Freitag, 25. November 2022

Riga und Livland im schweren Abwehrkampf gegen die Jesuiten

"Minen hört man und Geschütz / täglich dumpf erdröhnen" - Im Kampf für die evangelische Freiheit
- Einige Einblicke in das Leben der Deutschen des baltischen Adels und der Bürgerschaft des 17. Jahrhunderts in Livland und Kurland

Teil 1: Die Jesuiten richten ihre Blicke von Warschau aus drohend nach Norden - Der größere geschichtliche Rahmen (1600 bis 1633)

Die baltischen Länder (Wiki) Litauen, Lettland und Estland wurden bis 1918 Litauen, Kurland und Livland genannt. Ihre Geschichte war immer eng verbunden mit der Geschichte der anderen Ostseeländer, mit der preußischen Geschichte und mit der Geschichte Pommerns. Von vielen Küstenstädten Norddeutschlands und der Niederlande aus waren Deutsche ab der Zeit um 1200 nach Riga und nach Livland gekommen, um das Land für den christlichen Glauben zu missionieren und um sich dort anzusiedeln.

Abb. 1: Das wehrhafte, stolze Riga - Teile der Stadtbefestigung aus dem Mittelalter, die sich bis heute erhalten haben (Wiki) - Fotograf: John Samuel

Jahrhunderte lang haben sie sich dann dort wehrhaft und selbstbewußt behauptet (Abb. 1 bis 3). Die Landessprache war in Kurland und Livland bis 1918 Deutsch.

Aber schon im Angesicht der Russifizierung der baltischen Provinzen vor 1918 war die Bindung der im Baltikum lebenden Deutschen an ihr Mutterland jenseits der Memel stärker geworden. Und zwischen den Jahren 1918 und 1945 sollten sie auch als Gesamtheit in jene Länder zurück kehren, aus denen ihre Vorfahren einst so tatendurstig gen Osten ausgezogen waren. Es endete damit eine über 800-jährige Geschichte der Deutschen in den baltischen Ländern. Im folgenden soll zu dem Leben einiger Vorfahren des Verfassers dieser Zeilen, die der baltischen, deutschen Bürgerschaft und dem deutschen Adel des 17. Jahrhunderts angehörten, einiges zusammen getragen werden. Auf wahrlich wunderliche Gestalten kann man dabei stoßen, insbesondere auf tapfere, standfeste deutsche Glaubenstreiter, Reiteroffiziere und Staatsbeamte unter den Königen von Polen, von Schweden und dem Zaren von Rußland.

Das Leben dieser Vorfahren kann man aber gar nicht verstehen, wenn man sich nicht zuvor wenigstens eine grobe Orientierung verschafft hat von dem geschichtlichen Rahmen, in dem sich diese Lebensverläufe einordnen. Wir beginnen mit diesem Beitrag eine vielteilige Blogartikelserie. Und schicken im ersten Beitrag einen allgemeinen Teil voraus.

Unter der Herrschaft der Deutschen - Kurland und Livland

Die Geschichte von Kurland und Livland (Lettland und Estland) hat vieles gemeinsam mit der Geschichte des Herzogtums Krain (Slowenien) im Süden Österreichs (Wiki, a). In beiden Regionen führte die deutsche Ostsiedlung dazu, daß der Adel und das Bürgertum bis 1918, bzw. bis 1941 aus Deutschen bestand. Da die deutsche bäuerliche Ostsiedlung aber in der Breite nicht mehr bis in diese Länder vordrang, behielt die ländliche Bevölkerung in beiden Regionen ihre einheimische Sprache und Kultur bis heute bei. Deshalb also gibt es sie noch: die Slowenen, die Esten, die Letten und die Litauer.

Andere Völker und Volksstämme haben sich hingegen bis ins 20. Jahrhundert noch als "schwebendes Volkstum" erhalten. Das heißt, sie fühlten sich als Deutsche, in ihrer Kultur und Muttersprache klang aber das alte Stammesleben aus vorchristlicher Zeit noch nach: die Masuren, die Kaschuben, die Leba-Kaschuben, die Oberschlesier, die Sorben. Zum dritten sind in jener Zeit ganze Völker und Volksstämme mit ihrer Sprache und Kultur ganz untergegangen und blieben nur in Familien- und Ortsnamen erhalten: Die Pruzzen, die Samländer, die Pommern und viele andere slawische Völkerschaften zwischen Elbe und Oder.

Ab 1202 ist das heutige Lettland (Wiki) von dem deutschen Schwertbrüderorden erobert worden. Mit ihm strömten viele Deutsche ins Land. Es wurden Städte gegründet, Ordensburgen errichtet, die Adelsgüter wurden an deutsche Ritter ausgegeben. Dieser Schwertbrüderorden ist dann später im Deutschen Ritterorden aufgegangen, in dem die baltischen Provinzen desselben aber immer auch ein gewisses Eigenleben führten.

Im Spätmittelalter war der Ordensstaat um vielerlei Verfallserscheinungen willen von den damals sehr modernen, aufstrebenden, reichen deutschen Hansestädten an der Weichsel in Preußen und an der Düna in Livland als überaltert empfunden worden. Mit der Reformation wurden auch Kurland und Livland evangelisch. Kurland wurde in ein weltliches Herzogtum umgewandelt, Teile Livlands gerieten früh unter die Oberherrschaft ausländischer Landesherren, der Könige von Dänemark, von Schweden, von Polen und des Zaren von Rußland. 

Abb. 2: Das wehrhafte, stolze Riga - Ein Teil der Stadtmauer von Riga mit Laufgängen und Wehrturm (Wiki) - Fotograf: karel291

Rußland, Schweden und Polen richteten alle Zeit begehrliche Blicke auf die baltischen Ostseeprovinzen. Mit dem Niedergang und schließlich Zusammenbruch des Ordensstaates war dort ein Machtvakuum entstanden. Unter einer weisen Regierung konnte in diesem Bereich noch für einige Jahrzehnte ein friedlichen Gedeihen gesichert werden. Dann drängten stärkere politische Mächte von allen Seiten in diesen Raum, unter anderem angefeuert von dem Willen zur Rekatholisierung, bzw. von dem Willen, diese Rekatholisierung zu verhindern.

Ein Segen für Livland - Wolter von Plettenberg

Das gesamte Herrschaftsgebiet des deutschen Ritterordens war während des Hochmittelalters mit Ordensburgen übersäät, die nachmals nach und nach in "normale" Adelsgüter umgewandelt wurden. Viele dieser Ordensburgen, vor allem die größeren sind erhalten geblieben. Sie sind noch heute die jeweils bedeutendsten Sehenswürdigkeiten vor Ort (etwa in West- und Ostpreußen, ebenso in Polen, in Lettland und in Estland). Die hervorragendste dieser Burgen ist natürlich die Marienburg an der Nogat in Westpreußen. Andere Burgen sind im Laufe der Jahrhunderte verfallen oder zerstört worden. Mitunter werden sie heute wieder von den Archäologen ausgegraben und erforscht.

Ein Vorfahre des Verfassers dieser Zeilen, Rittmeister Wilhelm de la Barre (1580-1650), verteidigte 1618 die Atzenburg im Süden Livlands, eine Burg des Herzogs von Kurland, gegen eine Belagerung durch ein Bündnis von Rigaer Bürgerschaft und kurländischer Ritterschaft. Von dieser damaligen Ordensburg scheinen sich heute in der lettischen Ortschaft Ace keine Überreste mehr erhalten zu haben. Derselbe Vorfahre hat dann Riga 1621 gegen den Schwedenkönig verteidigt und erwarb dann 1625 die Ordensburg Ermes im heutigen nördlichen Lettland. Von dieser sind heute noch Ruinen zu besichtigen. Zu all dem mehr in einem folgenden Beitrag.

Für den baltischen Teil des Deutschen Ritterordens war der Hauptsitz die ehemalige Ordensburg von Riga (Wiki, lett). Und diese ursprüngliche Ordensburg ist noch heute nichts weniger als der Sitz des Staatspräsidenten von Riga.

Abb. 3: Die einstige Ordensburg Riga von der Düna her gesehen (20. Jahrhundert) - Sie lag ursprünglich vor den Toren der Stadt

Wegen ihrer Bedeutung für die Livländische Geschichte hier einige Abbildungen derselben (Abb. 3, 5, 6) und ein paar Worte zu ihrer Geschichte.

Als Regierungssitz des Deutschen Ritterordens ist sie vor den Toren der Stadt Riga am Ufer der Düna errichtet worden (Abb. 3). Später war sie Residenz der polnischen und schwedischen Regionalregierungen, noch später des russischen Generalgouverneurs der baltischen Provinzen.

Im Mittelalter ist sie mehrmals zerstört und wieder aufgebaut worden. Zunächst war eine Ordensburg innerhalb der Mauern der Stadt errichtet worden. Diese hatten die Riga'er Bürger zerstört. Ein neuer Bau mußte deshalb vor den Toren der Stadt errichtet werden. Auch dieser ist noch einmal zerstört worden. Die Bauzeit des heute noch bestehenden Baus geht auf die Jahre zwischen 1491 und 1515 zurück, reichte also noch bis in die Anfangsjahre der Reformation hinein.

Der Bau ist errichtet worden unter der segensreichen Herrschaft des Landmeisters des Livländischen Ordens Wolter von Plettenberg (1450-1535) (Wiki). Noch heute genießt er ein ehrendes Andenken in der livländischen Geschichte (Abb. 4, 5).

Abb. 4: Wolter von Plettenberg - Skulptur etwa aus dem Jahr 1515 von Seiten eines unbekannten Künstlers über dem Portal zum Innenhof der Burg Riga. Das einzige erhalten gebliebene zeitgenössische Porträt Plettenbergs

Gleich nach seinem Tod ist über dem inneren Haupteingang der Burg neben einer Skulptur der Heiligen Maria die seinige angebracht worden (Abb. 4, 5). Diese Skulptur ist das einzige zeitgenössische Porträt dieses Landmeisters. Im Museum in Riga ist das Orignal der Skulptur erhalten. Plettenberg ist zwar selbst nicht zum evangelischen Glauben übergetreten. Deshalb noch die Marienfigur an seiner Seite. Er hat aber den evangelischen Glauben in seinem Land geduldet. Er wollte dem Land einen Bürgerkrieg ersparen. Das von ihm erhaltene Porträt ließe sich würdig neben so bedeutende zeitgenössische Porträts stellen wie etwa die durch den Würzburger Bildhauer Tilman Riemenschneider geschaffenen (Wiki):

Wolter von Plettenbergs Wirken verdankte Livland eine fast sechzigjährige Friedenszeit, die zu einer günstigen ökonomischen und demographischen Entwicklung auf dem Gebiet der heutigen Staaten Estland und Lettland führte. Erst 1558, 23 Jahre nach Plettenbergs Tod, eröffnete Iwan IV. von Moskau den Livländischen Krieg, der 1561 zum Untergang Altlivlands führen sollte.

Mit großem Recht wurde diese Skulptur also im Jahr 2016 über dem prächtig restauriert Eingangsportal der inneren Burg in Form einer Nachbildung erneuert (Yt2016, b). (Weitere Abbildungen sind zu finden über Bildersuche "Madonnas un Pletenberga skulptūras".)

Alle Souveräne des Landes Livland bis heute - darunter über die Jahrhunderte hinweg auch mancher Vorfahre des Verfassers dieser Zeilen - mögen unter dieser Skulptur hindurch geschritten sein, wenn sie die innere Burg betraten. Sie dürfte allezeit eine mahnende Erinnerung an einen segensreichen Landmeister gewesen sein.

Abb. 5: Plettenberg-Skulptur (Kopie) über dem renovierten Portal der Burg Riga (seit 2016) - zusammen mit einer Marienfigur (ebenfalls Kopie)

1562 hat Gotthard Kettler, der letzte Meister des Livländischen Ordens in den Räumlichkeiten der Ordensburg Riga die Insignien des Ordens an den Vertreter des polnischen Königs, Nikolai Radziwiłł (1515-1565) (Wiki) übergeben. Damit endete die Geschichte des Livländischen Ordens. Am 12. März 1581 traf König Stefan Bathory auf der Rigaer Burg ein und legte den Treueeid auf die Freie Stadt Riga ab. 

Nnur ganz wenige Stationen aus der reichen und wechselhaften Geschichte dieser Burg und der dazu gehörtigen Stadt und des Landes sollen damit genannt sein.

So wie sich die aufstrebenden, reichen deutschen Handelsstädte des Weichselraumes schon früh um Hilfe an den polnischen König gewandt hatten, um die ihnen drückend und unzeitgemäß erscheinende Ordensherrschaft abzuwerfen, so hatten sich schließlich auch wenigstens Teile der Landstände in Kurland und Livland an den polnischen König gewandt, um eine möglichst weitgehende politische Selbstständigkeit gegenüber dem Zaren von Rußland wie gegenüber dem König von Schweden bewahren zu können.

Abb. 6: Der Innenhof der einstigen Ordensburg zu Riga, links Plettenberg-Portal (etwa 2015/16)

Viel Ruhm hatte sich damals an die Fahnen des Königsreiches Polen-Litauen geheftet. 1558 bis 1583 wurde um den Besitz Livlands der Livländische Krieg (Wiki) geführt. 

Indem wir nun die Aufmerksamkeit auf die Tatsache richten, daß der schon genannte polnische König Stephan Bathory Jesuitenschüler war (Honselmann1963) und auch einen Jesuiten als Beichtvater hatte (Helk1963), nämlich den Jesuiten Peter (Piotr) Skarga (1536-1612) (Wiki, engl, pol), stoßen wir nun gleich in das Zentrum derjenigen Kräfte vor, von denen die größte "Unruhe" in jenen Zeiten in Europa ausging: die Jesuiten.  

Im Kampf um die Ausrottung der Ketzer - Der Jesuit Peter Skarga

Dieser Piotr Skarga wurde ab 1587 auch der Hofprediger und politische Berater des nachfolgenden polnischen Königs Sigismund III. Wasa (Wiki):

Der polnische Adel schrieb ihm großen Einfluß auf König Sigismund zu.

Auf dem polnischen Wikipedia lesen wir über Skarga (Wiki):

Er trat als der Gründer vieler Jesuitenkollegien auf, zum Beispiel in Połock (er war hier der erste Rektor, 1582-1586), in Riga, in Dorpat und in Lublin. Er war der erste Rektor der Wilnaer Akademie (1579-1584). Ab 1588 diente er 24 Jahre lang als Hofprediger von Sigismund III. Wasa, der ihn wegen seiner außergewöhnlichen Persönlichkeit und seiner Redegewandtheit schätzte. (...) Skarga predigte die Enthaltsamkeit und Askese, wies auf die Bedeutung des Zölibats und der Pilgerfahrten hin. (...) Er wies auf die Notwendigkeit hin, die Ketzerei auszurotten, um einen starken Staat zu erneuern.

Angesichts solcher Aussagen ist natürlich der zweite Halbsatz der dann folgenden Ausführungen auf dem polnischen Wikipedia nur Augenwischerei, was aus allem, was im folgenden zu berichten ist, auch mehr als deutlich werden wird (Wiki):

Obwohl er gegen einen versöhnlichen interreligiösen Dialog und religiöse Toleranz auf der Grundlage politischer Kriterien war, lehnte er es ab, irgendjemanden gewaltsam zu konvertieren, da dies zu einem Bürgerkrieg führen könne.
Er lehnte also die gewaltsame Bekehrung, die anderwärts in Europa sehr fröhlich und unter Jubelrufen der Jesuiten und des Papstes betrieben wurde, keineswegs grundsätzlich ab. Er lehnte sie nur aus vorgeschobenen taktischen Gründen ab. Wobei der hier infrage stehende "Bürgerkrieg" ja schon damals geführt wurde und dann wenige Jahre später sich über dreißig Jahre hinweg fortsetzen sollte. Die Stadt Riga und die Protestanten des Baltikums und Schwedens werden keinerlei Grund gesehen haben, solche Augenwischerei als einen Schutzwall für sich zu verstehen. Nein, vielmehr hatten sie Grund, dasselbe zu singen was die Niederländer in den Jahren 1592 und 1622 - und noch viele Jahrhunderte später - gesungen haben (Lied.):

Sieh, wie mit Stärk’ er ans Werk sich gestellt, 
er, der allzeit unsre Freiheit hat getreten! 
Wie er sich plagt, grabt und trabt rings im Feld! 
’s gilt unserm Gut, unsrem Blut und unsern Städten. 
Hör die span’schen Trommeln schla’n, die Trompeten schallen! 
Sieh nur zu, schon rückt er an: 
Bergen soll jetzt fallen! 
Berg op Zoom, halt dich fromm, wehr den span’schen Scharen, 
Landes Kron’, seinen Strom, hilf getreu bewahren! 
 
Mutiges, blutiges, wutiges Schwert, 
blinkst und erklingst, daß die Funken daraus fliegen!
Bebende, lebende, schwebende Erd’, 
rollende, grollende Donner mit dir spielen!
Minen hört man und Geschütz 
täglich dumpf erdröhnen; 
manchen Spanier trifft der Blitz, muß im Blute stöhnen;
Berg op Zoom hält sich fromm, wehrt den span’schen Scharen; 
Landes Kron’, seinen Strom, hilf getreu bewahren!
 
Der von Oranien kam Spanien an Bord, 
wollt in dem Feld als ein Held Gewalt abwehren; 
aber sieh da, Spinola macht sich fort, 
flugs mit Verlaub aus dem Staub mit all den Herren. 
Cordoba macht schleunig kehrt, sah da nichts zu gewinnen; 
war kein Flachs zu spinnen: 
Berg op Zoom hält sich fromm, wehrt den span’schen Scharen; 
Landes Kron’, seinen Strom, hilf getreu bewahren!

Dieses wuchtige, machtvolle niederländische Freiheitslied zeigt auf, welche Gefühle im Spiel - und notwendigerweise im Spiel - waren und sein mußten, damit die protestantischen Freiheiten Nordeuropas bis heute bewahrt bleiben konnten.


Und womöglich sind sie auch heute noch notwendig, denn was lesen wir (Wiki):

Anläßlich des 400. Todestages Skargas beschloß 2011 der Sejm, das polnische Parlament, mit großer Mehrheit, Skarga als Person des Jahres 2012 zu ehren.

Auf dem polnischen Wikipedia finden wir dazu Angaben zu Zusammenhängen, die man sonst nicht so leicht anderwärts, schon gar nicht im deutschen Sprachraum findet (Wiki):

Am 16. September 2011 erklärte der Sejm der Republik Polen das Jahr 2012 zum Jahr von Pater Piotr Skarga. Diese Initiative stieß auf heftige Kritik. Die Synode der Evangelisch-Augsburgischen Kirche äußerte sich 2011 „besorgt“ über diese Entscheidung und stellte fest: „Diese Entscheidung ist für uns sowohl im Hinblick auf die staatliche Neutralität als auch die von einigen Abgeordneten bekundete Offenheit für ökumenische Initiativen nicht nachvollziehbar.“ Der kalvinistische Publizist Kazimierz Bem schrieb in der "Rzeczpospolita", diese Entscheidung zeige, "wie tief die Republik alle Minderheiten verachtet".

Das ist "Religionskrieg" im Jahr 2011. 2013 bis 2016 ist sogar ein Verfahren zur Seligsprechung von Peter Skarga in Gang gebracht worden. Seit 2016 liegt die Entscheidung beim Papst, der derzeit selbst ein Jesuit ist, und der einen pädokriminellen Papst wie den Herrn Ratzinger abgelöst hat, um so zu tun als würde unter ihm selbst nun alles anders ... 

Abb.: Geographischer Überblick zur Geschichte der baltischen Länder: Der Staat des Deutschen Ordens, 1260 bis 1410 (Wiki)

Wann ist jemals etwas "anders" geworden in der zweitausendjährigen Geschichte der katholischen Kirche? "Sint ut sunt aut non sint", sie sollen sein wie sie sind oder sie sollen nicht sein, lautet doch der berühmte Grundsatz der Jesuiten, dessen Wahrheit sich immer und immer wieder gezeigt hat.

Im Kampf für die Jungfrau Maria - Der Jesuitenzögling Sigismund III. Wasa

Man muß allerhand Zusammenhänge auf sich wirken lassen, um über die damaligen politischen und religiösen Verhältnisse ausreichen den Überblick zu bekommen. Der polnische König Sigismund III. Wasa (geb. 1566 auf Schloß Gripsholm in Schweden, gest. 1632) (Wiki) war der Sohn des Bruders des schwedischen Königs Erik XIV. (1533-1577) (Wiki), also Sohn von Johann III. von Schweden (1537-1592) (Wiki). Dieser Johann III. hatte in seinen jüngeren Jahren die Zurücksetzung gegenüber seinem Bruder schwer vertragen und 1562 eine polnische Katholikin geheiratet und ist für diese Heirat reich belohnt worden (ein häufiger wiederkehrendes Muster ...) (Wiki):

Zum offenen Bruch zwischen den Brüdern kam es, als er sich am 4. Oktober 1562 gegen den Willen seines Bruders mit der Prinzessin Katharina Jagiellonica verheiratete. Sie war die jüngere Schwester des polnischen Königs Sigismund II., mit dem Erik im Streit lag. Dazu kam noch, daß Johann von Sigismund für eine Pfandsumme von 120.000 Talern sieben befestigte Schlösser in Livland erhielt. (...) Im April 1563 wurde er des Landesverrates beschuldigt. Im Juni desselben Jahres wurde er wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Ihm wurden sämtliche Güter in Stockholm enteignet und jeglicher Anspruch auf den schwedischen Thron oder Erbschaften abgesprochen.

Statt hingerichtet zu werden, wurde er aber schließlich für "lebenslänglich" mit seiner Gattin auf Schloß Gripsholm interniert. Diese "Milde" von Seiten der Protestanten ermöglichte den weiteren Verlauf der Geschichte. Berühmte Gemälde zeigen das Ehepaar mit ihrem kleinen Sohn in der Internierung. Denn dort wurde Sigismund Wasa 1566 auf Schlß Gripsholm geboren. Zwei Jahre später gelang seinem Vater der Putsch gegen seinen Bruder. Er wurde: König von Schweden. Der Katholizismus seiner Mutter Katharina Jagiellonica (1526-1583) (Wiki) sollte dann die weitreichendsten Folgen haben:

Katharina erzog ihren Sohn Sigismund zum leidenschaftlichen Katholiken, der als Sigismund III. Wasa die Geschicke Polen-Litauens für 45 Jahre bestimmen sollte. Nachdem er den schwedischen Thron 1592 bestieg, entfremdete sein offenkundiger Katholizismus seine evangelisch-schwedischen Untertanen und führte nach der Schlacht von Stångebro 1598 zu seiner Absetzung durch den schwedischen Reichstag 1599. Durch das Scheitern seiner politischen Pläne in Schweden stieg das Land im 17. Jahrhundert zur protestantischen Führungs- und Großmacht in Nordeuropa auf und gab Anlaß für langjährige militärische Auseinandersetzungen zwischen Polen und Schweden um die Vorherrschaft im Baltikum und die Erbrechte der katholischen Wasa auf den schwedischen Thron. 

Sigismund Wasa hat schon in seiner Jugend mit seiner Mutter viel Zeit in Polen verbracht (Koniarek):

Karl wußte auch, daß Sigismund, der Sohn Johanns und Thronfolger, der sich fast ständig in Polen aufhielt, ebenfalls katholisch erzogen war. Die katholische Erziehung Sigismunds war aber nicht der Laune eines Herrschers entsprungen, sondern hatte strategische Gründe: Die Mutter Sigismunds entstammte dem litauischen-polnischen Adelshaus der Jagellionen und leitete dadurch Ansprüche auf den polnischen Thron ab. Wer Ansprüche auf den polnischen Thron anmelden wollte, mußte katholisch sein.

1587 wurde Sigismund III. Wasa dann zum polnischen König gewählt. 1592 starb sein Vater in Schweden. Noch bevor Sigismund als Thronfolger nach Schweden kommen konnte, wurde in Uppsala als Landesreligion evangelisch festgeschrieben (Koniarek):

Als Sigismund ein halbes Jahr nach der Festlegung in Uppsala seine rechtmäßige Thronbesteigung in Schweden antrat, waren in seinen Weihrauchschwaden auch Jesuiten und die altgläubigen Katholiken erschienen, die öffentliche katholische Gottesdienste verlangten. Das führte zu blutigen Auseinandersetzungen mit der lutherischen Bürgerschaft von Stockholm.

Im Jahr 1600 wurde Sigismund die schwedische Krone aberkannt. Aber im Grunde behielt er bis an sein Lebensende einen Fuß in Schweden. Die Gefahr, daß er mit einer katholischen Fraktion innerhalb Schwedens wieder die Macht übernehmen könnte, bestand weiter. 

Abb. 7: Peter Skarga predigt vor Sigismund III. Wasa, sowie zahlreichen hohen, polnischen Würdenträgern - Gemälde von Jan Matejko (1864) - Skarga peitscht den König und die Würtenträger zum fanatischen Kampf gegen die Ketzer im Norden auf. Als Zuhörer sind u. a. außerdem dargestellt Janusz Radziwiłł, Jan Piotr Sapieha und Jan Zamoyski

In diesem Spannungsfeld zwischen Schweden und Polen bewegten sich die protestantischen Herzöge von Kurland, sowie jene Teile der Ritterschaft Livlands, die seit vierzig Jahren dem polnischen König Untertan waren. Ebenso auch die Bürgerschaft der protestantischen Handelsstadt Riga. Riga war damals eine Stadt, die dreimal so groß war wie Stockholm. Sie stellte also sozusagen eine eigene Macht innerhalb des Ostseeraumes dar. Sie alle wollten einerseits nicht als untreue Untertanen gegenüber dem polnischen König gelten, mußten sich andererseits aber den sehr offenen und direkten wie auch den weniger offensichtlichen Bedrängungen durch die Jesuiten oder der Anstachelung und Aufstachelungen durch die Jesuiten erwehren. 

Im Kampf für die Jungfrau Maria - Die Jesuiten in Riga

Diese Jesuiten waren sogar im Besitz der zweitgrößten Kirche von Riga, der Jakobikirche (Wiki):

Nachdem sich die Stadt Riga im Livländischen Krieg dem polnisch-litauischen König Stephan Báthory unterstellt und dieser im Corpus Privilegiorum Stephaneum der Stadt ihre Freiheiten und Privilegien bestätigt hatte, kaufte der König der Stadt 1582 die Kirche ab und übergab sie den Jesuiten. Bei den Kalenderunruhen 1584 wurde der größte Teil der Inneneinrichtung von einer aufgebrachten Menge zerstört.

In Riga war also die Bürgerschaft ebenso hellwach wie in Stockholm. Diese Kalenderunruhen beruhten auf der Einführung des gregorianischen Kalenders, der als "papistisches Machwerk" empfunden wurde (Wiki):

Mit Rücksicht auf die neue politische Lage ordnete der Rat der Stadt im Oktober 1584 die Einführung des gregorianischen Kalenders an. (...) Ein großer Teil der Bevölkerung weigerte sich, der Anordnung zu folgen. Am Weihnachtsfest der neuen Kalenderrechnung blieben die lutherischen Kirchen leer, die Handwerker arbeiteten in ihren Werkstätten, und die unter Zwang den Katholiken übergebene Jakobskirche wurde von einer aufgebrachten Menge verwüstet. Zehn Tage später, am julianischen Weihnachtsdatum, wie auch zum julianischen Jahreswechsel wurden demonstrativ Andachten und Feiern abgehalten. In der Folgezeit kam es wegen der Kalenderfrage sogar zu Hinrichtungen. Erst im Juni 1589 wurden die Unruhen unter militärischem Druck beendet. Auf dem Reichstag 1591 wurde unter Vermittlung des protestantischen Stadtsyndikus David Hilchen ein Vertrag unterzeichnet, der die Beibehaltung des julianischen Kalenders und einiger alter Freiheiten der Stadt Riga bestätigte. Nach der schwedischen Eroberung 1621 wurde auch die Jakobskirche wieder lutherisch.

Es könnte auch lohnend sein, der Frage nachzugehen, welche Rolle der hier genannte Stadtsyndikus David Hilchen insgesamt spielte. 1609 sollte er eine Gedenkschrift heraus bringen auf den 1602 im Kampf gegen die Schweden gefallenen Livländer Jürgen von Fahrensbach, dessen Sohn 1610 - wiederum im Zusammenhang einer Heirat - zum Katholizismus übertrat und dann als Geheimagent der Jesuiten mit übelsten Mitteln und Machenschaften daran arbeitete, Kurland und Riga zu Fall zu bringen und sie den Katholiken in die Hände zu spielen (Seraphim 1893). 

Er scheint uns später gegenüber Gustav Adolf die Rolle eines "Lockvogels" gespielt zu haben, der den Kriegszügen Gustav Adolfs in Deutschland jeweils eine Richtung gab, die im Interesse der katholischen Partei lag. Das wird in weiteren Beiträgen dieser Aufsatzreihe Thema sein. Aufgrund seiner "Lockungen" zog Gustav Adolf 1630 nach Frankurt an der Oder, anstatt so schnell wie möglich Magdeburg zu entsetzen (wo dann der fürchterliche katholische Massenmord stattfand). Und anstatt 1631 direkt auf Regensburg und damit in die Kernlande der Habsburger vorzustoßen, ließ sich Gustav Adolf von diesem Geheimagenten verleiten und dessen Versprechungen schneller Übergabe verleiten, zunächst Ingolstadt zu belagern und dann Süddeutschland weiter westlich zu verheeren. Dasselbe Spiel scheint in Ingolstadt 1633 dann noch einmal gespielt worden zu sein.

Dieser Geheimagent scheint auch sonst in seinem Leben viel zum Schaden der protestantischen Sache betrieben zu haben. Am Ende seines Lebens 1633 wurde er jedenfalls nur noch von einer Gruppierung gelobt: von den Jesuiten. Es wäre das lohnende Thema einer Doktorarbeit, den Umtrieben dieses aus Livland stammenden jesuitischen Geheimagenten in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges noch genauer nachzugehen.

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  1. Bürgermeister und Rat der Stadt Riga: Von der Eroberung der Hauptstadt Riga in Leffland 1621. Wittenberg 1622 (GB)
  2. Friderici Menii: Historischer Prodromus des Lieffländischen Rechtens und Regiments Von Anfange der Provintz Erfindunge/ biß auff Ihr Königl. Majest. von Schweden Gustavi Magni Todt: Aus Wahrhafften und Glaubwürdigen Actis und Actitatis verfertiget und zusammen gebracht. Becker, Dörpt in Lieffland 1633 (Dig. Bibl), https://dspace.ut.ee/handle/10062/10508 
  3. Hupel, August Wilhelm: Nordische Miscellaneen. Materialien zu einer liefländischen Adelsgeschichte. 1788 (GB)
  4. von Hagemeister, Heinrich: Materialien zu einer Geschichte der Landgüter Livlands. Band 11, 1836 (GB)
  5. Freiherr Julius von Bohlen zu Bohlendorf (Rügen): Fragmente zur Geschichte des Herzogs Wilhelm von Kurland. In: Mitteilungen aus dem Gebiete der Geschichte Liv-, Est- und Kurlands, Band 8, Riga 1857 (GB), S. 195-239
  6. Wittich, Karl, "Gustav II. Adolf" in: Allgemeine Deutsche Biographie 10, 1879, S. 189-212 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118543733.html
  7. Stryk, L. von: Beiträge zur Geschichte der Rittergüter Livlands. Band 2, 1885 (GB)
  8. Seraphim, Ernst: Der Kurländer Wolmar Farensbach. Ein Parteigänger und Verräter des 17. Jahrhunderts. Nach archivalischen Quellen. In: Seraphim, Ernst und August: Aus der Kurländischen Vergangenheit. Bilder und Gestalten des siebzehnten Jahrhunderts. Stuttgart 1893 (GB)
  9. Seraphim, Ernst: Geschichte Liv-, Est- und Kurlands. Von der "Aufsegelung" des Landes bis zur Einverleibung in das russische Reich. Eine populäre Darstellung. Verlag von Franz Kluge, Reval 1896 (GB)
  10. Bienemann jun., Dr. Fr.: Zur Geschichte der Kritik der hist.-polit. Schrift "Von der Eroberung der Stadt Riga 1621". In: Mitteilungen aus dem Gebiete der Geschichte Liv-, Est- und Kurlands, Band 16, Riga 1896 (GB), S. 262-320
  11. Busch, Nicolaus: Die Geschichte der Rigaer Stadtbibliothek und deren Bücher. Aus den nachgelassenen Schriften von Dr. N. Busch, Stadtbibliothekar zu Riga. II. Band  Redigiert von L. Arbusow. 1936 (pdf)
  12. Helk, Vello (1923-2014): Die Jesuiten in Dorpat (1583-1625). Zeitschrift für Ostmitteleuropaforschung, 1963, https://www.zfo-online.de (pdf)
  13. Honselmann, Wilhelm: Theodor von Havkenscheid S. J. (1530-99). In: Westfälische Zeitschrift, Bände 112-113, 1962; erneut in: Blätter für deutsche Landesgeschichte, Band 99, 1963, S. 343 (pdf)
  14. Helk, Vello (1923-2014): Die Jesuiten in Dorpat 1583 - 1625. Ein Vorposten der Gegenreformation in Nordosteuropa". [Odense University studies in history and social science, 44] 1977 (335 Seiten) (GB)
  15. Heyde, Jürgen: Zwischen Kooperation und Konfrontation: Die Adelspolitik Polen-Litauens und Schwedens in der Provinz Livland 1561-1650. 1998 (pdf)
  16. Koniarek, Dr. Klaus: Sigismund III. Wasa. Wer war wer im Dreißigjährigen Krieg [o. D., 1998, 2008/2009], http://www.koni.onlinehome.de/ausfuehrliche-biographien/sigi-frames.htm [15.11.2022] 
  17. Kunowski, Jan: Ekspedycyja inflantska 1621 roku (Die Infanterie-Expedition des Jahres 1621). Wojciech Walczak, ‎Karol Łopatecki. Bialystok 2007
  18. Paradowski, Michał Kadrinazi: Rajtaria litewska pod komendą hetmana Krzysztofa Radziwiłła 1617-1622 (Kurländische Reiterei unter dem Befehl des Hetmans Christoph Radziwiłł), 2010, http://phw.org.pl/rajtaria-litewska-pod-komend-hetmana-krzysztofa-radziwia-1617-1622/
  19. Donecker, Stefan: Arbeiten und Projekte des Dorpater Professors Friedrich Menius in den 1630er Jahren. In: Forschungen zur baltischen Geschichte, 6/2011 (pdf), S. 31-60
  20. Spārītis, Ojārs: Die kartographische Darstellung der Belagerung Rigas von Georg Schwengeln (1621) als kulturhistorisches Zeugnis. In: Militär und Gesellschaft in der frühen Neuzeit, 2012 (pdf)
  21. Tuchtenhagen, Ralph: Riga wird schwedisch (1621). In: NORDEUROPAforum, 3.1.2022, https://portal.vifanord.de/blog/riga-wird-schwedisch-1621/
  22. Wolke, Lars Ericson: Gustavus Adolphus, Sweden and the Thirty Years War, 1630–1632. 2022 (GB
  23. The central portal of the Riga Castle yard gate is again decorated with reliefs of Madonna and Plettenberg, etwa 2016, https://www.reregrupa.lv/en/news-/the-central-portal-of-the-riga-castle-yard-gate-is-again-decorated-with-reliefs-of-madonna-and-plett/
  24. Die Geschichte von Windau, https://www.onlatvia.com/history-of-ventspils-598

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