 1: Die Jesuiten richten ihre Blicke von Warschau aus drohend nach Norden - Der größere geschichtliche Rahmen (1600 bis 1633)

Die baltischen Länder (Wiki) Litauen, Lettland und Estland wurden bis 1918 Litauen, Kurland und Livland genannt. Ihre Geschichte war immer eng verbunden mit der Geschichte der anderen Ostseeländer, mit der preußischen Geschichte und mit der Geschichte Pommerns. Von vielen Küstenstädten Norddeutschlands und der Niederlande aus waren Deutsche ab der Zeit um 1200 nach Riga und nach Livland gekommen, um das Land für den christlichen Glauben zu missionieren und um sich dort anzusiedeln.

Abb. 1: Das wehrhafte, stolze Riga - Teile der Stadtbefestigung aus dem Mittelalter, die sich bis heute erhalten haben (Wiki) - Fotograf: John Samuel

Jahrhunderte lang haben sie sich dann dort wehrhaft und selbstbewußt behauptet (Abb. 1 bis 3). Die Landessprache war in Kurland und Livland bis 1918 Deutsch.

Aber schon im Angesicht der Russifizierung der baltischen Provinzen vor 1918 war die Bindung der im Baltikum lebenden Deutschen an ihr Mutterland jenseits der Memel stärker geworden. Und zwischen den Jahren 1918 und 1945 sollten sie auch als Gesamtheit in jene Länder zurück kehren, aus denen ihre Vorfahren einst so tatendurstig gen Osten ausgezogen waren. Es endete damit eine über 800-jährige Geschichte der Deutschen in den baltischen Ländern. Im folgenden soll zu dem Leben einiger Vorfahren des Verfassers dieser Zeilen, die der baltischen, deutschen Bürgerschaft und dem deutschen Adel des 17. Jahrhunderts angehörten, einiges zusammen getragen werden. Auf wahrlich wunderliche Gestalten kann man dabei stoßen, insbesondere auf tapfere, standfeste deutsche Glaubenstreiter, Reiteroffiziere und Staatsbeamte unter den Königen von Polen, von Schweden und dem Zaren von Rußland.

Das Leben dieser Vorfahren kann man aber gar nicht verstehen, wenn man sich nicht zuvor wenigstens eine grobe Orientierung verschafft hat von dem geschichtlichen Rahmen, in dem sich diese Lebensverläufe einordnen. Wir beginnen mit diesem Beitrag eine vielteilige Blogartikelserie. Und schicken im ersten Beitrag einen allgemeinen Teil voraus.

Unter der Herrschaft der Deutschen - Kurland und Livland

Die Geschichte von Kurland und Livland (Lettland und Estland) hat vieles gemeinsam mit der Geschichte des Herzogtums Krain (Slowenien) im Süden Österreichs (Wiki, a). In beiden Regionen führte die deutsche Ostsiedlung dazu, daß der Adel und das Bürgertum bis 1918, bzw. bis 1941 aus Deutschen bestand. Da die deutsche bäuerliche Ostsiedlung aber in der Breite nicht mehr bis in diese Länder vordrang, behielt die ländliche Bevölkerung in beiden Regionen ihre einheimische Sprache und Kultur bis heute bei. Deshalb also gibt es sie noch: die Slowenen, die Esten, die Letten und die Litauer.

Andere Völker und Volksstämme haben sich hingegen bis ins 20. Jahrhundert noch als "schwebendes Volkstum" erhalten. Das heißt, sie fühlten sich als Deutsche, in ihrer Kultur und Muttersprache klang aber das alte Stammesleben aus vorchristlicher Zeit noch nach: die Masuren, die Kaschuben, die Leba-Kaschuben, die Oberschlesier, die Sorben. Zum dritten sind in jener Zeit ganze Völker und Volksstämme mit ihrer Sprache und Kultur ganz untergegangen und blieben nur in Familien- und Ortsnamen erhalten: Die Pruzzen, die Samländer, die Pommern und viele andere slawische Völkerschaften zwischen Elbe und Oder.

Ab 1202 ist das heutige Lettland (Wiki) von dem deutschen Schwertbrüderorden erobert worden. Mit ihm strömten viele Deutsche ins Land. Es wurden Städte gegründet, Ordensburgen errichtet, die Adelsgüter wurden an deutsche Ritter ausgegeben. Dieser Schwertbrüderorden ist dann später im Deutschen Ritterorden aufgegangen, in dem die baltischen Provinzen desselben aber immer auch ein gewisses Eigenleben führten.

Im Spätmittelalter war der Ordensstaat um vielerlei Verfallserscheinungen willen von den damals sehr modernen, aufstrebenden, reichen deutschen Hansestädten an der Weichsel in Preußen und an der Düna in Livland als überaltert empfunden worden. Mit der Reformation wurden auch Kurland und Livland evangelisch. Kurland wurde in ein weltliches Herzogtum umgewandelt, Teile Livlands gerieten früh unter die Oberherrschaft ausländischer Landesherren, der Könige von Dänemark, von Schweden, von Polen und des Zaren von Rußland. 

Abb. 2: Das wehrhafte, stolze Riga - Ein Teil der Stadtmauer von Riga mit Laufgängen und Wehrturm (Wiki) - Fotograf: karel291

Rußland, Schweden und Polen richteten alle Zeit begehrliche Blicke auf die baltischen Ostseeprovinzen. Mit dem Niedergang und schließlich Zusammenbruch des Ordensstaates war dort ein Machtvakuum entstanden. Unter einer weisen Regierung konnte in diesem Bereich noch für einige Jahrzehnte ein friedlichen Gedeihen gesichert werden. Dann drängten stärkere politische Mächte von allen Seiten in diesen Raum, unter anderem angefeuert von dem Willen zur Rekatholisierung, bzw. von dem Willen, diese Rekatholisierung zu verhindern.

Ein Segen für Livland - Wolter von Plettenberg

Das gesamte Herrschaftsgebiet des deutschen Ritterordens war während des Hochmittelalters mit Ordensburgen übersäät, die nachmals nach und nach in "normale" Adelsgüter umgewandelt wurden. Viele dieser Ordensburgen, vor allem die größeren sind erhalten geblieben. Sie sind noch heute die jeweils bedeutendsten Sehenswürdigkeiten vor Ort (etwa in West- und Ostpreußen, ebenso in Polen, in Lettland und in Estland). Die hervorragendste dieser Burgen ist natürlich die Marienburg an der Nogat in Westpreußen. Andere Burgen sind im Laufe der Jahrhunderte verfallen oder zerstört worden. Mitunter werden sie heute wieder von den Archäologen ausgegraben und erforscht.

Ein Vorfahre des Verfassers dieser Zeilen, Rittmeister Wilhelm de la Barre (1580-1650), verteidigte 1618 die Atzenburg im Süden Livlands, eine Burg des Herzogs von Kurland, gegen eine Belagerung durch ein Bündnis von Rigaer Bürgerschaft und kurländischer Ritterschaft. Von dieser damaligen Ordensburg scheinen sich heute in der lettischen Ortschaft Ace keine Überreste mehr erhalten zu haben. Derselbe Vorfahre hat dann Riga 1621 gegen den Schwedenkönig verteidigt und erwarb dann 1625 die Ordensburg Ermes im heutigen nördlichen Lettland. Von dieser sind heute noch Ruinen zu besichtigen. Zu all dem mehr in einem folgenden Beitrag.

Für den baltischen Teil des Deutschen Ritterordens war der Hauptsitz die ehemalige Ordensburg von Riga (Wiki, lett). Und diese ursprüngliche Ordensburg ist noch heute nichts weniger als der Sitz des Staatspräsidenten von Riga.

Abb. 3: Die einstige Ordensburg Riga von der Düna her gesehen (20. Jahrhundert) - Sie lag ursprünglich vor den Toren der Stadt

Wegen ihrer Bedeutung für die Livländische Geschichte hier einige Abbildungen derselben (Abb. 3, 5, 6) und ein paar Worte zu ihrer Geschichte.

Als Regierungssitz des Deutschen Ritterordens ist sie vor den Toren der Stadt Riga am Ufer der Düna errichtet worden (Abb. 3). Später war sie Residenz der polnischen und schwedischen Regionalregierungen, noch später des russischen Generalgouverneurs der baltischen Provinzen.

Im Mittelalter ist sie mehrmals zerstört und wieder aufgebaut worden. Zunächst war eine Ordensburg innerhalb der Mauern der Stadt errichtet worden. Diese hatten die Riga'er Bürger zerstört. Ein neuer Bau mußte deshalb vor den Toren der Stadt errichtet werden. Auch dieser ist noch einmal zerstört worden. Die Bauzeit des heute noch bestehenden Baus geht auf die Jahre zwischen 1491 und 1515 zurück, reichte also noch bis in die Anfangsjahre der Reformation hinein.

Der Bau ist errichtet worden unter der segensreichen Herrschaft des Landmeisters des Livländischen Ordens Wolter von Plettenberg (1450-1535) (Wiki). Noch heute genießt er ein ehrendes Andenken in der livländischen Geschichte (Abb. 4, 5).

Abb. 4: Wolter von Plettenberg - Skulptur etwa aus dem Jahr 1515 von Seiten eines unbekannten Künstlers über dem Portal zum Innenhof der Burg Riga. Das einzige erhalten gebliebene zeitgenössische Porträt Plettenbergs

Gleich nach seinem Tod ist über dem inneren Haupteingang der Burg neben einer Skulptur der Heiligen Maria die seinige angebracht worden (Abb. 4, 5). Diese Skulptur ist das einzige zeitgenössische Porträt dieses Landmeisters. Im Museum in Riga ist das Orignal der Skulptur erhalten. Plettenberg ist zwar selbst nicht zum evangelischen Glauben übergetreten. Deshalb noch die Marienfigur an seiner Seite. Er hat aber den evangelischen Glauben in seinem Land geduldet. Er wollte dem Land einen Bürgerkrieg ersparen. Das von ihm erhaltene Porträt ließe sich würdig neben so bedeutende zeitgenössische Porträts stellen wie etwa die durch den Würzburger Bildhauer Tilman Riemenschneider geschaffenen (Wiki):

Wolter von Plettenbergs Wirken verdankte Livland eine fast sechzigjährige Friedenszeit, die zu einer günstigen ökonomischen und demographischen Entwicklung auf dem Gebiet der heutigen Staaten Estland und Lettland führte. Erst 1558, 23 Jahre nach Plettenbergs Tod, eröffnete Iwan IV. von Moskau den Livländischen Krieg, der 1561 zum Untergang Altlivlands führen sollte.

Mit großem Recht wurde diese Skulptur also im Jahr 2016 über dem prächtig restauriert Eingangsportal der inneren Burg in Form einer Nachbildung erneuert (Yt2016, b). (Weitere Abbildungen sind zu finden über Bildersuche "Madonnas un Pletenberga skulptūras".)

Alle Souveräne des Landes Livland bis heute - darunter über die Jahrhunderte hinweg auch mancher Vorfahre des Verfassers dieser Zeilen - mögen unter dieser Skulptur hindurch geschritten sein, wenn sie die innere Burg betraten. Sie dürfte allezeit eine mahnende Erinnerung an einen segensreichen Landmeister gewesen sein.

Abb. 5: Plettenberg-Skulptur (Kopie) über dem renovierten Portal der Burg Riga (seit 2016) - zusammen mit einer Marienfigur (ebenfalls Kopie)

1562 hat Gotthard Kettler, der letzte Meister des Livländischen Ordens in den Räumlichkeiten der Ordensburg Riga die Insignien des Ordens an den Vertreter des polnischen Königs, Nikolai Radziwiłł (1515-1565) (Wiki) übergeben. Damit endete die Geschichte des Livländischen Ordens. Am 12. März 1581 traf König Stefan Bathory auf der Rigaer Burg ein und legte den Treueeid auf die Freie Stadt Riga ab. 

Nnur ganz wenige Stationen aus der reichen und wechselhaften Geschichte dieser Burg und der dazu gehörtigen Stadt und des Landes sollen damit genannt sein.

So wie sich die aufstrebenden, reichen deutschen Handelsstädte des Weichselraumes schon früh um Hilfe an den polnischen König gewandt hatten, um die ihnen drückend und unzeitgemäß erscheinende Ordensherrschaft abzuwerfen, so hatten sich schließlich auch wenigstens Teile der Landstände in Kurland und Livland an den polnischen König gewandt, um eine möglichst weitgehende politische Selbstständigkeit gegenüber dem Zaren von Rußland wie gegenüber dem König von Schweden bewahren zu können.

Abb. 6: Der Innenhof der einstigen Ordensburg zu Riga, links Plettenberg-Portal (etwa 2015/16)

Viel Ruhm hatte sich damals an die Fahnen des Königsreiches Polen-Litauen geheftet. 1558 bis 1583 wurde um den Besitz Livlands der Livländische Krieg (Wiki) geführt. 

Indem wir nun die Aufmerksamkeit auf die Tatsache richten, daß der schon genannte polnische König Stephan Bathory Jesuitenschüler war (Honselmann1963) und auch einen Jesuiten als Beichtvater hatte (Helk1963), nämlich den Jesuiten Peter (Piotr) Skarga (1536-1612) (Wiki, engl, pol), stoßen wir nun gleich in das Zentrum derjenigen Kräfte vor, von denen die größte "Unruhe" in jenen Zeiten in Europa ausging: die Jesuiten.  

Im Kampf um die Ausrottung der Ketzer - Der Jesuit Peter Skarga

Dieser Piotr Skarga wurde ab 1587 auch der Hofprediger und politische Berater des nachfolgenden polnischen Königs Sigismund III. Wasa (Wiki):

Der polnische Adel schrieb ihm großen Einfluß auf König Sigismund zu.

Auf dem polnischen Wikipedia lesen wir über Skarga (Wiki):

Er trat als der Gründer vieler Jesuitenkollegien auf, zum Beispiel in Połock (er war hier der erste Rektor, 1582-1586), in Riga, in Dorpat und in Lublin. Er war der erste Rektor der Wilnaer Akademie (1579-1584). Ab 1588 diente er 24 Jahre lang als Hofprediger von Sigismund III. Wasa, der ihn wegen seiner außergewöhnlichen Persönlichkeit und seiner Redegewandtheit schätzte. (...) Skarga predigte die Enthaltsamkeit und Askese, wies auf die Bedeutung des Zölibats und der Pilgerfahrten hin. (...) Er wies auf die Notwendigkeit hin, die Ketzerei auszurotten, um einen starken Staat zu erneuern.

Angesichts solcher Aussagen ist natürlich der zweite Halbsatz der dann folgenden Ausführungen auf dem polnischen Wikipedia nur Augenwischerei, was aus allem, was im folgenden zu berichten ist, auch mehr als deutlich werden wird (Wiki):

Obwohl er gegen einen versöhnlichen interreligiösen Dialog und religiöse Toleranz auf der Grundlage politischer Kriterien war, lehnte er es ab, irgendjemanden gewaltsam zu konvertieren, da dies zu einem Bürgerkrieg führen könne.
Er lehnte also die gewaltsame Bekehrung, die anderwärts in Europa sehr fröhlich und unter Jubelrufen der Jesuiten und des Papstes betrieben wurde, keineswegs grundsätzlich ab. Er lehnte sie nur aus vorgeschobenen taktischen Gründen ab. Wobei der hier infrage stehende "Bürgerkrieg" ja schon damals geführt wurde und dann wenige Jahre später sich über dreißig Jahre hinweg fortsetzen sollte. Die Stadt Riga und die Protestanten des Baltikums und Schwedens werden keinerlei Grund gesehen haben, solche Augenwischerei als einen Schutzwall für sich zu verstehen. Nein, vielmehr hatten sie Grund, dasselbe zu singen was die Niederländer in den Jahren 1592 und 1622 - und noch viele Jahrhunderte später - gesungen haben (Lied.):

Sieh, wie mit Stärk’ er ans Werk sich gestellt, 
er, der allzeit unsre Freiheit hat getreten! 
Wie er sich plagt, grabt und trabt rings im Feld! 
’s gilt unserm Gut, unsrem Blut und unsern Städten. 
Hör die span’schen Trommeln schla’n, die Trompeten schallen! 
Sieh nur zu, schon rückt er an: 
Bergen soll jetzt fallen! 
Berg op Zoom, halt dich fromm, wehr den span’schen Scharen, 
Landes Kron’, seinen Strom, hilf getreu bewahren! 
 
Mutiges, blutiges, wutiges Schwert, 
blinkst und erklingst, daß die Funken daraus fliegen!
Bebende, lebende, schwebende Erd’, 
rollende, grollende Donner mit dir spielen!
Minen hört man und Geschütz 
täglich dumpf erdröhnen; 
manchen Spanier trifft der Blitz, muß im Blute stöhnen;
Berg op Zoom hält sich fromm, wehrt den span’schen Scharen; 
Landes Kron’, seinen Strom, hilf getreu bewahren!
 
Der von Oranien kam Spanien an Bord, 
wollt in dem Feld als ein Held Gewalt abwehren; 
aber sieh da, Spinola macht sich fort, 
flugs mit Verlaub aus dem Staub mit all den Herren. 
Cordoba macht schleunig kehrt, sah da nichts zu gewinnen; 
war kein Flachs zu spinnen: 
Berg op Zoom hält sich fromm, wehrt den span’schen Scharen; 
Landes Kron’, seinen Strom, hilf getreu bewahren!

Dieses wuchtige, machtvolle niederländische Freiheitslied zeigt auf, welche Gefühle im Spiel - und notwendigerweise im Spiel - waren und sein mußten, damit die protestantischen Freiheiten Nordeuropas bis heute bewahrt bleiben konnten.


Und womöglich sind sie auch heute noch notwendig, denn was lesen wir (Wiki):

Anläßlich des 400. Todestages Skargas beschloß 2011 der Sejm, das polnische Parlament, mit großer Mehrheit, Skarga als Person des Jahres 2012 zu ehren.

Auf dem polnischen Wikipedia finden wir dazu Angaben zu Zusammenhängen, die man sonst nicht so leicht anderwärts, schon gar nicht im deutschen Sprachraum findet (Wiki):

Am 16. September 2011 erklärte der Sejm der Republik Polen das Jahr 2012 zum Jahr von Pater Piotr Skarga. Diese Initiative stieß auf heftige Kritik. Die Synode der Evangelisch-Augsburgischen Kirche äußerte sich 2011 „besorgt“ über diese Entscheidung und stellte fest: „Diese Entscheidung ist für uns sowohl im Hinblick auf die staatliche Neutralität als auch die von einigen Abgeordneten bekundete Offenheit für ökumenische Initiativen nicht nachvollziehbar.“ Der kalvinistische Publizist Kazimierz Bem schrieb in der "Rzeczpospolita", diese Entscheidung zeige, "wie tief die Republik alle Minderheiten verachtet".

Das ist "Religionskrieg" im Jahr 2011. 2013 bis 2016 ist sogar ein Verfahren zur Seligsprechung von Peter Skarga in Gang gebracht worden. Seit 2016 liegt die Entscheidung beim Papst, der derzeit selbst ein Jesuit ist, und der einen pädokriminellen Papst wie den Herrn Ratzinger abgelöst hat, um so zu tun als würde unter ihm selbst nun alles anders ... 

Abb.: Geographischer Überblick zur Geschichte der baltischen Länder: Der Staat des Deutschen Ordens, 1260 bis 1410 (Wiki)

Wann ist jemals etwas "anders" geworden in der zweitausendjährigen Geschichte der katholischen Kirche? "Sint ut sunt aut non sint", sie sollen sein wie sie sind oder sie sollen nicht sein, lautet doch der berühmte Grundsatz der Jesuiten, dessen Wahrheit sich immer und immer wieder gezeigt hat.

Im Kampf für die Jungfrau Maria - Der Jesuitenzögling Sigismund III. Wasa

Man muß allerhand Zusammenhänge auf sich wirken lassen, um über die damaligen politischen und religiösen Verhältnisse ausreichen den Überblick zu bekommen. Der polnische König Sigismund III. Wasa (geb. 1566 auf Schloß Gripsholm in Schweden, gest. 1632) (Wiki) war der Sohn des Bruders des schwedischen Königs Erik XIV. (1533-1577) (Wiki), also Sohn von Johann III. von Schweden (1537-1592) (Wiki). Dieser Johann III. hatte in seinen jüngeren Jahren die Zurücksetzung gegenüber seinem Bruder schwer vertragen und 1562 eine polnische Katholikin geheiratet und ist für diese Heirat reich belohnt worden (ein häufiger wiederkehrendes Muster ...) (Wiki):

Zum offenen Bruch zwischen den Brüdern kam es, als er sich am 4. Oktober 1562 gegen den Willen seines Bruders mit der Prinzessin Katharina Jagiellonica verheiratete. Sie war die jüngere Schwester des polnischen Königs Sigismund II., mit dem Erik im Streit lag. Dazu kam noch, daß Johann von Sigismund für eine Pfandsumme von 120.000 Talern sieben befestigte Schlösser in Livland erhielt. (...) Im April 1563 wurde er des Landesverrates beschuldigt. Im Juni desselben Jahres wurde er wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Ihm wurden sämtliche Güter in Stockholm enteignet und jeglicher Anspruch auf den schwedischen Thron oder Erbschaften abgesprochen.

Statt hingerichtet zu werden, wurde er aber schließlich für "lebenslänglich" mit seiner Gattin auf Schloß Gripsholm interniert. Diese "Milde" von Seiten der Protestanten ermöglichte den weiteren Verlauf der Geschichte. Berühmte Gemälde zeigen das Ehepaar mit ihrem kleinen Sohn in der Internierung. Denn dort wurde Sigismund Wasa 1566 auf Schlß Gripsholm geboren. Zwei Jahre später gelang seinem Vater der Putsch gegen seinen Bruder. Er wurde: König von Schweden. Der Katholizismus seiner Mutter Katharina Jagiellonica (1526-1583) (Wiki) sollte dann die weitreichendsten Folgen haben:

Katharina erzog ihren Sohn Sigismund zum leidenschaftlichen Katholiken, der als Sigismund III. Wasa die Geschicke Polen-Litauens für 45 Jahre bestimmen sollte. Nachdem er den schwedischen Thron 1592 bestieg, entfremdete sein offenkundiger Katholizismus seine evangelisch-schwedischen Untertanen und führte nach der Schlacht von Stångebro 1598 zu seiner Absetzung durch den schwedischen Reichstag 1599. Durch das Scheitern seiner politischen Pläne in Schweden stieg das Land im 17. Jahrhundert zur protestantischen Führungs- und Großmacht in Nordeuropa auf und gab Anlaß für langjährige militärische Auseinandersetzungen zwischen Polen und Schweden um die Vorherrschaft im Baltikum und die Erbrechte der katholischen Wasa auf den schwedischen Thron. 

Sigismund Wasa hat schon in seiner Jugend mit seiner Mutter viel Zeit in Polen verbracht (Koniarek):

Karl wußte auch, daß Sigismund, der Sohn Johanns und Thronfolger, der sich fast ständig in Polen aufhielt, ebenfalls katholisch erzogen war. Die katholische Erziehung Sigismunds war aber nicht der Laune eines Herrschers entsprungen, sondern hatte strategische Gründe: Die Mutter Sigismunds entstammte dem litauischen-polnischen Adelshaus der Jagellionen und leitete dadurch Ansprüche auf den polnischen Thron ab. Wer Ansprüche auf den polnischen Thron anmelden wollte, mußte katholisch sein.

1587 wurde Sigismund III. Wasa dann zum polnischen König gewählt. 1592 starb sein Vater in Schweden. Noch bevor Sigismund als Thronfolger nach Schweden kommen konnte, wurde in Uppsala als Landesreligion evangelisch festgeschrieben (Koniarek):

Als Sigismund ein halbes Jahr nach der Festlegung in Uppsala seine rechtmäßige Thronbesteigung in Schweden antrat, waren in seinen Weihrauchschwaden auch Jesuiten und die altgläubigen Katholiken erschienen, die öffentliche katholische Gottesdienste verlangten. Das führte zu blutigen Auseinandersetzungen mit der lutherischen Bürgerschaft von Stockholm.

Im Jahr 1600 wurde Sigismund die schwedische Krone aberkannt. Aber im Grunde behielt er bis an sein Lebensende einen Fuß in Schweden. Die Gefahr, daß er mit einer katholischen Fraktion innerhalb Schwedens wieder die Macht übernehmen könnte, bestand weiter. 

Abb. 7: Peter Skarga predigt vor Sigismund III. Wasa, sowie zahlreichen hohen, polnischen Würdenträgern - Gemälde von Jan Matejko (1864) - Skarga peitscht den König und die Würtenträger zum fanatischen Kampf gegen die Ketzer im Norden auf. Als Zuhörer sind u. a. außerdem dargestellt Janusz Radziwiłł, Jan Piotr Sapieha und Jan Zamoyski

In diesem Spannungsfeld zwischen Schweden und Polen bewegten sich die protestantischen Herzöge von Kurland, sowie jene Teile der Ritterschaft Livlands, die seit vierzig Jahren dem polnischen König Untertan waren. Ebenso auch die Bürgerschaft der protestantischen Handelsstadt Riga. Riga war damals eine Stadt, die dreimal so groß war wie Stockholm. Sie stellte also sozusagen eine eigene Macht innerhalb des Ostseeraumes dar. Sie alle wollten einerseits nicht als untreue Untertanen gegenüber dem polnischen König gelten, mußten sich andererseits aber den sehr offenen und direkten wie auch den weniger offensichtlichen Bedrängungen durch die Jesuiten oder der Anstachelung und Aufstachelungen durch die Jesuiten erwehren. 

Im Kampf für die Jungfrau Maria - Die Jesuiten in Riga

Diese Jesuiten waren sogar im Besitz der zweitgrößten Kirche von Riga, der Jakobikirche (Wiki):

Nachdem sich die Stadt Riga im Livländischen Krieg dem polnisch-litauischen König Stephan Báthory unterstellt und dieser im Corpus Privilegiorum Stephaneum der Stadt ihre Freiheiten und Privilegien bestätigt hatte, kaufte der König der Stadt 1582 die Kirche ab und übergab sie den Jesuiten. Bei den Kalenderunruhen 1584 wurde der größte Teil der Inneneinrichtung von einer aufgebrachten Menge zerstört.

In Riga war also die Bürgerschaft ebenso hellwach wie in Stockholm. Diese Kalenderunruhen beruhten auf der Einführung des gregorianischen Kalenders, der als "papistisches Machwerk" empfunden wurde (Wiki):

Mit Rücksicht auf die neue politische Lage ordnete der Rat der Stadt im Oktober 1584 die Einführung des gregorianischen Kalenders an. (...) Ein großer Teil der Bevölkerung weigerte sich, der Anordnung zu folgen. Am Weihnachtsfest der neuen Kalenderrechnung blieben die lutherischen Kirchen leer, die Handwerker arbeiteten in ihren Werkstätten, und die unter Zwang den Katholiken übergebene Jakobskirche wurde von einer aufgebrachten Menge verwüstet. Zehn Tage später, am julianischen Weihnachtsdatum, wie auch zum julianischen Jahreswechsel wurden demonstrativ Andachten und Feiern abgehalten. In der Folgezeit kam es wegen der Kalenderfrage sogar zu Hinrichtungen. Erst im Juni 1589 wurden die Unruhen unter militärischem Druck beendet. Auf dem Reichstag 1591 wurde unter Vermittlung des protestantischen Stadtsyndikus David Hilchen ein Vertrag unterzeichnet, der die Beibehaltung des julianischen Kalenders und einiger alter Freiheiten der Stadt Riga bestätigte. Nach der schwedischen Eroberung 1621 wurde auch die Jakobskirche wieder lutherisch.

Es könnte auch lohnend sein, der Frage nachzugehen, welche Rolle der hier genannte Stadtsyndikus David Hilchen insgesamt spielte. 1609 sollte er eine Gedenkschrift heraus bringen auf den 1602 im Kampf gegen die Schweden gefallenen Livländer Jürgen von Fahrensbach, dessen Sohn 1610 - wiederum im Zusammenhang einer Heirat - zum Katholizismus übertrat und dann als Geheimagent der Jesuiten mit übelsten Mitteln und Machenschaften daran arbeitete, Kurland und Riga zu Fall zu bringen und sie den Katholiken in die Hände zu spielen (Seraphim 1893). 

Er scheint uns später gegenüber Gustav Adolf die Rolle eines "Lockvogels" gespielt zu haben, der den Kriegszügen Gustav Adolfs in Deutschland jeweils eine Richtung gab, die im Interesse der katholischen Partei lag. Das wird in weiteren Beiträgen dieser Aufsatzreihe Thema sein. Aufgrund seiner "Lockungen" zog Gustav Adolf 1630 nach Frankurt an der Oder, anstatt so schnell wie möglich Magdeburg zu entsetzen (wo dann der fürchterliche katholische Massenmord stattfand). Und anstatt 1631 direkt auf Regensburg und damit in die Kernlande der Habsburger vorzustoßen, ließ sich Gustav Adolf von diesem Geheimagenten verleiten und dessen Versprechungen schneller Übergabe verleiten, zunächst Ingolstadt zu belagern und dann Süddeutschland weiter westlich zu verheeren. Dasselbe Spiel scheint in Ingolstadt 1633 dann noch einmal gespielt worden zu sein.

Dieser Geheimagent scheint auch sonst in seinem Leben viel zum Schaden der protestantischen Sache betrieben zu haben. Am Ende seines Lebens 1633 wurde er jedenfalls nur noch von einer Gruppierung gelobt: von den Jesuiten. Es wäre das lohnende Thema einer Doktorarbeit, den Umtrieben dieses aus Livland stammenden jesuitischen Geheimagenten in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges noch genauer nachzugehen.

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  1. Bürgermeister und Rat der Stadt Riga: Von der Eroberung der Hauptstadt Riga in Leffland 1621. Wittenberg 1622 (GB)
  2. Friderici Menii: Historischer Prodromus des Lieffländischen Rechtens und Regiments Von Anfange der Provintz Erfindunge/ biß auff Ihr Königl. Majest. von Schweden Gustavi Magni Todt: Aus Wahrhafften und Glaubwürdigen Actis und Actitatis verfertiget und zusammen gebracht. Becker, Dörpt in Lieffland 1633 (Dig. Bibl), https://dspace.ut.ee/handle/10062/10508 
  3. Hupel, August Wilhelm: Nordische Miscellaneen. Materialien zu einer liefländischen Adelsgeschichte. 1788 (GB)
  4. von Hagemeister, Heinrich: Materialien zu einer Geschichte der Landgüter Livlands. Band 11, 1836 (GB)
  5. Freiherr Julius von Bohlen zu Bohlendorf (Rügen): Fragmente zur Geschichte des Herzogs Wilhelm von Kurland. In: Mitteilungen aus dem Gebiete der Geschichte Liv-, Est- und Kurlands, Band 8, Riga 1857 (GB), S. 195-239
  6. Wittich, Karl, "Gustav II. Adolf" in: Allgemeine Deutsche Biographie 10, 1879, S. 189-212 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118543733.html
  7. Stryk, L. von: Beiträge zur Geschichte der Rittergüter Livlands. Band 2, 1885 (GB)
  8. Seraphim, Ernst: Der Kurländer Wolmar Farensbach. Ein Parteigänger und Verräter des 17. Jahrhunderts. Nach archivalischen Quellen. In: Seraphim, Ernst und August: Aus der Kurländischen Vergangenheit. Bilder und Gestalten des siebzehnten Jahrhunderts. Stuttgart 1893 (GB)
  9. Seraphim, Ernst: Geschichte Liv-, Est- und Kurlands. Von der "Aufsegelung" des Landes bis zur Einverleibung in das russische Reich. Eine populäre Darstellung. Verlag von Franz Kluge, Reval 1896 (GB)
  10. Bienemann jun., Dr. Fr.: Zur Geschichte der Kritik der hist.-polit. Schrift "Von der Eroberung der Stadt Riga 1621". In: Mitteilungen aus dem Gebiete der Geschichte Liv-, Est- und Kurlands, Band 16, Riga 1896 (GB), S. 262-320
  11. Busch, Nicolaus: Die Geschichte der Rigaer Stadtbibliothek und deren Bücher. Aus den nachgelassenen Schriften von Dr. N. Busch, Stadtbibliothekar zu Riga. II. Band  Redigiert von L. Arbusow. 1936 (pdf)
  12. Helk, Vello (1923-2014): Die Jesuiten in Dorpat (1583-1625). Zeitschrift für Ostmitteleuropaforschung, 1963, https://www.zfo-online.de (pdf)
  13. Honselmann, Wilhelm: Theodor von Havkenscheid S. J. (1530-99). In: Westfälische Zeitschrift, Bände 112-113, 1962; erneut in: Blätter für deutsche Landesgeschichte, Band 99, 1963, S. 343 (pdf)
  14. Helk, Vello (1923-2014): Die Jesuiten in Dorpat 1583 - 1625. Ein Vorposten der Gegenreformation in Nordosteuropa". [Odense University studies in history and social science, 44] 1977 (335 Seiten) (GB)
  15. Heyde, Jürgen: Zwischen Kooperation und Konfrontation: Die Adelspolitik Polen-Litauens und Schwedens in der Provinz Livland 1561-1650. 1998 (pdf)
  16. Koniarek, Dr. Klaus: Sigismund III. Wasa. Wer war wer im Dreißigjährigen Krieg [o. D., 1998, 2008/2009], http://www.koni.onlinehome.de/ausfuehrliche-biographien/sigi-frames.htm [15.11.2022] 
  17. Kunowski, Jan: Ekspedycyja inflantska 1621 roku (Die Infanterie-Expedition des Jahres 1621). Wojciech Walczak, ‎Karol Łopatecki. Bialystok 2007
  18. Paradowski, Michał Kadrinazi: Rajtaria litewska pod komendą hetmana Krzysztofa Radziwiłła 1617-1622 (Kurländische Reiterei unter dem Befehl des Hetmans Christoph Radziwiłł), 2010, http://phw.org.pl/rajtaria-litewska-pod-komend-hetmana-krzysztofa-radziwia-1617-1622/
  19. Donecker, Stefan: Arbeiten und Projekte des Dorpater Professors Friedrich Menius in den 1630er Jahren. In: Forschungen zur baltischen Geschichte, 6/2011 (pdf), S. 31-60
  20. Spārītis, Ojārs: Die kartographische Darstellung der Belagerung Rigas von Georg Schwengeln (1621) als kulturhistorisches Zeugnis. In: Militär und Gesellschaft in der frühen Neuzeit, 2012 (pdf)
  21. Tuchtenhagen, Ralph: Riga wird schwedisch (1621). In: NORDEUROPAforum, 3.1.2022, https://portal.vifanord.de/blog/riga-wird-schwedisch-1621/
  22. Wolke, Lars Ericson: Gustavus Adolphus, Sweden and the Thirty Years War, 1630–1632. 2022 (GB
  23. The central portal of the Riga Castle yard gate is again decorated with reliefs of Madonna and Plettenberg, etwa 2016, https://www.reregrupa.lv/en/news-/the-central-portal-of-the-riga-castle-yard-gate-is-again-decorated-with-reliefs-of-madonna-and-plett/
  24. Die Geschichte von Windau, https://www.onlatvia.com/history-of-ventspils-598