Freitag, 28. Juni 2019

Unislaw - Eine deutsche Ordensburg an der Weichsel - Neue Ausgrabungen

Erinnerungen an die Provinz Westpreußen, bzw. an das Kulmerland

Vorbemerkung: Der folgende Aufsatz 
bildete die Grundlage 
für einen Vortrag, der zu gleicher Zeit in 
Videoform veröffentlicht wird (12).

Die stolze Marienburg an der Nogat in Westpreußen (Wiki) in der Nähe von Danzig ist - ob ihrer Schönheit, ob des Eindrucksvollen ihrer Architektur, ob ihrer Lage in der Landschaft - ein beliebtes Reiseziel und UNESCO-Weltkulturerbe. So mancher Mitteleuropäer weiß noch heute von ihrer Schönheit. Diese Burganlage war einst der Hauptsitz des Deutschen Ritterordens. Der Deutsche Ritterorden regierte von hier aus seinen Ordensstaat (Wiki). Dieser erstreckte sich im Hoch- und Spätmittelalter von West- und Ostpreußen über die heutigen Staaten Litauen und Lettland bis hinauf nach Estland. Er stellte ein mächtiges, blühendes, für seine Zeit sehr fortschrittliches Gemeinwesen dar. Im Spätmittelalter allerdings wurde er von den wirtschaftlich stark aufblühenden deutschen Handelsstädten an der Weichsel zunehmend als Belastung und Einschränkung empfunden. Die offiziell ehelos lebenden Ritter des Ordens erregten durch ihren hochfahrenden Sinn immer wieder Anstoß, auch deshalb, weil sie zumeist dann doch nicht gar so ehelos lebten. Aber auch sonst wurde dem Ordensstaat viel Korruption vorgeworfen.

Abb. 1: Sonnenuntergang in Kulmisch Wenzlau (Unislaw) an der Weichsel

So verbündeten sich denn die deutschen Handelsstädte und auch der deutsche Adel Westpreußens und des zugehörigen Kulmerlandes zur Abwerfung der bedrückenden Vorherrschaft des Deutschen Ritterordens mit dem polnischen König. Von diesem erwarteten die Deutschen, daß sie unter seiner Oberherrschaft größere städtische und adlige Selbständigkeit und Eigenständigkeit würden aufrecht erhalten können. Dies ließen sie sich auch schriftlich vom polnischen König garantieren. 1466, nach der Schlacht von Tannenberg, konnte die Herrschaft des Ordens im Zweiten Thorner Frieden abgeworfen werden. Damit war die Macht des Deutschen Ritterordens in den Ländern an der Ostsee insgesamt gebrochen. Nun versuchten jedoch die polnischen Könige - im Verlauf der Gegenreformation stark unterstützt durch die polnische, katholische Kirche - nach und nach das in Westpreußen entstandene Machtvakuum zur Polonisierung zu nutzen.

Welche leidvolle, wechselvolle Geschichte ergab sich dadurch für die Provinz Westpreußen. Abgesehen von den reichen Weichselstädten ist die Provinz Westpreußen in polnischer Zeit und durch die damit einhergehende Gegenreformation wirtschaftlich und zivilsatorisch ganz herunter gekommen wie viele Berichte der Zeitgenossen bestätigen und wie auch die Bestandsaufnahme ausweist, die Friedrich der Große nach Wiedereinfügung Westpreußens in den preußischen Staat erstellen ließ. Der König ließ über tausend schwäbische Bauernfamilien im Kulmerland ansiedeln, um es wieder in die Höhe zu bringen (13).

Abb. 2: Kulm an der Weichsel, ehemalige Franziskanerkirche (Fotograf: 1bumer)

Über das im folgenden besonders interessierende Kulmerland an der Weichsel - grob zwischen den deutschen Städten Thorn und Graudenz - ist bezüglich seiner Schicksale seit dem Spätmittelalter zu erfahren (Wiki):

Das Kulmerland war fortan Polonisierungsversuchen ausgesetzt mit dem Hauptziel, die autonome Region des Königlichen Preußen möglichst in eine polnische Provinz umzuwandeln. Dieses wurde 1569 anläßlich der Bildung der Union von Lublin, durch die der Doppelstaat Polen-Litauen entstand, erneut versucht: Durch sein staatsstreichartiges Dekret vom 16. März 1569 auf dem Lubliner Sejm kündigte König Sigismund II. August die Autonomie des Königlichen Preußens unter Androhung herber Strafen einseitig auf, weshalb die Oberhoheit des polnischen Königs von den ehemaligen Städten des Preußischen Bundes von 1569 bis 1772 als Fremdherrschaft empfunden wurde. Während der polnischen Herrschaft wurden das Kulmer Land und das Michelauer Land (...) polonisiert, bei der ersten polnischen Teilung von 1772 fanden sich hier als mehrheitlich deutsche Distrikte nur Stadt und Stadtbezirk Thorn sowie die Thorn-Kulmer Niederung. Dies hatte auch daran gelegen, daß sich der ursprünglich deutsche Adel aufgrund erhaltener Privilegien rapide polonisierte. Mit den Polonisierungsbemühungen einher ging nach der Reformation die systematische Verfolgung und Unterdrückung der Protestanten durch polnische staatliche und kirchliche Behörden, die im Thorner Blutgericht vom 7. Dezember 1724 einen Höhepunkt fand.

Diese Zeit der Unterdrückung, Verdrängung, Polonisierung und Kaholisierung der Protestanten und Deutschen endete 1772, als Westpreußen in der ersten polnischen Teilung zurück an Preußen fielt. In dem eben gebrachten Zitat sind die Worte "fast vollständig polonisiert" ausgelassen worden, denn schließlich lebten doch 1910 im Kreis Kulm nicht wesentlich mehr Polen als Deutsche. Es lebten hier nämlich 28.000 Katholiken neben 20.000 Protestanten (Wiki). Und im Kreis Kulm lebten auch schon 1821 17.000 Katholiken neben 12.000 Protestanten (Wiki). Das Kulmer Land war immer kulturell deutsch zumindest mitbestimmt und mitgeprägt. Bis 1945.

Abb. 3: Kulm an der Weichsel (Alte Postkarte)

Zur Zeit des Ordensstaates waren über das gesamte Gebiet des Ordens hinweg die noch heute so eindrucksvollen Ordensburgen errichtet worden. Da sich sehr viele dieser Ordensburgen erhalten haben und oft die größte Sehenswürdigkeit in diesem Teil Europas darstellen (Wiki, engl), ist ihre Geschichte vergleichsweise gut erforscht (z.B.: 8). Dennoch gewinnen die Archäologen natürlich immer wieder neue Erkenntnisse hinzu, nicht zuletzt aufgrund internationaler Forschungsprogramme zu den kulturellen und wirtschaftlichen Veränderungen, die die deutsche Ostsiedlung in ganz Ostmitteleuropa mit sich gebracht hat, und die noch heute Bewunderung und Erstaunen erregt. 

Im Gefolge der Eroberungen des Ordensstaates wurden nämlich bis nach Estland hinauf Städte von Deutschen gegründet und besiedelt und in West- und Ostpreußen zusätzlich Bauerndörfer. So wanderten die Deutschen aus dem Reich westlich der Weichsel nach Osten und brachten hier mehrere Provinzen zum Erblühen. Die Bevölkerungszahlen haben sich aufgrund dessen vervielfacht, nicht nur des deutschen Volksteiles, sondern auch des polnischen Volksteiles. Deutsche wurden auch auf den riesigen Domänen des Ritterordens angesiedelt, jenen Wirtschaftshöfen, die zu der Ordensburg des jeweiligen Verwaltungsbezirkes des Ritterordens gehörten.

Abb. 4: Ordensburg Unislaw an der Weichsel um 1350, Rekonstruktion (aus: 1)

2016 ist im Dorf Unislaw (Wiki) an der Weichsel einmal erneut eine Ordensburg ergraben worden von Archäologen der Universität Thorn.

Thorner Archäologen graben im Kulmerland

Und dieser Umstand läßt uns die Aufmerksamkeit richten auf dieses Dorf und auf das Land, in dem es liegt, nämlich das Kulmerland. Dieses Dorf wurde von den Deutschen Wenzlau genannt, ab 1942 offiziell Kulmisch Wenzlau (4). Die dortige Ordensburg war nach 1466 dem Verfall preisgegeben worden. Schon seit vielen Jahrhunderten ist sie überirdisch kaum noch sichtbar. Sie ist nur noch Sage gewesen. 

Unislaw liegt auf einer Höhe über dem Ostufer der Weichsel zwischen den vormals deutschen Städten Bromberg und Graudenz (s. Abb. 1). Das Dorf gehörte zum Kreis Kulm, das den Kern des historischen Kulmerlandes einnahm (Wiki). Das Kulmerland hatte ab 1231 - durch Abtretung an den Deutschen Ritterorden - die Ausgangsbasis für dessen Kreuzzug zur Christianisierung und Eroberung der Pruzzen in West- und Ostpreußen gedient. Wie schon erwähnt, folgte später von hier aus auch die Eroberung fast des gesamten Baltikums durch den Orden, wodurch auch dort die Städte und der Adel deutsch wurden (Wiki). Aber das Kulmerland war ursprünglich die Keimzelle, der Ausgangspunkt für das Entstehen des Ordensstaates gewesen.

Unislaw gehörte in deutscher Zeit - bis 1920 - zum Landkreis Kulm und war - wie der Rest von Westpreußen - seit der Besiedlung durch Deutsche die Heimat sowohl von Deutschen wie von Polen. Dabei konnten die Mehrheitsverhältnisse von Ort zu Ort wechseln. In den größeren Weichselstädten Thorn, Bromberg und Graudenz stellten die protestantischen Deutschen die Mehrheit. In kleineren Landstädten und Dörfern hatte - wie schon erwähnt - viel Polonisierung stattgefunden. Dort stellten deshalb nicht selten die katholischen Polen eine knappe Mehrheit. Dennoch waren auch diese Orte die Heimat vieler Deutscher.

In dem 17 Kilometer östlich von Unislaw gelegenen Städtchen Kulmsee lebten bis 1920 beispielsweise grob ein Viertel Deutsche und drei Viertel Polen, sowie eine kleine Minderheit Juden (Wiki). Man hatte bis dahin im Alltag in der Regel ganz friedlich und nachbarschaftlich zusammen gelebt. Nur von Seiten der Politik war insbesondere ab den 1880er Jahren bewußt der "Volkstumskampf" in die beiden Volksteile hinein getragen worden.

Der Reichstagswahlkreis Marienwerder, zu dem Unislaw mit dem Kreis Kulm gehörte, wählte bis 1912 in unregelmäßigem Wechsel einmal einen Abgeordneten der Polnischen Fraktion in den Reichstag, einmal einen Abgeordneten der deutschen Nationalliberalen Partei (Wiki). Für letztere war damals das Betonen des deutschen Standpunktes eine Selbstverständlichkeit. Man verstand damals noch, daß der nationale und der liberal-freiheitliche Gedanke eine notwendige Symbiose bilden, daß der eine nicht sinnvoll vertreten werden kann ohne den anderen. 

In Unislaw selbst wurden Dorf und Gut voneinander unterschieden. In beiden gab es jeweils (soweit erkennbar) zwei Drittel Polen und ein Drittel Deutsche, und zwar im Dorf 247 Polen und 115 Deutsche, auf dem Gut 125 Polen und 45 Deutsche (7, S. 136). Die ansässigen Polen profitierten - wie noch nach 1920 allen bewußt war - seit dem Hochmittelalter von der Wirtschaftskraft und der aufblühenden Fortschrittlichkeit des deutschen Volksteiles.

Zeugnisse eines erbitterten Bekehrungskrieges

1831 wurde in einem Reiseführer über die Straße "von Berlin nach Königsberg über Bromberg" anschaulich berichtet (11, S. 357):

Von Bromberg aus berührt die Straße (...) das Städtchen Fordon, welches unter seinen 2000 Einwohnern 1300 Juden zählt. (...) Hier ist eine Fähre iiber die Weichsel, am jenseitigen Ufer liegt der Fährkrug, und in geringer Entferung von ihm die 16te Station Ostrometzko. (...) Ein Dorf in waldiger Gegend. Der Straße zur linken bleibt die merkwürdige durch  Brenkenhofs unsägliche Mühe wirthbar gemachte Bruchgegend und vom königl. Domainen-Amt Unislaw führt die Straße durch eine vortreffliche Allee über Kölp bis Culm. Rechts erblicken wir auch die ansehnlichen Gebände der königl. Domaine Friedrichsbruch. 

Fordon (Wiki) liegt zehn Kilometer östlich von Bromberg an der Weichsel. Schon 1783 waren fast die Hälfte seiner Einwohner Juden, die andere Hälfte der Einwohner bestand da schon aus deutschen, protestantischen "Neubürgern", die seit 1772 zugezogen waren. In der Folge sollte der Anteil der Juden an der kräftig wachsenden Gesamtbevölkerung noch etwas weiter zurück gehen. Zurück zu Unislaw, bzw. Kulmisch Wenzlau: Von einem vor dem Dorf über den Weichselwiesen gelegenen Hügel haben die Einwohner immer schon vermutet, daß dort früher die Ordensburg gestanden haben wird (s. Abb. 1 und 3). Diese Ordensburg hat in mittelalterlichen Urkunden auch viele Erwähnungen gefunden. 1872 heißt es in einer Untersuchung darüber (10, S. 39):

In der mehrfach erwähnten Urkunde Konrads von Mazowien vom J. 1222 finden wir die Namen von 46  damals im Culmerlande bestehenden Burgen und Dörfern.
Unter diesen findet sich an 23. Stelle dann:
Wuyslaw, Vnyzlau, Unislaw - Unislaw,  Kr. Culm.
Für Unislaw gab es also schon im Mittelalter eine Bezeichnung, die dem nachmals benutzten Wenzlau nahekam. 1858 wurde aus den mittelalterlichen Urkunden heraus berichtet (9, S. 169):
Das Haus Wenzlaw (Unislaw) lag südlich von Althaus, da wo noch heute ein Kirchdorf dieses Namens liegt. Auf demselben hatten in älteren Zeiten ebenfalls Comthure ihren Sitz, Dietrich zwischen 1289 und 1295, Heinrich um 1326; später wurde es vou Pflegern verwaltet, scheint also mit einem  der benachbarten Comthurgebiete (etwa mit Althaus?) vereinigt zu sein. Es wird in der Urkunde des Thorner Friedens um 1466 noch erwähnt. Ganz nahe bei Unislaw, hart an der Weichsel, lag die alte Burg Pien (auch Peene, Pehen genannt), die der Orden eine Zeit lang dem Herzog Swantopolk von Pommerellen überließ, - im fünfzehnten Jahrhundert der Sitz eines Pflegers. Es wäre möglich, daß Unislaw und Pien die Hauptorte desselben Pflegeramtes waren, und die Pfleger sich nur zeitweise nach dem einen oder nach dem anderen Ort nannten.
Und 1870 schrieb derselbe Autor (3):
Das Gebiet Wenzlaw (Unislaw) wurde früher von einem Komthur, später von einem Pfleger verwaltet, der sich im Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts auch einige Male Pfleger von Pehen (Pien, nahe der Weichsel, unterhalb Ostrometzko) nennt. Außer dem Hofe zu Wenzlaw gehören hieher die Höfe zu Czarnow (...) und zu Luchtow (...), welche sämtlich im 14. und 15. Jahrhundert öfters erwähnt werden. (...) Das älteste uns erhaltene Inventarien-Verzeichnis, vom Jahre 1364 (...) zeigt, daß es damals in Wenzlaw "50 Pflugkobeln, 16 Stutkobeln, 37 Füllen, 1 Zelter, 3 Rosse, 6 Knechtpferde und 18 Wagenpferde" gab. Die Gegenüberstellung der Pflug- und Stutkobeln läßt darauf schließen, daß hier der größere Pferdeschlag nicht fehlte.
Der erwähnte "Zelter" wird wohl das Reitpferd des Komthurs, bzw. Pflegers gewesen sein. In jener Zeit gab es nach den erhaltenen mittelalterlichen Urkunden in Unislaw ansonsten 145 Rinder, 300 Schweine und 900 Schafe, außerdem werden für Luchtow auch 31 Bienenstöcke angeführt (3). Ob hier nur die Domäne gemeint ist oder das ganze Dorf, wird aus den Urkunden nicht ganz klar (3). Und wo nun befand sich der Amtssitz dieses Komthurs von Wenzlaw? Die Thorner Archäologen berichten über ihre Ausgrabung (1):
Die Entdeckungen in Unislaw brachten nicht nur eine in Form und Aufbau zuvor unbekannte Holz-Erde-Befestigung und eines an diesem Ort stark befestigten Burggebäudes zu Tage, sondern veranschaulichen auch die Geschichte der Entwicklung der Burgarchitektur des Deutschen Ritterordens überhaupt. 
Original: The discoveries made at Unisław not only reveal the form and layout of a previously unknown timber-and-earth stronghold and those of the stone building erected in its place, they also illuminate the history of the development of the Teutonic Order’s military architecture.

Die Burg wurde - nach den festgestellten Kleinfunden (Keramik und anderes) - genutzt zwischen 1280 und 1466. Die erforschte Burganlage kann von den Burgenforschern nun verglichen werden mit zahlreichen anderen Burganlagen des Ritterordens im Kulmerland und im Ordensstaat überhaupt. Aber an der Rekonstruktion (Abb. 1) kann auch abgelesen werden, daß sich viele Wirtschaftsgebäude des Domänengutes innerhalb der Befestigungsanlagen befunden haben werden.

Die Befestigungen sind übrigens - wie es oft geschehen ist - errichtet worden auf einer zuvor an derselben Stelle lokalisierten Burganlage der Pruzzen (1). Auch mußte der Ritterorden seine Burganlagen im Verlauf der Eroberungen wiederholt deutlich verstärken, da weniger gut befestigte Burganlagen wiederholt von den Pruzzen wieder zerstört worden waren (1). Es war ein erbitterter Bekehrungskrieg gegen die Pruzzen geführt worden. Und nur weil die Pruzzen sich so verzweifelt gewehrt haben, war ja der Orden überhaupt nach Preußen gerufen worden und war ihm das Land zugesprochen worden, das sich die einheimischen Herzöge nicht zutrauten, erobern und christianisieren zu können (2). Es ist nun mehr als wahrscheinlich, daß der Orden auch in Unislaw neben der Ordensburg deutsche, bäuerliche Siedler angesetzt hat. Für den Deutschordensstaat allgemein jedenfalls gilt (Wiki):

Zwischen 1280 und 1400 wurden im Ordensgebiet rund 60 Ordensburgen, 90 Städte und 1500 Dörfer gegründet. (...) Die riesigen Domänen der den einzelnen Ordensburgen angeschlossenen Wirtschaftshöfe fungierten als landwirtschaftliche Großbetriebe. Auf ihren insgesamt 110.000 ha Land wurden 13.000 Pferde, 10.000 Rinder, 19.000 Schweine und 61.000 Schafe gehalten. Großen Wert legte die Ordensleitung auf eine eigenständige Pferdezucht. Dabei wurden in den 61 Gestüten sowohl die zähen, kleinen einheimischen Swoyken als auch schwere Schlachtrösser für die Ordensritter gezüchtet. Im Normalfalle befanden sich die Wirtschaftshöfe in unmittelbarer Nähe zum Ordenshause. (...) Auf Grund der Naturgegebenheiten mangelte es für den Bau der gewaltigen Ordenshäuser an Natursteinen. Demzufolge entschied man sich schon früh für den Bau gigantischer Ziegeleien.
Der Untergang des Ordensstaates brachte auch einen wirtschaftlichen Rückfall des Gebietes mit sich, was deutlich macht, wie sinnvoll eine gut organisierte Zentralverwaltung sein kann (dies kann man auch einmal ins Stammbuch der heute weit verbreiteten "Libertären" schreiben) (Wiki):
Im Gefolge der verlorenen Kriege des 15. Jahrhunderts, durch Brandschatzungen, Reparationsleistungen und daraus resultierend der Einführung von direkten Steuern fiel die blühende Wirtschaft des Ordensgebietes allmählich wieder auf den europäischen Durchschnitt zurück.

So kann es aussehen, wenn das Prinzip straffer Staatlichkeit abgelöst wird von dem Prinzip "sich selbst organisierender, kleiner Einheiten". - Zu den schweren Schicksalen der Bewohner von Unislaw zwischen 1919 und 1949 ist ein weiterer Beitrag hier auf dem Blog erschienen (14).

______________________________________
  1. Wiewióra, M., Wasik, B., Molewski, P., Badura, M., Maciejewska, K., Makowiecki, D., … Tyszkowski, S.: The Teutonic crusade in Prussia: reconstruction of a medieval fortified settlement complex at Unisław. In: Antiquity, 93 (369), 752–771, 12.6.2019, doi:10.15184/aqy.2019.58, url to share this paper: sci-hub.tw/10.15184/aqy.2019.58
  2. Zydowitz, Kurt von: Glaubensumbruch ein Verhängnis. 700 Jahre germanisch-deutsche Geschichte. Teil I bis III. Verlag Mein Standpunkt 1976, 1984, https://archive.org/details/ZydowitzKurtVonGlaubensumbruch EinVerhaengnis700JahreGermanischDeutscheGeschichteTeilI/page/n4
  3. Töppen, Max: Topographisch-statistische Mittheilungen über die Domänen-Vorwerke des deutschen Ordens in Preußen. In: Altpreussische Monatsschrift, Band 7, 1870, S. 412-486, hier S. 443, https://books.google.de/books?id=aM8OAAAAYAAJ (Suchwort: Unislaw) 
  4. Amtsbezirk Kulmisch Wenzlau. In: Rolf Jehke (Herdecke): Territoriale Veränderungen in Deutschland und deutsch verwalteten Gebieten 1874-1945. Zuletzt geändert am 19.5.2005, http://www.territorial.de/dawp/kulm/klmwenzl.htm
  5. Liste der Burgen im Deutschordensstaat, https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Burgen_im_Deutschordensstaat
  6. Schultz, Franz: Geschichte der Stadt und des Kreises Kulm, Band 1 (bis 1479), Kafemann, Danzig 1876, https://books.google.de/books?id=N_RoAAAAcAAJ
  7. Bernhart Jähnig, Peter Letkemann (Hrsg.): 750 Jahre Kulm und Marienwerder. In: Beiträge zur Geschichte Westpreußens, Ausgabe 8, hrsg. v. Copernicus-Vereinigung zur Pflege der Heimatkunde und Geschichte Westpreußens. Verlag Nicolaus-Copernicus-Verl., 1983, https://books.google.de/books?id=eDlpAAAAMAAJ (Suchwort Unislav) 
  8. Benninghoven, Friedrich: Die Burgen als Grundpfeiler des spätmitteralterlichen Wehrwesens im preußisch-livländischen Deutschordensstaat. In: Vorträge und Forschungen (Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte), Bd. 19 Nr. 1, 1976: Die Burgen im deutschen Sprachraum (Teil 1), S. 565-601, https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/vuf/article/view/16221
  9. Töppen, Max: Historisch-comparative Geographie von Preußen. Nach den Quellen, namentlich auch archivalischen, dargestellt. 1858, https://archive.org/details/bub_gb_pykCAAAAcAAJ/page/n125 
  10. R***: Beiträge zur Beantwortung der Frage nach der Nationalität des Nicolaus Copernicus. Priebatschʼs Buchhandlung, Breslau 1872, https://archive.org/details/bub_gb_JI5u6280KtcC/page/n47  
  11. Leopold von Zedlitz-Neukirch: Wegweiser durch den Preußischen Staat. Ein geographisch-statistisches Taschenbuch. Duncker und Humblodt, Berlin 1831, https://archive.org/details/bub_gb_MZEDAAAAcAAJ/page/n367
  12. Bading, Ingo: "Über der Weichsel drüben, Vaterland, höre uns an ...." - Erinnerungen an Westpreußen anhand neuer archäologischer Ausgrabungen daselbst. Vortrag, 29.6.2019, https://youtu.be/-3Gtcuvm2_Y
  13. 1782 - Schwäbische Bauern kommen ins Kulmerland, https://www.wittenberg-bessarabien.de/auswanderung-einwanderung-r%C3%BCckwanderung/   
  14. Bading, Ingo: Ein Dorf im Kulmer Land an der Weichsel. 15.7.2019, https://preussenlebt.blogspot.com/2019/07/ein-dorf-im-kulmer-land-der-weichsel.html

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen