These: Die Aufträge des Georg Wolmar von Fahrensbach an vielen Brennpunkten des 30-jährigen Krieges lauteten unter anderem:
- Als Lockvogel und Provokateur Protestanten zu Fehltaten verleiten, um damit Vorwände zu schaffen, aufgrund deren die Rekatholisierung vor Ort voran getrieben werden kann (Kurland, Riga - 1610 bis 1620)
- Ablenkungsmanöver einleiten und schwerwiegende protestantische Angriffe auf harmlosere Nebenziele ableiten ( Frankfurt-O./Magdeburg, Ingolstadt/Regensburg - 1630 bis 1633)
- Verleumden und Mißtrauen säen, um die vertrauensvolle Zusammenarbeit in Anti-Habsburg-Bündnissen zu unterminieren (gegenüber Paul Straßburg bei Bethlen Gabor - 1629)
Indem wir das Leben eines deutsch-baltischen Vorfahren des Verfassers dieser Zeilen, des livländischen Reiteroffiziers französischer Herkunft Wilhelm de la Barre (1580-1650), verstehen wollten, stießen wir auf eine geschichtlich noch beträchtlich bedeutendere, umtriebigere Person, nämlich auf den livländischen Adligen Georg Wolmar von Fahrensbach (1586-1633) (Wiki). Verschiedene deutsche, schwedische und Schweizer Historiker haben sich in den letzten 150 Jahren bemüht, den roten Faden in seinem Leben zu finden (1-6). Soweit übersehbar, ist es ihnen nicht gelungen. Fahrensbach stammte aus einem verdienten und angesehenen protestantischen, deutschen Adelsgeschlecht in Livland. Er diente unter Wallenstein ebenso wie unter dem Schwedenkönig Gustav Adolf. Sein Leben ist war ein beständiges Wechseln der Chamäleonsfarbe:
- 1602 bis 1616 - Auf Seiten Polens - Wüten gegen das protestantische Riga und Kurland
- 1617 - Vorgetäuschter kurzzeitiger Landesverrat zugunsten von Gustav Adolf
- 1617 bis 1620 - Auf Seiten Polens - Krieg gegen die mit Protestanten verbündeten Osmanen
- 1620 bis 1622 - In türkischer Gefangenschaft (in Konstantinopel)
- 1621 bis 1623 - Freilassung aufgrund protestantischer Fürsprache: Elisabeth Stuart, König Jakob von England, Thomas Roe, Graf Thurn, Bethlen Gabor, Venedig ...
- 1623 - Als Anwalt Bethlen Gabor's in Konstantinopel, steht in Verbindung mit dessen Agenten Henrik Matthias von Thurn
- 1623 - In Mähren Söldnerführer auf Seiten der Kaiserlichen - Kampf gegen Bethlen Gabor (bei Tyrnau) - Gefangennahme - Kampf für Bethlen Gabor (bei Preßburg) - In Siebenbürgen bei Bethlen Gabor
- 1624 - Heiratsvermittlung für Bethlen Gabor über seine Schwester in Berlin und Den Haag - Abreise von Siebenbürgen nach Venedig
- 1625
- Protestantische Heirat seiner Schwester nach Pommern - Kriegszug gegen die Walachei
- 1626 - Als Oberst unter Wallenstein beim
Kurfürsten in Berlin - nach Abreise gefangen genommen durch Mansfeld, in dänischer Gefangenschaft, weiter gegeben in schwedische Gefangenschaft, auf Schloß Gripsholm - Oktober 1626 Rückkehr in kaiserliche Dienste
- 1627 - Auf Seiten Wallensteins - Wüten in Schlesien, gegen die Kurmark Brandenburg - Verhandlungen in Hamburg
- 1628 - Wüten in der Prignitz, gegen Stralsund - Flucht nach Hamburg - Wird als Kronzeuge aufgeführt in einer wichtigen protestantischen Propagandaschrift
- 1629
bis 1630 - Auf Seiten der Protestanten - Gesandter Gustav Adolfs in Den
Haag, Paris, Mantua, Veltlin, Venedig und Siebenbürgen - Wüten gegen Paul Strassburg, den schwedischen Vertrauensmann Bethlen Gabors in Siebenbürgen
- 1630 bis 1631 - Auf Seiten der Kaiserlichen - Verräter/Lockvogel in Frankfurt/Oder - Wüten gegen Magdeburg - Drohungen gegen Götheburg in Dünkirchen
- 1632 - Verräter/Lockvogel in Ingolstadt / In kaiserlicher Gefangenschaft in Ingolstadt
- 1633 - Verräter/Lockvogel in Ingolstadt aus der Gefangenschaft heraus - Hinrichtung in Regensburg
Diese Auflistung stellen wir jedem der vier folgenden Teile voran. Weil man wieder und wieder in Verwirrung gerät in diesem Lebenslauf. Es ist kaum zu glauben, wie oft dieser Fahrensbach die Seiten gewechselt hat. Er scheint geradezu durchgängig ein Doppelspiel gespielt zu haben. Im Versuch, das Leben dieses Menschen Georg Wolmar von Fahrensbach als Ganzes zu verstehen, der 1633 dann in Regensburg von eigenen Kameraden öffentlich blutig niedergemetzelt wurde, haben wir uns in den folgenden Beiträgen festgebissen. Wenn man nur allein den Wikipedia-Artikel oder einzelne, verstreute Arbeiten zu ihm liest (1-6), gewinnt man kein völliges Verständnis über das lebenslange Treiben dieses Mannes über ganz Europa hinweg, von Livland über Polen, Ungarn, Konstantinopel, Venedig, Mantua, Frankreich, England, die Niederlande und Dänemark bis nach Schweden, sowie in Länder, die innerhalb des hier gezeichneten Kreises lagen: in Mähren, in Schlesien, in Brandenburg, in Pommern, in Hamburg, in Bayern.
Gibt es einen "roten Faden" im Leben des Georg Wolmar von Fahrensbach?
Unsere Fragestellung lautet: Ist es diesem Georg Wolmar von Fahrensbach gelungen, seine Zugehörigkeit und Loyalität - entweder zum kaiserlichen oder zum protestantischen Lager - sein Leben lang so in der Schwebe zu halten wie ihm dies schon 1617 in seiner Heimat Kurland scheint gelungen zu sein (1), so daß es - wie überliefert wird - seinem dortigen zeitweisen Mitarbeiter Wilhelm de la Barre "wie ein Traum" vorkam? Also alles geradezu unwirklich und unheimlich? Und noch dazu brandgefährlich? Hat er sein Leben lang seine Farben so gewechselt wie ein Chamäleon?
Die erste Absprache zu einem solchen Chamäleon-artigen Verhalten war - in tiefstem Geheimnis - mit dem polnischen König und mit einem ihm nahestehenden Jesuitenpater, also vermutlich mit dem namhaften polnischen Jesuiten Peter Skarga, um 1609 oder 1610 in Warschau erfolgt. Es muß das geschehen sein im Zusammenhang der Anbahnung seiner Einheirat in Kreise des polnischen Hochadels, wobei er auch zum Katholizismus übergetreten ist (1). Am Ende seines Lebens - im Jahr 1633 - sind erneut Jesuiten seine Beichtväter. Er stirbt als Katholik und fordert die Mutter seines Sohnes auf, den gemeinsamen Sohn katholisch zu erziehen. Die einzigen, die zu jenem Zeitpunkt noch lobende Worte für ihn haben, sind wiederum - Jesuiten (3).
Abb.
1: Der Alltag eines Söldnerführers und Dipolomaten wie des Obristen
Georg Wolmar von Fahrensbach über Jahre hinweg - In einer Reisekutsche fahrend mit viel Gepäck, umgeben von
Reitertruppen - Ausschnitt aus "Der Sieg von Breda" (1625) von Jacques Callot
(1592-1635) (Wiki) |
Ist die Loyalität gegenüber dem Jesuitenorden
der rote Faden, der sich durch das Leben dieses oftmaligen Landesverräters Georg Wolmar von Fahrensbach zieht? Oder hat er
zwischenzeitlich auch an diesem Jesuitenorden Verrat begangen und seine Loyalität dem
Schwedenkönig zugewandt? Warum haben ihm der Schwedenkönig und andere
führende Protestanten überhaupt wieder und wieder ihr Vertrauen
geschenkt? Auch für vergleichsweise verantwortungsvolle Aufgaben? So daß es ihm kurzzeitig - zum Beispiel im Jahr 1629 - gelingen konnte, Mißtrauen unter die Protestanten zu säen, etwa gegenüber dem ständigen Gesandten des schwedischen Königs in Siebenbürgen Paul Strassburg, der dem calvinistischen, ungarischen Feldherrn Bethlen Gábor (1580-1629) (Wiki) mit großem Respekt gegenüber stand, und der sogar noch der Nachwelt diesen Respekt einzuflößen in der Lage ist?
All das sind Fragen, die uns bezüglich des Lebens von Georg Wolmar von Fahrensbach ungeklärt zu sein scheinen, die die Forschung offenbar auch noch niemals wirklich gründlich und mit Nachdruck in den Blick genommen hat, und die sie deshalb auch noch nie versucht hat, wirklich aufzuklären. In der Regel wird Fahrensbach von der Forschung seit mehr als hundert Jahren als ein "launenhafter", charakterloser Söldnerführer und Diplomat angesehen, deren es ja während des Dreißigjährigen Krieges wahrlich - und auffallenderweise - viele gab, ein Söldnerführer, der - wie viele - seine Dienstherren recht häufig gewechselt hat - nicht selten gemeinsam mit den von ihnen geführten Regimentern. Aber selten wird das so häufig und mit so viel "System" und mit so viel "Gewieftheit" und "Durchtriebenheit" geschehen sein, und es wird dabei dauerhaft die Loyalität so in der Schwebe gehalten worden wie das dem Georg Wolmar von Fahrensbach über Jahrzehnte hinweg scheint gelungen zu sein.
Von Herkommen her war er livländischer und kurländischer deutscher Protestant. Seine Schwester ist auch ihr Leben lang Protestantin geblieben und hat einen protestantischen Grafen in Pommern geheiratet. Er selbst war im schwedischen Teil von Livland begütert, nannte sich deshalb "Graf Karkus" und hatte viele Verwandte, die unter dem Schwedenkönig oder den Herzögen von Kurland lebten und wirkten. Er hatte natürlich auch viele angeheiratete Verwandte auf polnischer Seite. So gab es viele Anknüpfungspunkte, um sich selbst als einen Protestanten darzustellen, der nur zeitweise so tat, als würde er in die Dienste des Kaisers getreten sein, wobei er aber die Meinung auf Seiten des Schwedenkönigs genährt haben könnte, er würde das nur um seinetwillen, um des Schwedenkönigs willen tun, und um diesem auf diese - sehr besondere - Weise um so geeignetere Dienste leisten zu können. Während er diese geeigneten Dienste offenbar vor allem im Dienste des Polenkönigs und des deutschen Kaisers leistete, sprich, im Dienste der Jesuiten.
Sollte es wirklich so sein, daß ihm das die schwedischen Heerführer - allen voran der Schwedenkönig Gustaf Adolf - in den Jahren 1631 bis 1633 geglaubt haben?
Es scheint uns vieles darauf hinzuweisen, daß es Fahrensbach wieder und wieder gelungen ist, den Eindruck beim Schwedenkönig Gustav Adolf hervorzurufen und zu bestärken, daß er unter kaiserlicher Fahne für ihn arbeiten würde. Dazu mußten die schwedischen Heerführer aber auch immer wieder möglichst "authentische" Nachrichten erhalten darüber, daß Fahrensbach in ihrem Sinne tätig war und daß er um dieser Dienste willen Unbillen und Gefangenschaften erleiden würde, als "Verräter" behandelt würde auf Seiten der Kaiserlichen. Das erhöhte das Vertrauen in seine Loyalität auf der Seite der Schweden. Und das ist - womöglich - schließlich so authentisch betrieben worden, daß er um dieser mehr als authentischen Verräterei willen von seinen eigenen Kameraden, die im Dienst des Kaisers und der katholischen Sache so doppelbödig nicht zu denken fähig waren, in Regensburg hingerichtet worden ist, einen Tag bevor - einmal erneut - eine Begnadigung durch seinen von Jesuiten beratenen Kaiser und Dienstherren aus Wien eingelangt war.
Viele sagten, so schade wird es um ihn nicht sein, Wallenstein hatte ihm ja schon sechs Jahre zuvor damit gedroht, daß er ihm den Kopf abschlagen lassen würde ob all der Schandtaten, die er sich leistete in Brandenburg und anderswo. Wie überhaupt berücksichtigt werden muß, daß Jesuiten auch gegenüber Katholiken ihre geheimen Umtriebe verborgen halten mußten. Denn auch viele edler gesonnene Katholiken wären mit der Abgefeimtheit und Bösartigkeit nicht einverstanden gewesen, mit denen die Jesuiten vorgegangen sind und um derentwillen die Jesuiten ja auch ein Jahrhundert später tatsächlich in vielen katholischen Ländern verboten worden sind. Damit wird man wohl am ehesten erklären können, warum es katholische Kameraden waren, die Fahrensbach hinmetzelten und gar nicht einmal Protestanten.
Eine "Desperado"-Existenz
Wir wiesen schon im ersten Beitrag (Prbl2022) der inzwischen 10-teiligen Aufsatzreihe darauf hin, daß für uns vieles darauf hindeutet, daß Georg Wolmar von Fahrensbach sein Leben lang als Geheimagent der Jesuiten an vielen politischen und militärischen Brennpunkten des Dreißigjährigen Krieges zum Einsatz gekommen ist, und zwar nicht selten in den gewagtesten Unternehmungen, in denen völlige Furchtlosigkeit, Unverfrorenheit, maßloses Draufgängertum, maßlose Schlechtigkeit, abgrundhafte Boshaftigkeit, bedenkenlose Rücksichtslosigkeit sich selbst und anderen gegenüber notwendig waren. Somit hätten wir vorliegen ein ganz ungewöhnliches Leben. Ein Leben, das wohl so manche "Desperado"-Existenz des Wilden Westens im 19. Jahrhundert in den Schatten zu stellen geeignet ist.
Es bedarf sehr vielen Spezialwissens auf sehr vielen Spezialgebieten der Geschichte der Frühen Neuzeit und des Dreißigjährigen Krieges, um dieses ungewöhnliche und außergewöhnlich wechselhafte Leben in seinen jeweiligen Bezügen und Beweggründen verstehen zu können. Uns fehlen schwedische Sprachkenntnisse, um wichtige schwedische Untersuchungen zu seinem Leben (z.B. 2) ausreichend studieren zu können. Es scheint uns aber nichts naheliegender zu sein, als ob der Schlüssel zu diesem Leben von Anfang bis zum Ende der Jesuitenorden ist. Diese Vermutung kann aber zunächst nur als Arbeitshypothese aufgestellt werden. Es ist zu fragen, welche Aufträge dieser Desperado des Dreißigjährigen Krieges jeweils im einzelnen vom Jesuitenorden erhalten hat oder haben könnte. Oder ob es auch noch Beweggründe in seinem Leben geben könnte, die im Widerspruch zum unbedingten Gehorsam gegenüber den Aufträgen des Jesuitenordens gestanden haben können.
Bei all dem handelt es sich um eine herausfordernde Fragestellung, zu deren Beantwortung in den folgenden fünf Beiträgen nur erste Umrisse aufgezeigt werden können. Für die also Vorarbeiten geleistet werden sollen. Vielleicht können diese später noch nach und nach ergänzt werden. Vorläufig aber brechen wir die Arbeit mitten in diesen Vorarbeiten stehend dennoch ab. Das Thema ist einfach zu uferlos. Als Inhaber eines Lehrstuhles für die Geschichte der Frühen Neuzeit hätte man aber womöglich viel Anlaß daran denken, eine Aufarbeitung dieses Lebens als Thema einer Doktorarbeit oder gar einer Habilitationsschrift bearbeiten zu lassen.
Mit Rotzfrechheit und mit einer Brutalität ohnegleichen, die ihn überall verhaßt machte, wo er längere Zeit sein Wirkungsfeld wählte, versuchte er jeden Verdacht, daß er noch weitaus übleren Machenschaften nachging als auf den ersten Blick erkennbar war, im Keim zu ersticken. Der dadurch verursachte allseitige Haß seiner Mitmenschen sollte schließlich zu seiner Hinrichtung führen. Die Jesuiten, seine lebenslangen Auftraggeber, nahmen ihm vor der Hinrichtung in der Beichte seine unzähligen Sünden ab (3), die sie schon lange kannten, und die für sie keine Sünden waren, da sie ja um der Zielsetzungen ihres Ordens willen ausgeführt worden waren, und da sie sie ja selbst in Auftrag gegeben hatten. Sünde wäre für sie allein gewesen, im Sinne der Zielsetzungen ihres Ordens nicht unermüdlich tätig zu sein.
Hatten sie vielleicht den Henker bestochen, der im ersten Hieb nur ein Stück Fleisch aus seinem Hals heraus hieb, worauf der anwesende Arzt - in Absprache? - die Aussetzung der Hinrichtung einforderte? Hatten sie nicht damit gerechnet, daß der Arzt von den umstehenden wütenden Soldaten grün und blau verprügelt werden würde und daß diese sich dann erst recht über den Verhaßten stürzen würden und ihn sprichtwörtlich "zermetzeln" würden (3)? Nicht immer läuft alles nach Plan. Zumal im Krieg. Zumal in einem solchen wie dem Dreißigjährigen. Dennoch blieben die Jesuiten nach seinem Tod die einzigen, die Rühmens- und Lobenswertes an seinem Leben fanden, wobei sie sich natürlich - nach außen - seinen allzu offenbaren "Fehltaten" gegenüber deutlich genug distanzierten. Sonst hätte ja auch Verdacht auf sie fallen können.
Die drei Geschwister Fahrensbach
Im Laufe unserer Arbeiten ist uns bewußt geworden, daß man vieles am Leben von Georg Wolmar Fahrensbach besser versteht, wenn man das Leben seiner beiden Geschwister mit in den Blick nimmt. Die Mutter der drei Geschwister ist schon 1598 gestorben, der Vater fiel vier Jahre später, 1602, ehrenvoll im Dienst des polnischen Königs stehend, im Krieg gegen die Schweden bei Fellin in Livland. Elternlose Kinder aus einer angesehenen protestantischen Familie. Ein "gefundenes Fressen" für eine Psychosekte wie den Jesuitenorden, der gerade in jenen Jahren etwa einen Herman Samson aus Riga nach Braunsberg zu entführen suchte. Die drei elternlosen Kinder waren jedenfalls:
- Georg Wolmar von Fahrensbach (1586-1633) (Wiki) - 1602 16 Jahre alt, erste Heirat 1610
- Johann VI. von Fahrensbach (gest. 1627) (Wiki) - erste Heirat vor 1612
- Magdalena von Fahrensbach (1595-1642) - 1602 sieben Jahre alt - erste Heirat 1625
Georg Wolmar von Fahrensbach war in erster Ehe 1610 bis 1619 mit Christina Chodkiewicz (gest. 1619), einer Frau aus hohem polnischen Adel, verheiratet. Um dieser Heirat willen hat er den katholischen Glauben angenommen. Möglicherweise waren aus dieser Ehe schon 1617 ein oder mehrere Kinder hervorgegangen. Das deutet sich jedenfalls in dem Brief seiner protestantisch gebliebenen Schwester Magdalena von Fahrensbach aus Warschau an ihren Bruder im Jahr 1617 an (siehe unten). Er möge doch auch an seine Erben denken bei dem was er tue, schreibt sie in diesem. Ob es aber nach 1619 noch überlebende Erben aus dieser Ehe gegeben hat, scheint einstweilen fraglich. (Die Quellenlage ist allerdings sehr unübersichtlich und man wird vermutlich über gute polnische, schwedische und ungarische Sprachkenntnisse verfügen müssen, um sie voll überblicken zu können - um nur die wichtigsten Sprachen zu nennen.)
Während Georg Wolmar von Fahrensbach ab Winter 1620 in Gefangenschaft bei den Osmanen in Konstantinopel saß, hatte er, nachdem seine erste Frau 1619 gestorben war und nachdem es womöglich auch Kinder aus dieser Ehe nicht gegeben hat oder sie früh gestorben waren, gegebenenfalls die Möglichkeit, zumindest nach außen hin so zu tun, als ob er sich nicht mehr so stark an seinen Übertritt zum katholischen Glauben gebunden fühlen würde.
Und er könnte aufgrund dieser Möglichkeit deshalb um so eher geeignet gewesen sein, den Hilfestellungen seiner protestantisch gebliebenen Schwester Magdalena von Fahrensbach Folge zu leisten und sich in diesem Sinne entweder nach außen oder wenigstens im Geheimen erneut als Protestant ausgegeben haben, der er ja bis 1610 gewesen ist. Jedenfalls könnte ihm das sehr geholfen haben dazu, daß er danach so schnell in die höchsten Zentren der protestantischen europäischen politischen Netzwerke jener Zeit übergewechselt ist, in denen sich zeitweise auch seine Schwester bewegte. (Der englische König und dessen Botschafter setzten sich für seine Freilassung ein, er stand danach zeitweise im Dienst des wichtigen protestantischen Grafen Thurn, des wichtigen calvinistischen, ungarischen Feldherrn Bethlen Gabor und arbeitete mit der Republik Venedig zusammen, die ein bedeutender Bündnispartner und Geldgeber für alle Unternehmungen gegen Habsburg war).
Blitzschnelles Wechseln von einem Lager in das andere
Aus solchen europaweiten Netzwerken heraus "blitzschnell" in katholisch-kaiserliche Kriegdienste tretend und sich in den diesbezüglichen Netzwerken zu bewegen, scheint für einen Georg Wolmar von Fahrensbach sein ganzes Leben lang kein großes Problem gewesen zu sein. Dieses blitzschnelle Wechseln von einem Lager in das andere scheint sozusagen Lebensluft für ihn gewesen zu sein, der "Modus" seines Lebens und Wirkens, sein Lebensprinzip. Wichtiger aber noch: Es scheint ihm dabei immer wieder gelungen zu sein, sich als vertrauenswürdiger oder doch zumindest nützlicher Mitarbeiter dem anderen Lager angedient zu haben.
"Zufälligerweise" kam Georg Wolmar von Fahrensbach dabei immer wieder in Täigkeitsfelder, die in Zusammenhang standen mit entscheidenderen "Abbiegungen" im größeren Geschichtsablauf. Wer so hohe Protektion genießt, der gewöhnt sich womöglich schnell daran, in der hohnvollsten Weise die abgefeimtesten Dinge zu tun.
Der katholische Feldherr Wallenstein meinte über Fahrensbach, sein größter Feind wäre sein großes Maul. Aber vermutlich hat er sein großes Maul sein Leben lang dazu benutzt, um zu bluffen. Um so lauter ich herum wettere, grob beleidige, drohe, schlage, morde und einschüchtere, um so mehr werden Kritiker mundtot gemacht, um so weniger unangenehme Fragen werden mir gestellt und um so eher verleite ich meine Umgebung zu Handlungen, aufgrund deren dann vielmehr diese Umgebung sich selbst ins Unrecht setzt, worauf dann wiederum gegen diese Umgebung Handhaben bestehen, um gegen diese um so schlimmer vorzugehen.
Um so tollkühner ich meine Loyalität unter Beweis stelle, um so weniger wird sie infrage gestellt. Das mögen so Lebensprinzipien des Georg Wolmar von Fahrensbach gewesen sein. Und sie mögen wichtig gewesen sein für jemanden, der zwischen den im Religionskrieg verfeindeten Mächten hin und herwechselte als würde er nur einmal sein Hemd wechseln. Mit
solchen Lebensprinzipien scheint er immer wieder erneut
durchgekommen zu sein. Allerdings nur bis zu jenem denkwürdigen 19. Mai 1633, als sein alter Freund und Kamerad Johann Graf von Aldringen (1588-1634) (Wiki), der viel mit ihm erlebt hatte, darauf bestand, daß die (absichtlich?) mißglückte Hinrichtung dennoch durchgeführt wurde. Ein Dreiviertel Jahr später war Aldringen auch führend in das Komplott zur Ermordung von Wallenstein involviert, weshalb mancher Historiker (3) Zusammenhänge zwischen dem Tod von Fahrensbach und Wallenstein glauben sehen zu können. Im Juli 1634 starb Aldringen selbst den Soldatentod.
Abb. 2: Jürgen von Fahrensbach (1551-1602), der Vater von Georg Wolmar von Fahrensbach (als Ersatz für ein Portät des Sohnes, das es nicht zu geben scheint) |
Hatten die Jesuiten 1633 ihre schützende Hand von ihm abgezogen?
Da die Jesuiten so viele Jahrzehnte ihre schützende Hand über Georg Wolmar von Fahrensbach und all seine Schandtaten gehalten haben, stellt sich eigentlich nur die Frage, warum sie das im Jahr 1633 - so zuverlässig - nicht mehr getan haben, warum sie sich nicht mehr beeilt haben, die Begnadigung des von ihnen berateten Kaisers in Wien rechtzeitig nach Regensburg zu schaffen. Ihre Bericht über seine Hinrichtung ist sehr detailliert. Womöglich war ihnen das wichtig (3).
Ein Jahr nach Fahrensbach sollte Wallenstein selbst ermordet werden, wobei alles daraufhin deutet, daß die Jesuiten auch hier keine schützende Hand mehr über einen Menschen gehalten hatten, der zuvor viel für ihre Ziele der Rekatholisierung Europas geleistet hatte.
Die
Lage hatte sich seit dem überraschenden und schnellen Siegeszug von
Gustav Adolf II. von Schweden nach Süddeutschland bis zum Ende des
Jahres 1631 von Grund auf gewandelt. Von Triumphierenden, die den ganzen
Ostseeraum rekatholisieren wollten, waren die katholischen Mächte mit
einem Schlag in die Ecke zurück gedrängt worden. Sie mögen gemerkt
haben, daß sie auf den alten Wegen und mit den bisherigen "Werkzeugen"
nicht mehr so gut weiter kamen, zumal manche unter ihnen nach dem Jahre langen Rekatholisierungskriegen Ermüdungserscheinungen zeigten. Wallenstein gehörte zu ihnen. Ob Fahrensbach auch, mag dahin stehen. Fahrensbach wäre aber - von Wallenstein oder anderen - für die Anbahnung von Friedensgesprächen immer ein sehr geeigneter Mann gewesen, da manche ahnten oder wußten, in welch gutem Verhhältnis er zum Schwedenkönig stand.
Wallenstein hatte unter der Hand Friedensverhandlungen mit den Schweden eingeleitet. Zu solchen waren - das war allgemein bekannt - Fahrensbach, der auf beiden Schultern Wasser trug, immer schon gut zu gebrauchen gewesen.
Es ist wichtig, sich in dem Zusammenhang klar zu machen, daß Gustav Adolf solchen Desparados wie Fahrensbach gegenüber grundsätzlich durchaus zurückhaltend war. Das war schon 1617 bei der "verzweifelten Unternehmung" in Dünamünde deutlich geworden. Hier hatte Gustav Adolf in die Zusammenarbeit mit dem Überläufer Fahrensbach nicht besonders viel investiert. Wenn diese Unternehmung glückte, war es gut, wenn nicht, war es nicht schlimm, war sein Motto dabei gewesen (1).
Aber im Laufe der Jahre mag er in dieser Hinsicht mehr Vertrauen in Fahrensbach gesetzt haben. Die kampflose Eroberung von Frankfurt/Oder insbesondere konnte den schwedischen Staatsmännern und Heerführern in dieser Hinsicht Vertrauen einflößen. Und sie mögen sich deshalb von Fahrensbach auch im weiteren zu größeren strategischen Fehlern haben verleiten lassen als der protestantischen Sache dienlich gewesen sein mag. Und zwar bei der Entscheidung "Gleich Regensburg oder erst Ingolstadt?", die sich sowohl 1632 wie 1633 stellte.
Gustav Adolf II. war im November 1632 überraschend in der Schlacht von Lützen ums Leben gekommen, wobei die Vermutung, daß er aus den eigenen Reihen heraus von gedungenen Mördern ermordet worden ist, bis heute nicht verstummt ist. Und so kann man sagen, daß es dem Jesuitenorden zu jenem Zeitpunkt womöglich auch einfach nur recht gewesen sein konnte, daß das "Personal" ganz allgemein ausgetauscht wurde, daß er mit einer "neuen Generation" weiter arbeiten wollte, daß - in seinem Sinne - "reiner Tisch" gemacht wurde - zum Zwecke der Kriegsverlängerung natürlich. Es waren ja erst 13 von 30 Jahren Rekatholisierungskrieg vorüber.
Agent provokateur
Fahrensbach war ein "Desperado", ein "Condottiere", mit dem man "auf gut Glück" eine Unternehmung versuchen konnte (wie Walleinstein sagte), bei der man aber, wenn sie scheiterte, kein weiteres Aufhebens zu machen durfte. Von jesuitischer Seite ist er mit ziemlich großer Sicherheit in diesem Sinne benutzt worden. Man konnte ihn als "agent provocateur" benutzen - so wie das ja noch bis heute vielfach getan wird - und sehen, wer sich wie durch sein ständig provozierendes, beleidigendes, herabsetzendes, einschüchterndes, drohendes Verhalten würde aufregen lassen und wer sich dazu würde verleiten lassen, sich selbst durch eigenes Handeln ins Unrecht zu setzen, so daß man neuerliche Handhaben hätte gegen solche Leute - auf der eigenen Seite wie bei den Gegnern. Es mag dieses Methodenrepertoire die ganze erste Phase des Dreißigjährigen Krieges von 1618 bis 1630 dominiert haben. Es ging hier immer darum, Vorwände zu Kriegen zu schaffen, im Zuge deren dann Rekatholisierungen erfolgen konnten.
Der baltische Historiker Ernst Seraphim
Der bisherige Wikipedia-Artikel über Georg Wolmar von Fahrensbach kann einem diese verwickelte Lebensgeschichte gar nicht wirklich verständlich machen. Den wohl tiefsten Blick in die Art des Fahrensbach zu leben und zu handeln, läßt sich durch die Darstellungen des baltischen Historikers Ernst Seraphim (1862-1945) (Wiki) werfen. Sie stammt aus der Zeit kurz vor 1900 (1). Ernst Seraphim ist dann im Ersten Weltkrieg wie viele Baltendeutsche nach Sibirien verschleppt worden. Er ist dann im Sommer 1945 in Königsberg zusammen mit seiner Ehefrau verhungert. Mehrere seiner Söhne sind ebenfalls Historiker geworden.
Erst durch seine ausführlichen Darstellungen bekommt man einen Begriff von dem Wesen dieses Georg Wolmar von Fahrensbach und in welchen überregionalen Zusammenhängen der Gegenreformation er sich bewegte. Denn weder die Zeitgenossen noch nicht einmal selbst als Nachbetrachtender kommt man so schnell mit bei diesem Spiel politischer Intrigen mit doppeltem Boden, bei diesen vielen Wechseln auf der Lebensbahn. Die Darstellung von Ernst Seraphim ist folgendermaßen gegliedert (1):
I. Jugend und polnische Dienstjahre (1586-1615) (S. 11-32)II. In Unterhandlung mit Gustav Adolf und als "Gubernator" Herzog Wilhelms von Kurland (S. 32-81)III. Doppelte Verräterei und der Konflikt mit Riga (S. 81-139)IV. In türkischer Gefangenschaft, im Getriebe des Dreißigjährigen Krieges und Ende (S. 139-150)
Der Schwerpunkt dieser Darstellung liegt klar auf den Geschehnissen in Livland und Kurland bis 1618. Sie können zwar seine Persönlichkeit schon zur Genüge kennzeichnen. Aber diese Geschnisse waren ja nur der Auftakt zu diesem Leben. Zu dem Rest seines Lebens gibt es keine damit vergleichbare, zusammenhängende, lückenlose Biographie (2-6). Es lassen sich aber vertreute Hinweise in vielfältiger Literatur zusammen tragen. Und das geschieht in den folgenden Beiträgen in einem ersten Schritt. Dabei dürfte noch sehr vieles übersehen worden sein an Hinweisen in der Literatur, insbesondere auch in aktuellere Forschungsliteratur, die - witzigerweise - weniger gut zugänglich ist als die Forschungsliteratur des 19. Jahrhunderts.
Der Vater: Jürgen von Fahrensbach (bis 1602)
Der deutsche Adel Kurlands, unter anderem die Familie von Fahrensbach, diente im polnisch-litauischen Heer in den Kriegen gegen den Zaren, gegen die Schweden und gegen die Türken. Allerdings war es schon in vorhergehenden Generationen grundsätzlich nichts gar zu Ungewöhnliches, wenn ein Söldnerführer in die Dienste des gegnerischen Landes überwechselte. So diente der namhafte livländische Feldherr Jürgen von Fahrensbach (polnisch Jerzy Farensbach) (1551-1602, gefallen bei Fellin) (Wiki), der Vater des Georg Wolmar von Fahrensbach, einige Jahre gleichzeitig dem polnischen König und dem Dänenkönig, bis der dänische König dieser Doppelstellung ein Ende machte. Vorher war er schon in russische Gefangenschaft geraten und hatte einige Jahre Kriegsdienste für den Zaren gegen die Tataren geleistet. 1577 hatte er dann die Verteidigung Danzigs im Interesse des dänischen Königs gegen den polnischen König Stephan Báthory geleitet. Ihm wird ein ehrendes Gedächtnis in der Geschichte Livlands gewahrt.
Die Stammgüter der Familie Fahrensbach lagen im nördlichen Livland, auf dem Hof Heimar in Merjama, wo der Vater Fahrensbach auch geboren worden war. Indem der Vater eine in Kurland begüterte ältere Witwe geheiratet hatte, Sophia von Fiercks (auch Firks oder Fircks oder Firx) (1542-1598) (Geni), waren große Besitzungen in Kurland hinzu gekommen. Dazu gehörte Neuenburg, wo Georg Woldemar 1586 geboren wurde.
Mit ihrem vorhergehenden Ehemann Matthias von der Recke zu Neuenburg (gest. 1580) (Wiki), hatte sie schon zuvor vier Kinder gehabt, die Halbgeschwister der drei Kinder waren, die sie mit Jürgen Fahrensbach haben sollte. Ein Bruder von Sophia von Firks war 1617 Kanzler des Herzogs von Kurland, der also Onkel von Georg Wolmar von Fahrensbach war, und dem sich die Haare sträubten bei dem, was er von seinem Neffen zu hören bekam und mit ihm erlebte (er schrieb darüber 1617 an die Georg Wolmar's Schwester Magdalena in Warschau, siehe unten). 1584 erwarb Jürgen von Fahrensbach das Schloß Karkus, wo seine Frau dann 1598 starb. Sein Sohn nannte sich später mitunter "Graf Karkus", was für die Suche weiterer Hinweise zu Quellen und Lebenstationen dieses Georg Wolmar von Fahrensbach von Bedeutung ist.
Karkus war im Spätmittelalter, in Ordenszeiten eine Nebenburg der weiter nördlich gelegenen Ordensburg Fellin (Wiki), in die der Ordensmeister Wolthus von Herse 1470 von Riga aus seine Residenz verlegte. In der Schlacht von Fellin sollte Jürgen von Fahrensbach 1602 denn auch in aufopferungsvollem Dienst für den polnischen König fallen. Im wechselhaften Schicksal auch der Ordensburg Karkus spiegelt sich das Schicksal Livlands in jener Zeit wieder. Sie ... (Wiki)
... fiel 1560 an Rußland, 1561 an Polen, 1563 an Schweden und 1574 wieder an Rußland, das die Burg an Herzog Magnus von Dänemark übergab. Im Jahr 1584 gab der polnische König Stefan Bathory die Burg Karkus an Jürgen von Fahrensbach. 1601, während des Polnisch-Schwedischen Kriegs, eroberten schwedische Truppen unter Herzog Karl von Södermanland die Burg, die während des weiteren Kriegsverlaufs in Besitz der Schweden blieb. (...) Die Burg war 1633 jedenfalls noch in verteidigungsfähigem Zustand, wie aus einem Schreiben Axel Oxenstiernas (des schwedischen Kanzlers) hervorgeht. Endgültig zerstört wurde Burg Karkus 1708 im Großen Nordischen Krieg.
Da diese Burg schon 1601 in schwedischen Besitz überging, gab es schon über diese Burg und ihre Besitzverhältnisse Anknüpfungspunkte zum schwedischen König. Auch dieser Umstand muß für das gesamte Leben des Georg Wolmar von Fahrensbach in Erinnerung behalten werden. Nicht zuletzt deshalb nannte er sich oft "Graf Karkus". Er betonte damit seine Nähe zum schwedischen König und seine Ansprüche auf diese Burg. Mit sechs Jahren wurde er zusammen mit zwei Lehrern auf die Schule nach Dorpat geschickt. Und hier schreibt nun unser livländischer Historiker Seraphim (Seraphim, S. 20):
Es spricht für Jürgen Farenbachs streng evangelische Gesinnung, daß er den Sohn in die lutherische Schule zu Dorpat gab, obwohl ihm der Präzeptor schrieb, unter der erdrückenden Konkurrenz der Jesuitenschule könne sich jene nur schwer behaupten, sie sei schlechter als die rigasche.
Interessanterweise
entsteht in Darstellungen zur Geschichte der Jesuiten im Baltikum jenes
Jahrhunderts aus dem 20. Jahrhundert keineswegs der Eindruck, als
hätten sie damals eine "erdrückende Konkurrenz" dargestellt gegenüber
lutherischen Schulen.
Abb. 4: Selbst die Ruine der einstigen deutschen Ordensburg Karkus (Karski) im Süden von Estland (Wiki) sind noch eindrucksvoll. Auf ihnen finden Freilicht-Veranstaltungen statt. Die Burg ist seit 1708 zerstört - Fotograf: Modris Putns |
Man gewinnt den Eindruck, daß diese Darstellungen - zum Beispiel des "verdienten" Historikers Vello Helk (1923-2014) - reine Augenwischerei sind. Denn sie werden ja gar nicht in den großen Zusammenhang gestellt des Wirkens des Jesuitenordens für die Gegenreformation. So lesen wir (Velk 1967):
Die Dorpater Jesuiten standen unter dem besonderen Schutz des Königs. Sie pochten auf ihre Privilegien und waren von vornherein bestrebt, ihre bevorrechtete Stellung zu behaupten. Mit den deutschen Bürgern der Stadt kam es zu häufigen Zwischenfällen; mit Bedauern stellen die Jesuiten in ihren Berichten fest, daß ihnen bei der deutschen Stadtbevölkerung der Erfolg versagt blieb, nur wenige Deutsche schlössen sich ihnen an.
Da hört man keineswegs etwas von "erdrückender Konkurrenz"! Das sind schon auffallend unterschiedliche Sichtweisen auf exakt dasselbe Geschehen. Auch die lutherische Schule in Riga litt ja - wie wir schon aus der Biographie von Hermann Samson wissen - schwer unter der Konkurrenz der dortigen Jesuitenschule, so daß sich Hermann Samson veranlaßt sah, sich selbst als Griechisch- und Lateinlehrer für die lutherische Schule zur Verfügung zu stellen. Von Georg Wolmar von Fahrensbach wird aber von verschiedenen Quellen späterer Jahre berichtet, daß er eine gute Schulbildung genossen haben muß und mehrere Sprachen sprach.
Uns stellt sich hier die Frage: Hatte er womöglich im Geheimen in diesen jungen, prägenden Jahren dennoch die Jesuitenschule besucht? Wodurch der spätere, so leicht vollzogene Übertritt zum Katholizismus womöglich viel leichter zu erklären wäre? Womöglich erfolgte dies ohne Wissen seines Vaters, der jedoch außerdem durch die Schenkung der Ordensburg Karkus durch den Jesuitenschüler Stephan Bathory "irgendwie" womöglich sich auch den Jesuiten zu Dank verpflichtet gefühlt hatte - ? Das sind alles vorerst nur Fragen und Arbeitshypothesen. Sie drängen sich auf, wenn man die "Dichte" des jesuitischen Handelns von Georg Wolmar von Fahrensbach bis an sein Lebensende auf sich wirken läßt.
Abb. 5: Ordensburg Karkus in Estland (estnisch Karski) (Wiki) - Fotograf: Andrus Uuetalu |
Immerhin wissen wir, daß der Jesuitenorden damals (und sicherlich nicht nur damals) junge, begabte Menschen "kidnappte" und zwangsweise in seinen Orden aufnahm wie am Beispiel Hermann Samson aus Riga schon sichtbar geworden war, der einem solchen Entführungsversuch noch entlaufen konnte und nicht zuletzt durch ihn zum glühenden Hasser des Jesuitenordens geworden ist.
Das ganze aufrührerische, in hohem Grade freche und empörende, zugleich unerschrockende und einschüchternde Verhalten des Georg Wolmar von Fahrensbach sein ganzes Leben hindurch gegenüber "hoch und niedrig", sein ganzes "desperadohaftes" Verhalten, das Verhalten eines Menschen, der immer wieder alles auf eine Karte setzt, könnte jedenfalls sehr gut dazu passen.
1602 - Der Tod des Vaters
Aber hören wir weiter (Seraphim, S. 20):
Im März 1600 waren die Söhne mit dem Vater zusammen in Warschau, wo sich Wolmar in einem Stammbuch schon als Kapitaneus einzeichnete.
Wolmar und sein Bruder wurden von ihrem Vater dann auch mit in das Feldlager genommen. Dort umstanden sie - noch als Heranwachsende - inmitten ihres Heimatlandes das Sterbelager ihres 1602 in der Schlacht bei Fellin tödlich verwundeten Vaters. Wolmar war nun 16 Jahre alt. Alle drei Geschwister, er ebenso wie sein Bruder Johannes und seine Schwester Magdalenam waren nun vaterlos und elternlos. Sein Vater verwies seine Kinder in einem Abschiedsbrief an die schützende Hand seines - von Jesuiten wie Peter Skarga beratenen - Königs in Warschau (Seraphim, S. 21):
In einem Brief an den König erinnerte er ihn an die Dienste, die er ihm gelesitet, an das Blut, das er für Polen dahingebe und empfahl ihm seine Kinder, "die gleich Schiffbrüchigen allein in der Welt stünden". Seine Tochter bat er, unter die Hoffräulein der Prinzessin Anna von Schweden aufzunehmen, seine beiden Söhne legte er noch besonders Zamoiski, dem Feldherrn Zolkiewski und dem Kastellan von Belz, dem Grafen von Ostrorog, ans Herz.
Außer der hier genannte Prinzessin Anna waren das vermutlich alles Katholiken, denen der sterbende Vater seine Söhne ans Herz legte. Die Prinzessin Anna jedoch war die einzige Schwester des polnischen Königs, die zwar ebenso katholisch erzogen worden war wie ihr Bruder. Sie hatte aber einen sehr selbstständigen Sinn und hatte sich noch in Schweden als 17-Jährige dazu entschieden, Protestantin zu werden. Als solche begleitete sie ihren Bruder nach Warschau, wo sie inmitten von Anfeindungen ihre Ansichten aufrecht erhielt. An diese also verwies der sterbende Vater seine Tochter Magdalena von Fahrensbach (1595-1642), die damals erst sieben Jahre alt war, und die vermutlich seit dieser Zeit am Hof der Prinzessin Anna aufgewachsen ist und deshalb durch diese sehr stark mitgeprägt worden sein dürfte.
Als der Prinzessin 1605 von ihrem Bruder als Lebensort die Starostei Strasburg in Westpreußen angewiesen worden ist, begleitete Magdalena sie also vermutlich dorthin. Zeitweise weilte sie aber auch in Warschau, 1617 zum Beispiel. 1625 fand dann die Hochzeit der Magdalena mit einem pommerschen Grafen in eben diesem Strasburg statt (siehe unten), nachdem sie 1624 noch Hofdienste bei der bedeutenden Protestantnin Elisabeth Stuart in Den Haag in den Niederlanden geleistet hatte, die zeitweise in Berlin weilte, und die dort der Schwester des Kurfürsten von Brandenburg gut zuriet, die von diesen eingeleitete Ehe mit dem calvinistischen ungarischen König Bethlen Gabor einzugehen, in dessen Dienste hinwiederum Georg Wolmar von Fahrensbach getreten war. Womöglich war Fahrensbach selbst 1625 auf der Hochzeit in Strasburg, dieser Möglichkeit wäre noch einmal nachzugehen. Immerhin sollte er wenig später die jüngste Schwester des Ehemannes seiner eigenen Schwester heiraten (siehe unten), die er während dieser Hochzeit kennen gelernt haben könnte.
Sein Bruder Johann VI. von Fahrensbach (gest. 1627) (Wiki) stand - wie größtenteils auch beider Vater - zum polnischen König. Er ... (Wiki)
.... diente 1621 unter Chodkiewicz an der Moldau mit zwei Schwadronen wider die Türken und half am 2. September den Sieg zu erfechten, der den Sultan Osman um seinen Thron brachte.
Dieser Sieg war schwer erkauft, nämlich mit dem zeitgleichen Verlust Rigas im Norden an Gustav Adolf II. von Schweden.
Riga "bei den Haaren kriegen"
Das Leben von Georg Wolmar von Fahrensbach hatte - wie das seines Bruders - zunächst auf den angesehenen Bahnen seines Vaters begonnen. Es war geprägt von soldatischer Energie, von Draufgängertum, verwegener Tapferkeit und Umtriebigkeit, genau das, was in diesen Zeiten der Vorwehen des Dreißigjährigen Krieges besonders scheint gebraucht worden zu sein. In Bezug auf die damalige, soldatische Rüpelhaftigkeit scheint er aber sehr bald und sehr deutlich seinen Vater übertroffen zu haben.
Während seine soldatischen Verdienste ihm die Dankbarkeit des polnischen Königs und einflußreicher Magnaten-Familien, sowie einen schnellen Aufstieg in der militärischen und administrativen Hierarchie bescherten, hat er die Riga'er Bürgerschaft schon sehr früh sehr gründlich vor den Kopf gestoßen (1). Immer und immer wieder wurden Gesandtschaften von Riga an den Königshof und an den Sejim nach Warschau gesandt mit Beschwerden über Fahrensbach. Langmütig ermahnte der König Fahrensbach immer wieder, ohne etwas Durchgreifendes zu unternehmen.
Seine Soldaten waren zuchtlos, warfen im Suff den Riga'er Bürgern die Fenster und Türen ein, verprügelten die Stadtwache von Riga. Fahrensbach selbst machte Schulden bei Riga'er Bürgern. Wenn diese Bürger dann kamen, um die Schulden einzutreiben, verprügelte Fahrensbach sie, setzte sie gefangen, fügte ihnen schwere körperliche Verletzungen zu, benahm sich also wie die sprichwörtliche "Axt im Walde". Riga'er Bürger wagten kaum noch in gerichtlichen Verfahren gegen ihn auszusagen, da sie seine Rache fürchteten, die, wie viele erfahren hatten, in vielen Jahren immer wieder straflos ausgegangen war für Fahrensbach (1).
Der polnische König wollte Riga "bei den Haaren" kriegen (wie Fahrensbach einem Zeugen gegenüber aussprach) und die Hauptaufgabe Fahrensbachs scheint es offenbar über Jahre hinweg gewesen zu sein, die Bürger der Stadt Riga so zu provozieren, daß damit Vorwände geschwaffen worden waren, um Riga "bei den Haaren" kriegen zu können.
1608 - Dienst unter dem Jesuitenschüler Chodkiewicz
Zurück in das Jahr 1608. Georg Wolmar von Fahrensbach und sein Bruder dienten ab 1608 unter den Fahnen des legendären polnischen Feldherrn Jan Karol Chodkiewicz (1560-1621) (Wiki, engl, pol). Und wer fragt noch - auch er war ein Jesuitenschüler: Er wurde in den Jahren zwischen 1583 und 1586 an der von den Jesuiten geleiteten Akademie in Wilna ausgebildet. In den Jahren 1586 bis 1589 studierte er zusammen mit seinem Bruder Alexander Philosophie und Jura an der Jesuitenakademie in Ingolstadt.
Chodkiewicz war also tief geprägt vom Jesuitenorden. Und dieser legendäre Feldherr war der ganze Stolz dieses Ordens, mit dem er natürlich auch junge, ungeformte Gemüter beeinflussen konnte.
Er setzte sich auch sonst sehr stark für die Jesuiten ein: In Kroże in Litauen (Wiki) gründete er 1620 die Kirche Mariä Himmelfahrt und das Jesuitenkolleg (Wiki), sowie die Jesuitenkirche St. Michael. In Szkuda gründete er die Kirche St. Trinity und eine Schule für Jesuiten.
1609 erschienen "Trauergedichte" auf Jürgen von Fahrensbach von Seiten des Syndikus der Stadt Riga David Hilchen (1551-1610) (Wiki). Hilchen hatte den ersten Buchdrucker nach Riga geholt wie in der Geschichte der Stadt Riga hervorgehoben wird (Viiding/Klöker 2021, S. 219):
Die Druckschrift enthält (...) einen Trostbrief für Fahrenbachs Söhne Wolmar und Johannes, eine längere Lebensbeschreibung des Verstorbenen (...), schließlich zwei Briefe von Fahrensbach und zwei Trauergedichte von Zamoyski, das Grabgedicht von Hilchen. (...) Der Trostbrief ist auf den 1. Januar 1609 datiert; zu diesem Zeitpunkt waren die beiden Söhne Fahrensbachs volljährig geworden, und Wolmar bereitete seine Ehe mit Krzystyna Maria, der Tochter des Kastellans Hieronymus Chodkiewicz, im Jahr 1610 vor.
Sein Schwiegervater war also der Kastellan von Wilna Hieronymus Chodkiewicz (1565-1617) (Wiki-rus, lit, poln). Auf dem polnischen Wikipedia finden wir in ihm wiederum einen Förderer der Jesuiten:
Hieronymus war der Wohltäter des Bernhardinerordens in Wilna und der Jesuiten in Brest-Litowsk.
Heil ihm. Nur auf dem russischen Wikipedia ist bislang seine jüngste Tochter verzeichnet:
Christina Chodkiewicz, Gemahlin des Kastellans ... Wolmar Farensbach (1586-1633).
So finden wir es auch an anderer Stelle angegeben (A. v. Foelckersahm-Warwen in Jahrbuch für Genealogie, 1894, S. 189) (GB):
Wolmar Fahrensbach hatte Elzbieta (Elisabeth) Chodkiewicz zur Gemahlin, eine Schwester von Alexander Ch., Wojewoden von Trock, und Jan Karol Ch., Wojewoden von Wilna.
Die hier genannten Namen der Brüder stimmen nicht ganz mit dem russischen Wikipedia überein - sei es drum. Christina Chodkiewicz ist offenbar schon im Jahr 1619 gestorben (Wiki).
Hier wird auch über das Schicksal der Schwester von Georg Wolmar von Fahrensbach berichtet (A. v. Foelckersahm-Warwen in Jahrbuch für Genealogie, 1894, S. 189) (GB):
Magdalena v. Farensbach war mit Ludwig Christoph Grav von Eberstein, Herrn zu Neugarten und Massor in Pommern (geb. 1595, gest. als Letzter seines Geschlechts 1663) vermählt gewesen, welcher Ehe nur eine Tochter, Hedwig Eleonore, entstammte, die sich mit dem Grafen Joh. Ernst v. Wied (gest. 1664) vermählte.
Zu Magdalena von Fahrensbach (1595-1642) hören wir außerdem noch (Seraphim 1893, S. 20):
Die Tochter Magdalene blieb lange Zeit in Warschau unvermählt. 1613 sprach man von einer Verlobung mit Otto von Medem.
Dieser war bei einem Streit im Gesicht übel zugerichtet worden, so daß er offenbar für eine Heirat nicht mehr infrage kam.
Abb. 7: Der Schwiegervater von Wolmar von Fahrensbach, der Kastellan von Wilna Hieronymus Chodkiewicz (1565-1617) |
Von ihren späteren Schicksalen weiß Ernst Seraphim 1893 nichts, was darauf aufmerksam macht, wie wenig damals die Biographie Georg Wolmar von Fahrensbachs in ihrem Zusammenhang aufgearbeitet war. Und dieses Desiderat besteht bis heute fort. Mit unseren Beiträgen beginnen wir also, eine Forschungslücke zu schließen.
1608 - Kommandant der Burg Riga, Generalgouverneur von Livland
Der Bewegungsraum der ersten zwanzig Lebensjahre von Georg Wolmar von Fahrensbach mag auf einer Karte nachvollzogen werden (Abb. 3) (GMaps). Wir hören (Wiki):
Zum Zeitpunkt des Todes seines Vaters 1602 diente er bereits für einige Zeit als polnischer Offizier und schon 1607 war er Hauptmann zu Wolmar. 1608 wurde er Kommandant der Burg Riga.
Im Jahr 1609 war er verdienstvoll beteiligt daran, daß Dünamünde, das bis dahin von den Schweden besetzt gehalten worden war, für den polnischen König zurück erobert worden ist. Die Schweden durften ehrenvoll auf ihren Schiffen abziehen.
1610 - Schwager des Jesuitenschülers Chodkiewicz
Ernst Seraphim berichtet über Georg Wolmar von Fahrensbach (Seraphim 1893, S. 23):
Im Jahre 1610 heiratete er (...) eine Dame der höchsten polnischen Aristokratie, so daß er durch die Ehe mit dem Geschlecht der Chodkiewicz in engste Beziehungen trat und jener ihn von nun an in seinen Briefen "Schwager" nannte.
Mit "jener" ist der genannte Feldherr genannt, unter dem die beiden Brüder gedient hatten. Und weiter erfahren wir über Georg Wolmar von Fahrensbach (Serap. 1893, S. 24):
Im Jahre 1611 (...) ernannte ihn der König zum Glied einer Kommisssion, welche einen seit Jahren dauernden Streit zwischen Herzog Wilhelm von Kurland und einem seiner Edelleute, Magnus Nolde, schlichten sollte.
1610 - Fahrensbach wird katholisch
1610 tat Georg Wolmar von Fahrensbach einen entscheidenden Schritt: Er wurde katholisch (Wiki):
Durch seine Einheirat in die mächtige Familie Chodkiewicz im Jahre 1610 trat er auch zum Katholizismus über. Eventuell war er bereits 1611 Gouverneur, sicher im Januar 1612 Statthalter und Kriegsoberster in Livland. 1613 gehörten ihm Schloß und Gut Tarwast, sowie Karkus aus väterlichem Erbe. Er nahm an der Belagerung Pleskaus im Jahre 1615 teil.Noch 1616 wird er als polnischer Gouverneur von Livland genannt. Selben Jahres nahm er Pernau für die Schweden. Er trat in den Dienst Herzog Wilhelms von Kurland. Am 1. April 1617 war er dessen Stellvertreter und Gouverneur in Kurland.
Fahrensbach hatte geheime Unterhandlungen mit Gustav Adolf II. aufgenommen, um ihm Dünamünde auszuliefern und das Herzogtum Kurland Wilhlems ebenfalls.
Conrad von Bolanden plaudert aus dem Nähkästchen
Über die Rolle, die Fahrensbach in seinem Leben eigentlich spielte, wird schon lange viel gemunkelt, also über den gemeinsamen Nenner, auf den alle seine vielfältigen Taten zusammen münden. Der zu seiner Zeit "gefeiertste Schriftsteller der katholischen Welt", Conrad von Bolanden, dessen Romane "einen dezidiert katholischen Standpunkt vertraten" wie es auf Wikipedia heißt, war eigentlich ein katholischer Priester namens Joseph Eduard Konrad Bischoff (1828-1920) (Wiki). Dieser veröffentlichte 1867 einen historischen Roman über Gustav Adolf, oft in Anmerkungen auf die Darstellung des Historikers Klopp Bezug nehmend, in dem er recht fröhlich und unumwunden die Worte formulierte (Bolanden, Bd. 2, 1867, S. 188) (GB):
Der Polenkönig Sigismund (...) gab Fahrensbach den Auftrag, sich mit Gustav Adolf so zu stellen, als wolle er ihm einige Städte in die Hand spielen. Der Offizier vollzog den Auftrag so meisterhaft, daß Gustav Adolf das Spitzbubengeschick des Livländers bewunderte. Er zog den brauchbaren Menschen in seine Dienste. Den Gewonnen schickte er mit bedeutenden Summen nach Dänemark und Holland zur Werbung. Fahrensbach schob das anvertraute Geld in seine Tasche, verließ den Schweden und ging zu Wallenstein. Dennoch blieb er in Verbindung mit Gustav Adolf. Er verriet den neuen Herrn an den alten, und Wasa (der Schwedenkönig) verzieh dem Diebe um des Verräters willen.
Das, was Bolanden hier so frei fröhlich formuilert, ist genau das, was Fahrensbach bis an sein Lebensende getan hat, nämlich sich
"so zu stellen, als wolle er ihm einige Städte in die Hand spielen".
1616/17 ging es um Dünamünde und damit letztlich um Riga, sowie um Kurland, 1631 ging es um Frankfurt an der Oder, 1632 und 1633 ging es um Ingolstadt. Immer war es das gleiche Spiel, sich
"so zu stellen, als wolle er ihm einige Städte in die Hand spielen".
Auf jeden Fall wird deutlich, um welches Doppelspiel es hier ging, wie hoch hier gepokert wurde. "Stellte" sich Fahrensbach jeweils nur so, oder wollte er es wirklich? Wer will das so genau wissen? Wer kann sich dessen sicher sein? Vielleicht hat er bei kleineren Brocken die Städte noch ganz gerne in die Hand der Protestanten gespielt, um so auf der Seite von Gustav Adolf um so größeren Vertrauen zu besitzen für Fälle, wo er sich wirklich nur so stellen wollte (und sollte, nämlich im Auftrag der Jesuiten). Und zwar in Ingolstadt sowohl 1632 wie 1633, um die gegnerischen Heere vom direkten Zug auf Regensburg abzulenken.
Was uns an diesen Worten von Bolanden im Jahr 1867 erstaunt, ist das Unumwundene, mit dem hier Intrigen glattweg unterstellt werden, während sich zeitgleiche und nachlebende protestantische Historiker noch viele Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte später schwer taten und tun, ein solches doppelbödiges oder vielbödiges Intrigenspiel wirklich durchgehend als gegeben zu unterstellen. Zu schwer wollte und will ihnen so viel Hintertriebenheit eingehen. Für Bolanden ist Fahrensbach ab seinem Übertritt zum Schwedenkönig ein Verräter an der katholischen Sache, der es auch dann, als er zu ihr zurückkehrte nicht mehr ernst mit ihr gemeint habe. Daß es sich damit wirklich so verhalten habe, dafür befindet sich Fahrensbach doch an seinem Lebensende ein wenig zu einmütig in der Begleitung seiner Beichtväter: der Jesuiten.
1616 - "Unter dem Einfluß jesuitischer Ränke"
Die Rolle, die Georg Wolmar von Fahrensbach bei der Adelsopposition gegen den Herzog Wilhelm von Kurland gespielt hat, scheint nicht ganz klar zu sein. Es gibt auch Vermutungen, daß er selbst den Mord an den Brüdern Nolde in Auftrag gegeben hat. Seit dem Frühjahr 1616 stand er im Geheimen in Verbindung mit dem schwedischen König und hatte ihm die Auslieferung von Dünamünde, sowie der Seehäfen Kurlands an Schweden angeboten (Seraphim, S. 39ff). Die Verhandlungen zogen sich das ganze Jahr 1616 hin. Gerade zu der Frage, wie Fahrensbach immer wieder das Vertrauen der schwedischen politischen und militärischen Führer gewinnen konnte, können wir in unseren Beiträgen noch nichts wirklich Substanzielles sagen. In einer englischsprachigen Untersuchung wird die Haltung des schwedischen Kanzlers Oxenstjerna gegenüber Fahrensbach folgendermaßen charakterisiert (Alexander Valdonis Berkis: The History of the Duchy of Courland (1561-1795), 1969, S. 33) (GB):
Axel Oxenstjerna, der schwedische Kanzler konnte nicht anders über Fahrensbach denken als daß er ihn einschätzte als eine Person von wenig Bedacht und Überlegung, von Schulden überhäuft, der von seinem Vater eine Tradition des Verrates gegenüber seinen Verbündeten geerbt habe. Es war eine Frage ernsthafter Überlegung, ob Schweden seine Ressourcen auf so ungesunde Grundlagen stellen sollte.Axel Oxenstierna, the Swedish Chancellor, could not help reflecting that Farensbach was a person of little consideration, encumbered by debts, who had inherited from his father a tradition of treachery to allies. It was a matter for serious consideration whather Sweden should venture her resources upon so unsound a foundation.
Wohl wahr. Aber Schweden und Gustav Adolf selbst scheinen genau das ja immer wieder getan zu haben! Die wörtliche Charakterisierung Fahrensbachs im Jahr 1616 durch den schwedischen Kanzler Oxenstjerna ist leider in zu altertümlichem Schwedisch als daß wir sie rundweg ins Deutsche übersetzen könnten:
Wie auch immer. Am Ende des Jahres 1618 schrieb Gustav Adolf II. selbst an den Herzog Wilhem von Kurland und bot ihm seine Unterstützung gegen den König von Polen an. Der vertraute Rat des schwedischen Königs, zugleich sein Unterhändler in dieser Sache, Adam Schrapffer, faßte die Lage in Kurland in sehr deutliche Worte (1896, S. 56):Ein kleiner, privater, am Geld orientierter (?) Kerl, der auf eigene Kasse wirtschaftete (?), nicht im Namen eines Staates, auf eigenen Ruf statt auf den einer Behörde (?) .... Rat oder Tat etwas nach dem früheren Livland oder an die polnische Krone.En slett, privat, geldhbundhen karl, aff inge egne medell, aff ingen stat, aff inted anseendhe heller myndigheett, den där anten med rådh heller dådh någott förmå i Lijfflandh sedhan i Polneske chronan.
Auch er weist auf den "intent" des Polenkönigs und des ganzen papistischen Haufens hin, den Herzog und dessen Erben als Vertreter der reinen Lehre wie als Herren deutschen Geblüts auszutilgen.
Er würde deshalb nicht zweifeln, daß der Herzog von Kurland die Vorschläge des schwedischen Königs "in höchster Dankbarkeit akzeptieren" werde (1896, S. 56), ...
... die dann nirgends anders dann zur Erhaltung Eurer Fürstlichen Durchlaucht Fürstlicher Autorität zu Schutz dero Landen und Untertanen und Hintertreibung der Päpstlichen und ihnen aufdringenden Jochs ganz gütlich gemeinet.
Diese Unterhandlungen Fahrensbachs mit dem Schwedenkönig, von denen höchstwahrscheinlich im vorhinein mit dem jesuitisch beratenen polnischen König vereinbar gewesen war, daß sie zum Schein geführt werden sollten, um "Mitschuldige" zu schaffen, scheinen den Wihelm von Kurland schließlich veranlaßt zu haben, sich auf diese Sache einzulassen.
Am 1. April 1617 verließ Wilhelm von Kurland in Hoffnungen auf solche Unterstützung sein Land und übergab es Fahrensbach als "Gubernator", wobei er ihm eine genaue Instruktion hinterlassen hat (Serpahim, S. 58). Am 20. April bestieg er in Windau ein Schiff nach Pommern - und hat sein Land nie wieder gesehen. Die Untergebenen Wilhelms hätten das Land lieber in den Händen des Bruders von Wilhelm gesehen. Denn Fahrensbach tauschte nun viele verdiente Landesbeamte aus, Wilhelm de la Barre wurde Gubernator im Seehafen Windau (Seraphim, S. 60), also mit der ausgesprochenen oder unausgesprochenen Aufgabe, diesen gegebenenfalls gegenüber den Schweden zu verteidigen - oder je nach dem - zu übergeben (ähnlich wie Dünamünde, wo Fahrensbach auch mal so, mal so handelte). Jedenfalls (S. 210):
Bevor der Herzog Wilhelm Kurland verließ, übergab er die Regierung seines Landes dem Woldemar Fahrensbach, Königl. polnischen Statthalter und Kriegs-Obersten in Livland.
Am 22. Mai 1617 knüpfte Wilhelm von Kurland dann persönlich Verbindungen mit Schweden an (Seraphim, S. 70).
Juni 1617 - Fahrensbach wechselt die Seiten
Am 11. Juni 1617 wurde wahr, was seit über einem Jahr im Geheimen vorbereitet worden war. Fahrensbach übergab Dünamünde an die Schweden (S. 211):
Bald nachdem Herzog Wilhelm Kurland verlassen, trat Fahrensbach mit den Schweden in Verbindung, übergab ihnen Goldingen, lieferte ihnen Dünamünde (den 10. Juni 1617) "zu Handen", schrieb an Riga, d. 24. Juli, "daß er sich an fremde Potentaten geschlagen und der Stadt Schanze eingenommen".Aber schon im Oktober 1617 ward aus Danzig berichtet: Der Adel in Kurland solle sich der Ämter bemächtigt und solche unter einander ausgeteilet haben. Fahrensbach - der sich bereits wieder für Polen erklärt - solle äußern, diese Intrige ("Praktik") sei bereits etliche Jahre lang eingeleitet, nur der König (Sigismund), er und ein Jesuit habe um diesselbe gewußt. Er trat alle Güter des Herzogs Wilhelm bis auf Auzenburg, Saten und Schwarden, die er für sich behielt, an den polnischen Feldherrn Christoff Radzivil ab.
Welcher Jesuit sollte das in Warschau wohl gewesen sein, wenn nicht Peter Skarga. Oder zumindest noch schlimmere Leute seines Schlages. Den calvinistischen Feldherr Radzivil jedenfalls hatte man ebenfalls nicht in diese Pläne eingeweiht. Man darf vermuten, daß diese Pläne zurückgehen auf die Zeit der Einheirat Fahrensbachs in die mächtige Familie Chodkiewicz 1610, als er zugleich auch zusammen mit seinem Bruder (und seiner unverheirateten Schwester in Warschau?) zum Katholizismus übergetreten ist. Vielleicht waren diese Pläne die Gegenleistung, die er für diese Heirat zu erbringen hatte und die er dementsprechend auch zu erbringen gewillt war. Wir hören weiter (Seraphim, S. 132):
Wir wissen, daß der Lohn von Farensbachs Verräterei gegen Herzog Wilhelm die durch königliche Schenkung erlangten Güter Autz und Sathen gewesen waren. Autz, früher ein von Herzog Wilhelm oft benutztes festes Schloß, war dann Farensbachs Wohnsitz in den letzten Jahren gewesen.
Ein Vertrauter des außer Landes flüchtigen Herzogs Wilhelm von Kurland, der im Lande verblieben war, war der Lübecker Kaufmann und herzoglich kurländischer Rentmeister Anton Weymar († vor 1629) (Wiki). Sein Bericht vom 26. Juli 1617 an Herzog Wilhelm macht sehr gut deutlich, wie es damals im westlichen Kurland unter der Herrschaft von Fahrensbach zuging (zit. n. Seraphim, 1892, S. 41):
"Nun kumpt der Fahrensbach und brauchet seine Tücke und Praktiken, gibt vor, ich habe mit dem Schweden paktiert, will mich also lassen gefanglich nehmen und in Vorhaft setzen und dem Konnich von Pole senden. Ich habe vermeinet, wenn E. f. G. außerhalb Landes vorreiset, er sollte mich und andere E. f. G. Diener schützen, so ist er derjenige, der selben, welche E. f. G. ingesetzet, abschaffet, als erßlich den Stuver hadt er abgesetzet und den Labor (de la Barre) in seine Stelle, den Hopman zu Golding Godthart Wrag (?) will er ock absetzen, Hanß Leutenant imgeliken, er will ok einen Capitain, ist ein frembder, mit dem Zusamen Fisker (Lorenz Fischer), annehmen in Capitain Herinch seine Stelle. Soll alle Monat 100 flo. Besoldungen nebst 4 Person und ein freije Disch. Summa alle Sachen will er vorendern, wan ich es nicht mit Gewalt, weile ich in der gute nichts by ihnen vorrichten kann, gewehret; weile er aber erspüret, daß ich ihm alles nicht gestatten will nach seinem Willen zu vollbringen, nun fanget er an mir zu verfolgen, will mich mit Slegen hanteren wy de jungens, er will mich lassen gefanglich setzen und dem K. von Pole zu senden - - - se sagen außträglich Spanndko und mir wöllten se den Hals entzwei slan oder ihre Pest thun; daß se nur konnen lebendig gefangen kregen, so schol uns mehr Marter angelegt werden als den Franzosen zur Marienborch immer gescheen." Auf den Rat Spandkows, der mit einer schwedischen "Armada" in Windau angelangt war, entschloß sich Weimar mit Weib und Kind vor den Nachstellungen nach Hapsal zu entweichen und hier des Herzogs Ankunft abzuwarten.
Hier wird schon die außerordentlich üble Boshaftigkeit des Fahrensbach zur Genüge deutlich. Drohen, Einschüchtern, Beleidigen, wo es nur geht. Weymar sandte seinem Herzog noch viel Hab und Gut (Seraphim, 1992, S. 42):
Der Getreue hatte sie aus Goldingen herüber gerettet, für die übrigen Sachen des Herzogs, die noch in der Rüstkammer und beiden Gewölben geblieben, fürchtet er das Schlimmste, sie möchten alle noch "dem Teufel zugehn, de Litauer und Pohle werden uns bald genoch überholen." Nur des Fürsten persönliches Erscheinen könne Wandel schaffen, brüste sich Fahrensbach doch offen, das Fürstentum gehöre ihm und keinem anderen, er wolle also "gubernoren". Drastisch meint Weimar: "E. f. G. sollen sich hinter den Ohren kratzen, denselben vorzukommen".
1623 sollte Fahrensbach dann mit diesem Weymar noch einmal einen Handel haben.
1617 - Magdalena schreibt ihrem Bruder
Aus dieser Zeit ist ein wichtiges Zeugnis von Magdalena von Fahrensbach, der oben genannten Schwester überliefert. Wir erfahren von einem (Seraphim, S. 78f) ...
... Brief seiner damals in Warschau lebenden Schwester Magdalene, die ihren Bruder in eindringlichster Weise von dem betretenen Wege abmahnte. Aus den Mitteilungen ihres Oheims, des kurländischen Kanzlers Fircks, habe sie von Wolmars Umtrieben gehört und sie wolle sich lieber den Tod wünschen als so betrübte Zeitung von ihm zu vernehmen, sie könne und wolle nicht glauben, daß ihr Bruder seinen guten Namen und seine Ehre, die er vom Vater so rein geerbt und selbst bisher hoch gehalten, um Geld und Gut dieselben verkauft habe, "dan weß ist der Mensch, der seinen guten Nahmen hat verlohrn, in sonderheit E. L(iebsten), welche Erben haben, die es täglich hören mußen und da die Zeitung zum ersten gekommen, hab ich mich dessen nicht allein zu Hertzen gezogen, besonder mich unter Leute zu kommen entsehen und mich dannoch schämen müssen und wolt mich lieber wünschen zu betteln, dann solche Zeitung von E. L. zu hören und bitte hirneben E. L. nicht einen jeden zu trauen, besondern unserm Herrn Oheimb Christoph Firx, weß er euer L. vorbringen wird, vollkommen glauben beizumeßen, denn er E. L. mitel vorschlagen würdt, dadurch dieselbe können gerettet werden."
Und im eigenhändig geschriebenen Postskriptum:
"Mein hertzallerliebster Herr Bruder (...). Haben Ire Kön. Matt. E. L. bißheronicht vergolten E. L. treue Dienste, so kann es noch geschehen, waß ist das gemeine nutz daran schuldig? E. L. könten sich uff andre mittel rechen an seinen Feinden, wan E. L. nur seine sachen ander wolten vornehmen, daß E. L. nur im Römischen Reich undt in der Cron Polen, da E. L. verdienst groß ist, nicht mögen verlohren werden."
Aus dem Brief scheint uns zweierlei hervor zu gehen. Zum einen daß Magdalena in die Pläne, die ihr Bruder zusammen mit dem polnischen König und den Jesuiten verfolgte, in keiner Weise eingeweiht war. Sie lebte am Hof von Anna von Schweden (Wasa), der einzigen Schwester Königs, der man ja - um ihrer offen protestantischen Gesinnung willen - schon zehn Jahre zuvor in Strasburg in Westpreußen einen Wirkungsort weit weg vom Königshof in Warschau angewiesen hatte, und die man was politische und religiöse Fragen betraf, längst schon auf große Distanz von ihrem Bruder hielt.
Anna von Schweden erfreute sich in den angrenzenden protestantischen Ländern Preußen, Brandenburg und Pommern um ihrer festen protestantischen Haltung innerhalb der katholischen polnischen Welt, ob des Schutzes, den sie den Protestanten in ihren Kreisen gewährte und ob der ordentlich geführten Verwaltung ihrer Güter Strasburg und Gollub, sowie ob des gelehrten Kreises, den sie um sich geschart hatte, eines nicht geringen Ansehens. Von all dem war Magdalena von Fahrensbach, die 1625 einen protestantischen Grafen aus Pommern heiraten sollte (dessen jüngste Schwester Agnes um 1628 wiederum ihr seit 1618 verwitweter Bruder Georg Wolmar heiraten sollte), sicherlich geprägt.
Schon aus diesem Brief wie aus vielem weiteren sieht man zugleich, daß sich Magdalena von Fahrensbach sehr rührend um ihren Bruder kümmerte, so wie dieser das vermutlich bislang auch schon für sie getan hatte. Weshalb Georg Wolmar sicherlich auch in vergleichsweise guter Verbindung zu Anna von Schweden gestanden sein wird, die ja sozusagen die Ziehmutter seiner Schwester Magdalena war.
Der Brief scheint im weiteren aufzuzeigen, daß man in diesem Kreis (Anna, Magdalena, Georg Wolmar) vermutlich schon zuvor andeutungsweise darüber gesprochen hatte, daß Georg Wolmar künftig womöglich besser im Deutschen Reich ("Römischen Reich") würde weiter wirken können, nachdem er in Kurland und Livland nur "verbrannte Erde" und Feinde hinter sich zurück gelassen hat. Anna von Schweden hat womöglich in den Folgejahren um ihrer Ziehtochter Magdalena von Fahrensbach hilfreich zu sein, ihre guten Verbindungen zu den protestantischen Fürstenhöfen in Berlin, den Haag und London genutzt, damit sie über diese dem Bruder ihrer Ziehtochter helfen könne. Sollte Anna doch 1625, bevor sie starb, auch noch die Hochzeit von Magdalena in Strasburg ausrichten. Vielleicht hat Anna ihre Ziehtochter Magdalena mit Empfehlungsschreiben nach Berlin an die Kurfürstin und an die zeitweise dort weilende Elisabeth Stuart gesandt. Denn wir sehen Magdalena 1624 zeitweise genannt als Hofdame von Elisabeth Stuart in Den Haag (siehe unten). Und Elisabeth Stuart erreichte es dann offensichtlich bei ihrem Vater in London, Jakob I. von England, daß dieser seinen neuen, nach Konstantinopel reisenden Botschafter Thomas Roe, der 1613 Elisabeth Stuart auf ihrer Brautfahrt nach Deutschland begleitet hatte, sich der Sache des in Konstantinopel in Gefangenschaft sitzenden Georg Wolmar von Fahrensbach annehmen sollte.
Wer auf die glorreiche Idee gekommen ist, sich über solche "Umwege" für die Freilassung von Georg Wolmar von Fahrensbach in Konstantinopel einzusetzen, über "Umwege", die in glorreicher Weise zugleich die Grundlage bildeten dafür, daß sich für Fahrensbach nun ein ganz neues, völlig verändertes - aber viel bedeutendes Betätigungsfeld auftat als bisher, und zwar ausgerechnet innerhalb der protestantischen Welt, innerhalb des Kernbereichs jener Netzwerke, die in jenen Jahren an antikatholischen Koalitionen schmiedeten auf einer Achse zwischen London, Den Haag, Siebenbürgen und dem Osmanischen Reich - das wird einstweilen wohl offen bleiben müssen.
Traut man so weitreichende "Kombinationen" einer Anna von Schweden zu? Oder einer Magdalena von Fahrensbach? Oder ist im Umfeld dieser Personen nicht eher jemand von verschwiegen jesuitischer Seite auf so weitreichende, glorreiche "Ideen" gebracht worden, um den bisherigen von Warschau aus gelenkten Jesuiten-Günstling Fahrensbach in neuen, bedeutenden Zusammenhängen zu positionieren und weiter verborgen im jesuitischen Interesse arbeiten und spionieren zu lassen? Natürlich konnte das alles auch in Briefen zwischen Georg Wolmar von Fahrensbach in Kontatninopel und seiner Schwester Magdalena in Strasburg/Westpreußen erörtert worden sein oder in Briefen jener Beichtväter der in Konstantinopel in Gefangenschaft sitzenden polnischen Adligen, deren sie dort ja sicherlich sehr bedurften für ihr Seelenheil, und deren priesterlichen Beistand sicherlich auch Georg Wolmar von Fahrensbach in Anspruch genommen haben wird.
Natürlich könnte man sich auch vorstellen, daß diese Idee gesprächsweise aufkam, als Anna von Schweden - womöglich (?) - in Berlin weilte (hat sie das?) und dort - womöglich (?) - mit Elisabeth Stuart sprach. Oder eben auch Magdalena von Fahrensbach mit einem Empfehlungsschreiben von Anna.
Ergebnis all dieser Aktivitäten war dann jedenfalls: Während alle anderen polnischen Gefangenen nach dem Friedenschluß zwischen Polen und dem Osmanischen Reich 1622 aufgrund der Vermittlung des polnischen Botschafters in Konstantinopel und mittels einer Zahlung von 30.000 Thalern nach Polen zurückkehren konnten, hat sich an der Hohen Pforte der englische Botschafter Thomas Roe zwar ebenfalls insgesamt eingesetzt für die Freilassung der christlichen Adligen, aber namentlich wird in diesem Zusammenhang in der Instruktion, die ihm sein König mitgegeben hat, nur Georg Wolmar von Fahrensbach genannt. Schon zu diesem Zeitpunkt wird dem König Fahrensbach als Parteigänger der protestantischen Sache also ans Herz gelegt worden sein. Was natürlich viel Chuzpe in sich trägt, wo er noch bis 1618 klar eine Person war, die in Kurland am Sturz der dortigen protestantischen Herzöge gearbeitet hatte und daran, daß sich die Bürgerschaft der Stadt Riga ins Unrecht setzen würde gegenüber dem polnischen König (z.B. durch einen unterschobenen Giftmord-Anschlag auf Fahrensbach selbst)! Nach so üblen Umtrieben sehen wir Fahrensbach nun über Jahre als geehrten "Edelmann" die protestantische Sache auf höchster Ebene zu vertreten.
Ein höchst erstaunlicher Lebenslauf, an dem vor allem verwundert, daß noch kein Historiker einmal im Detail den Beweggründen für dieses außerordenlich heftige jeweilige Umschwenken nachgegangen ist, ebenso wenig den Methoden, die dabei doch auch immer wieder zum Erfolg geführt haben. Jedenfalls scheint sich kein Historiker gefragt zu haben, wie dieser Auftrag des englischen Königs an Thomas Roe zustande gekommen ist.
Es muß aber auch bemerkt werden, daß die protestantischen Regierungen nicht gar so viel falsch machten, wenn sie zwielichtige Gestalten wie Fahrensbach zur Vertretung an anderen Höfen benutzten. In solchen Zusammenhängen wäre es wohl schnell aufgefallen, wenn sie illoyal handeln würden und soweit wir sehen, hat sich Fahrensbach dessen auch nicht zu schulden kommen lassen. Der Hauptzweck seines Agierens wird eher gewesen sein, daß über ihn die Jesuiten eine von vielen Quellen hatte, die nahe an den Entscheidungsträgern auf protestantischer Seite dran war.
Christopher Fircks - Der Onkel der Fahrensbach-Geschwister
Welche Rolle könnte in diesem Zusammenhang der genannte Kanzler von Kurland Christopher Fircks auf Nurmhusen (Geni) gehabt haben, der Onkel der Geschwister Fahrensbach? Er war spätestens seit 1609 als Kanzler des Herzogs Wilhelm von Kurland tätig. 1609 (Serap., S. 472) und 1611 vertrat er die Interessen seines Herzogs in Warschau gegenüber dem polnischen König und auf dem dortigen Reichstag, 1611 in der über viele Jahre schwelenden Angelegenheit der Nolde-Brüder (Seraphim 1896, S. 484):
Auf diesem erklärten die Vertreter Herzog Wilhelms, Christoph Fircks und Lorenz Eiche, sie seien aus materiellen und formellen Gründen rechtlich nicht verbunden, sich dem Reichstage zu stellen.
Wie er wohl im einzelnen das Treiben rund um seinen Neffen in Kurland erlebt hat? Er wird ja dann als Kanzler unter seinem Neffen Fahrensbach als Goubernator von Kurland und Stellvertreter des außer Landes geflohnen Herzogs Wilhelm viel erlebt haben. Ob für ihn dennoch "Blut dicker als Wasser" geblieben ist? Wir wissen es vorderhand nicht.
Spätestens ab 1621 und bis mindestens 1630 sehen wir Fircks tätig als Kanzler des Herzogs Friedrich von Kurland. 1621 hat er mit Axel Oxenstjerna, dem schwedischen Reichskanzler, wegen der Neutralität seines Landes im schwedisch-polnischen Krieg verhandelt (s. Schiemann, Theodro: Das herzogliche Archiv in Mitau. In: Sitzungsberichte der kurländische Gesellschaft für Literatur und Kunst, Mitau 1882, S. 2-22) (GB):
... dann folgen die Verhandlungen wegen der Neutralität Kurlands, die teils durch den kurländischen Kanzler Christoph Fircks mit dem schwedischen Reichskanzler Axel Oxenstierna geführt wurden (...) Im Jahr 1627 finden wir Fircks wieder in Riga, um über denselben hochwichtigen Gegenstand mit dem schwedischen Generalgouverneur Grafen Jacob de la Gardie zu unterhandeln. ...
Noch 1630 wird Christopher Fircks als Kanzler von Kurland genannt (pdf, S. 182). Ob Oxenstjerna die Gelegenheit genutzt hat, über Fircks Erkundigungen einzuziehen über dessen Neffen Fahrensbach, muß ebenfalls einstweilen dahin stehen.
September 1617 - Fahrensbach wechselt erneut die Seiten
Soweit ein schon sehr allgemeiner Ausblick in die 1620er Jahre. Zurück in das Jahr 1617.
Am 25. September 1617 wechselte Fahrensbach erneut die Seiten, vielleicht auch unter Vermittlung von Christopher von Fricks. Vielleicht war inzwischen alles erreicht worden, was durch die Vorspiegelung des Seitenwechsels hatte erreicht werden sollen: Insbesondere der Herzog Wilhelm von Kurland war außer Landes gegangen und hatte sich an den König von Schweden gewandt. Er konnte sich seither nicht mehr mit dem polnischen König vergleichen, während ein solcher Vergleich einem Fahrensbach, wie wir noch sehen werden, jeder Zeit ohne Probleme möglich war. Er übergab nun dem Herzog Radziwill alle Ämter und Häuser in Kurland (Seraphim, S. 81):
Bereits vom August dauerten die durch den Beichtvater des Königs, wie den Vorsitzenden der kurländischen Kommission und durch die Väter des rigaschen Jesuitenkollegiums geführten Unterhandlungen, von denen wir aber im einzelnen nichts wissen. Nur das steht fest, daß nicht allzu lange nach der Rückkehr Fahrensbachs von Pernau zwischen ihm, Radziwill und dem rigaschen Jesuitenpater Gregorius eine erfolgreiche Unterredung stattfand.
Also in sehr engem Kontakt und in sehr engen Verhandlungen mit den Jesuiten in Warschau und in Riga fanden diese "Seitenwechsel" des Georg Wolmar von Fahrensbach statt. Da er noch während seiner Hinrichtung in Regensburg im Jahr 1633 Jesuiten als Beichtväter an seiner Seite hatte, da dort in Regensburg noch einen Tag nach seiner Hinrichtung - zu spät - eine Begnadigung durch den jesuitisch beratenen Ferdinand II. einlangte, wird man wohl nicht fehlgehen, wenn man davon ausgeht, daß überhaupt der allergrößte Teil all der vielen Intrigen und "Seitenwechsel", die es im Leben des Georg Wolmar von Fahrensbach gegeben hat, in Abstimmung mit dem Jesuitenorden erfolgt sind. Das muß seinen Verwandten, zum Beispiel seiner Schwester Magdalena von Fahrensbach gar nicht in vollen Umfang bewußt gewesen sein. Aber dieser Umstand ist um so naheliegender als sich vor und nach seinem Tod wirklich so gut wie niemand über die menschlichen Qualitäten dieses "Edelmannes" lobend ausgesprochen hat - außer die Jesuiten. Wie ging es mit Fahrensbach weiter (Wiki):
Am 8. November 1617 übergab er Dünamünde an Fürst Krzysztof Radziwiłł.
Dabei hat Radziwill sich allerdings geweigert, mit Fahrensbach persönlich zu unterhandeln, da er diesen nicht mehr als Ehrenmann ansah. Auch dieser Protestant hat sich also immer einmal wieder doch seine Würde bewahrt in dem üblen Spiel, das die Jesuiten rund um ihn herum getrieben haben.
In einer Geschichtsdarstellung des Jahres 1710 wird beschrieben wie Gustaf Adolf II. von Schweden 1617 gekrönt wurde. Es wird dann fortgesetzt (Johann Ludwig Gottfried: Historische Chronica oder Beschreibung der fürnehmsten Geschichten, so sich von Anfang der Welt bis auf das Jahr Christi 1619 zugetragen. 1710 (GB) /1743, S. 1162) (GB):
Kurz zuvor war ihm der polnische Obriste Fahrensbach zugefallen und hatte ihm die Festung Dünamünde an dem Port bey Rügen (falsch: bei Riga!) übergeben; aber er hat im folgenden Jahr leichtfertiger Weise wieder aufgebunden, den Polen wieder beigetreten und damit er desto mehreren Dank und Gunst bei ihnen verdienen möchte, etlich schwedische Volk, so ihm als einem redlichen Obristen anvertraut worden, auf die Fleischbank geliefert.
Das hatten doch auch die schwedischen Zeitgenossen erlebt. Dennoch ist es Fahrensbach gelungen, sich ihnen gegenüber immer wieder in einem solchen Licht darzustellen, daß Schweden seine Dienste in Anspruch nahm.
Februar 1618 - Die Belagerung der Autzenburg
Das provozierende Verhalten des Fahrensbach im Dienste der katholsichen Sache ging zunächst einmal noch unter vollen Segeln weiter. Seine Reiter ließ er ausgerechnet im Umfeld der Stadt Riga ihr Unwesen treiben. Als die Soldaten der Stadt Riga sich diesem Treiben entgegen stellten, waren sie überrascht, als plötzlich Fahrensbach selbst in eigener Person aus einem Haus heraus trat, womit also klar wurde, daß diese Reiter in vollem Einverständnis mit ihm standen und auch im Einverständnis mit ihm ihr Unwesen trieben.
In unflätiger Weise beschimpfte er die Soldaten der Stadt Riga. Es kam zu Kämpfen. In diesem Zusammenhang fiel die ganze persönliche Habe des Fahrensbach, sein Gepäckwagen in die Hände Rigas. Angesichts der großen Rolle, den dieser "geraubte" Gepäckwagen in allen weiteren Verhandlungen spielte, kann man den Verdacht nicht von sich weisen, daß alles darauf angelegt war, daß dieser tatsächlich "geraubt" würde. Der Gepäckwagen wurde nach Riga gebracht, wo ein ausführliches Verzeichnis dessen angelegt wurde, was er enthielt. Die Verhandlungen rund um die Rückforderung diesese Gepäcks sollte dann bis vor den König in Warschau gebracht werden. Offensichtlich war also auch diese Aktion nur dazu in Szene gesetzt, um dem polnischen König Vorwände zu schaffen, um gegen die Stadt Riga vorgehen zu können und dort die Stellung der Jesuiten stärken zu können.
"Wie einen bösen Hund gestreichelt"
Die Bürgerschaft von Riga und die Ritterschaft von Kurland wollten nun endlich ein Ende machen mit all dem bösartigen Treiben des Fahrensbach in ihren Landen. Bei bitterster Kälte zogen sie nach der Autzenburg aus, die vormals ein bevorzugter Aufenthaltsort des Herzogs Wilhelm gewesen war, die sich nun aber im Besitz von Fahrensbach befand. Eine Frechheit nach der anderen. Fahrensbach hatte sich dort mit seiner Truppe verschanzt. Seine Gegner belagerten ihn dort mit über 500 Mann für mehrere Tage. Genauere Berichte darüber gaben wir schon in einem früheren Beitrag, da sich in diesen Zusammenhängen Wilhelm de la Barre als Mitarbeiter Fahrensbachs hervor tat (Prbl2022). Auf Wikipedia finden sich zu all dem nur die Worte (Wiki):
Ein Angriff (des Fahrensbach) auf Riga scheiterte knapp, er floh am 24. November nach Groß-Autz in Kurland und wurde von den Rigensern bis Bullen verfolgt. In den Jahren 1617-1620 war er in Streitigkeiten mit Rigaer Bürgern unter Beteiligung Radziwiłłs verstrickt.
Das heute bestehende Schloß von Alt-Autz (auch Autzenburg, Groß-Autz, lettisch Auce) (Wiki) ist eine Sehenswürdigkeit vor Ort. Aber es ist erst ab 1841 in prächtigem, neugotischen Stil von der baltischen Adelsfamilie Medem errichtet worden. Es ist umgeben von 13 Hektar Park und Parklandschaft. Was vor Ort heute noch an die Autzenburg des Jahres 1618 erinnert, ist uns vorderhand nicht bekannt. (In Groß-Autz gibt es aber auch Soldatenfriedhöfe für gefallene deutsche Soldaten des Ersten und des Zweiten Weltkrieges.)
Wie so oft verlief alle Aufregung rund um diese Belagerung wieder einmal im Sande. Es wurde ein fauler Kompromiß geschlossen und die Belagerer zogen wieder ab.
1617 - Die Öffentliche Meinung
Die öffentliche Meinung über das Treiben des Fahrensbach in Livland und Kurland ist einhellig. Anhand von Zeitungsberichten dieser Jahre wird ausgeführt (Seraphim S. 211):
In allen spricht sich die Überzeugung aus: Woldemar Fahrensbach, unter dem Einfluß jesuitischer Ränke, habe den Herzog Wilhelm verleitet, die Verbindung mit Schweden anzuknüpfen, um eine Aussöhnung mit König Sigismund von Polen unmöglich zu machen, und sich und seine Freunde durch die herzoglichen Güter zu bereichern, und allerdings läßt sein Benehmen sich nur durch solche oder sehr ähnliche Annahmen erklären.
Fahrensbach scheint es damals auch darum gegangen zu sein, angesehenen Bürgern in Riga zu unterstellen, sie hätten Giftmordanschläge gegen Fahrensbach unternehmen wollen. Dazu wollte sich Fahrensbach des Regimentsschneiders und Zahlmeisters Martinus Kristenius bedienen. Diesen brachte Fahrensbach dann als einen von mehreren Gefangenen mit nach Warschau, wo er ihn in Gewahrsam gehalten hat, und wo dieser Frisenius einen langen Bericht gegeben hat über das, was er selbst in dieser Intrige erlebt hat. Dieser Bericht ist erhalten geblieben und wird über mehr als zehn Seiten in allen Details von Seraphim referiert.
Frisenius hielt sich in Riga auf, war mittellos, hatte Schulden und wurde ausgeforscht, ob er zu einer Intrige zu gebrauchen wäre, bei der man angesehenen Rigaer Bürgern unterstellen wollte, sie hätten diesen Frisenius zu einem Giftmordanschlag an Fahrensbach verleitet. Als man damit nach vielen verschiedenen Bemühungen und auch nach dreimaliger Folter nicht so recht etwas Glaubwürdiges an Aussagen erreicht hatte, und als er schon fast wieder freigelassen werden sollte, versuchte es Fahrensbach bei ihm dennoch mehreremale erneut (Seraphim S. 119-130, hier S. 129):
"Farensbach hat mich zuvor ermahnet, wo ich etwaz wieder die Rigischen wüßte, wolte ich ihm solches sagen, denn der König wolte den Rigischen gern in die haar."
Es ist ein außerordentlich dumpfes, übles Geschehen und Treiben, das man da rund um Fahrensbach zu verfolgen gezwungen ist. Es scheint sich hier doch immer wieder ganz klar nur um Anschläge gehandelt zu haben, die sich nur ein Jesuitengehirn ausgedacht haben kann. Und war einen an allem am meisten verwirrt und irritiert, ist die unglaubliche Umtriebigkeit, Energie, mit der all das über Jahre hinweg verfolgt worden ist.
1618 - In Warschau
Wir hören weier (1857, S. 212):
Im August 1618 zog Fahrensbach mit ansehnlichem Gefolge nach Warschau zum Könige. Die Jesuiten bewirkten seine völlige Aussöhnung. Was er mit den Schweden "practisiert" habe, seien nur "Pussen gewesen". Er erhielt eine Bestallung wider die Türken und Tartaren, die eben verheerend in Podolien eingefallen waren.
So einfach kann das sein, wenn man mit Jesuiten zusammen arbeitet und man zugleich einem von Jesuiten beratenen und geleiteten König dient.
Februar 1620 - Warscahu
Am 10. Februar 1620 kommt König Sigismund nach Wilna. Fahrensbach ließ in dieser Zeit in Warschau das Gerücht verbreiten (Seraphim, S. 131), ...
... Radziwill habe "neue practica" gegen ihn verüben lassen, indem er einen dazu erkauft, der ihn im Bade überfallen, "mitt zween Pistolen durchschißen und alßdann geschwindt davon auf einem wettlaufer wegreiten sollte." Der Bösewicht sei jedoch erwischt und werde von ihm gefangen gehalten.
Diese Umtriebigkeit hört und hört nicht auf. Was für eine Energie darin, Übles und Schlechtes zu tun. All das ist immer nur wieder schockierend.
Mai 1620 - Warschau
Im Mai 1620 verkaufte Fahrensbach seine unrechtmäßig erworbenen Güter Autz und Sathen an den Bruder des Herzogs Wilhelm, nämlich an Herzog Friedrich von Kurland und zog erneut nach Warschau (Seraphim, S. 132):
Am 13./23. Juni schrieb Koyen, Farensbach sei soeben angelangt, mit sich habe er 200 Mann und drei Gefangene in schwerem Eisen. Über seine Absichten sei man im Zweifel, einige meinten, er wolle eine Bestallung gegen die Tattern an der podolischen Grenze andere sprächen davon, er wolle sich vom König die Erlaubnis erwirken, in kaiserliche Dienste zu treten.
Beides ist in der Nachfolge geschehen. Klar ist nur, daß er sich in den Ostsee-Provinzen nicht mehr blicken lassen durfte, und daß ihm ein neues Betätigungsfeld zugewiesen werden mußte.
Es ist naheliegend, daß er diese Bestallung wider die Türken und Tartaren 1620 noch gemeinsam mit Wilhelm de la Barre erhalten hat, der ja ebenfalls - wie wir schon gehört haben (Prbl2022) - von dem Wojewoden von Podolien für eine Reitertruppe bezahlt worden ist oder zumindest nominell hätte bezahlt werden sollen, die dann von Radziwill nach Riga zur Verteidigung gegen die Schweden beordert worden ist. Dieser Umstand gab dem Leben Wilhelm de la Barre's eine ganz neue Richtung und entfernte ihn von der Jahre langen Zusammenarbeit mit Georg Wilhelm von Fahrensbach. Letztere ist ihm im Nachhinein dann nur noch wie ein "böser Traum" erschienen (s. Prbl2022).
________________
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