Sonntag, 1. April 2018

Das "Wahlendorfer Luch" bei Neuruppin

Naherholung im Nordwesten der Stadt - Sie ist möglich, aber wird nicht gefördert
- Natur zwischen "Mesche", Klappgraben und "Wahlendorfer Luch"

Im Umkreis des Segelflugplatzes von Neuruppin, des vormaligen Militärflugplatzes, zwischen dem nördlichen Stadtrand von Neuruppin und dem Dorf Storbeck (Wiki), findet man eine Kilometer weit ganz einsame Luch-Landschaft. Diese ist durchflossen von dem "Klappgraben" und von den vielen Nebengräben und Zuflüssen, die ihn begleiten. Am verstecktesten inmitten dieses Luchs liegt schließlich der Gänsepfuhl, ein weitgehend unzugänglicher See.

Bei diesem Luch handelt es sich - und das muß man im Internet erst länger recherchieren, bevor man es herausfindet - um das "Wahlendorfer Luch". Am Stadtrand von Neuruppin südlich des Klappgrabens wird es auch "Mesche" genannt.

Das "Wahlendorfer Luch" ist benannt nach dem Gut Wahlendorf, das neun Kilometer westlich von Neuruppin liegt und eineinhalb Kilometer nördlich des dortigen Dorfes Darritz (Wiki). Darritz hinwiederum liegt drei Kilometer hinter Kränzlin (Wiki). Viele der genannten Orte sind auf "Google Maps" nicht leicht zu finden. So sei hier noch einmal erläutert: Storbeck liegt sechs Kilometer nördlich von Neuruppin, Kränzlin liegt fünf Kilometer und Darritz neun Kilometer westlich von Neuruppin. Darritz hinwiederum liegt etwa sieben Kilometer südwestlich von Storbeck. Das "Wahlendorfer Luch" wird also von diesen Dörfern eingerahmt, ein Luchgebiet, das den ganzen nördlichen Stadtrand von Neuruppin begleitet, praktisch ein hervorragendes Naherholungsgebiet.

Abb. 1: Einsame Luch-Landschaft im Wahlendorfer Luch
Am quer hindurch verlaufenden, selten genutzten Plattenweg, im Schneetreiben, Ostern 2018

Das Dorf Storbeck wurde interessanterweise 1691 von zwölf Schweizer Familien besiedelt, von denen keine Familie weniger als vier Kinder hatte (1). Es gibt im Ruppiner Land noch drei weitere Dörfer, die damals von Schweizer Bauernfamilien begründet wurden. Auf Google Bücher (GB) findet man, daß diese Schweizer Kolonisten im Land Brandenburg in der wissenschaftlichen Literatur schon häufiger Aufmerksamkeit gefunden haben.

Das Wahlendorfer Luch ist übrigens Teil der "Ruppiner Platte" (Wiki). Eine riesige Plattenbau-Siedlung zieht sich zwar entlang des ganzen südwestlichen Stadtrandes von Neuruppin (bis zu den Ruppiner Kliniken). Aber diese Plattenbau-Siedlung ist damit nicht gemeint.

Abb. 2: Einsame Luch-Landschaft im Wahlendorfer Luch
Am quer hindurch laufenden, selten genutzten Plattenweg, im Schneetreiben, Ostern 2018

Bislang gehört das Wahlendorfer Luch noch nicht zu den 18 Naturschutzgebieten des Landkreises Ostprignitz-Ruppin (Wiki). Aber es ist als "FFH"-Gebiet ausgewiesen, als "Fauna-Flora-Habitat"-Gebiet. Und im diesbezüglichen "Erlaß" von 2004 erhält man auch eine Beschreibung dieser Landschaft, die - aus Ermangelung anderer - hier zitiert sei (Erlaß 2004):
Das FFH-Gebiet befindet sich circa fünf Kilometer nordwestlich von Neuruppin und erstreckt sich entlang der Ruppiner Seenrinne von West nach Ost. Der durch Erlenbruchwald geprägte "Bütowsumpf" begrenzt das Gebiet im Westen, der Klappgraben als verbindendes, temporär trockenfallendes Element schlängelt sich durch die hauptsächlich durch Grünlandnutzung geprägten Niederungen. Auf seinem Weg zwischen der Revierförsterei Buchenhaus und der Kränzliner Siedlung streift der Klappgraben das Wahlendorfer Luch und teilt sich bei Erreichen der Mesche in zwei Gräben. Einer dieser neuen Gräben mündet im Osten in den Gänsepfuhl, der andere auf Höhe des Schöpfwerkes in den Mahlbusen, nordöstlich des ehemaligen Flugplatzes der Stadt Neuruppin. Das Wahlendorfer Luch und die Mesche durchbrechen mit ihrer sackartigen Gestalt den sonst linienhaften Charakter des Gebietes. Das Wahlendorfer Luch ist ein stark mit Weidengebüschen durchsetzter extensiv genutzter Grünlandbereich, der durch zahlreiche Gräben nach Süden entwässert. Die Neuruppiner Mesche ist gekennzeichnet durch feuchte bis frische Wiesen und Weiden sowie natürlich eutrophe Seen, den Gänsepfuhl und mehrere ehemalige vernässte Torfstiche. Das Grabensystem der Mesche entwässert ebenfalls nach Süden in den Mahlbusen.
Wenn man also recht versteht: Die Landschaft zwischen dem südlichen Ufer des Klappgrabens und dem Stadtrand von Neuruppin heißt "Mesche", bei der Landschaft nördlich des Klappgrabens handelt es sich um das "Wahlendorfer Luch" (2, S. 8). Der "Gänsepfuhl" liegt einen halben Kilometer südlich der L18, der Landstraße von Storbeck nach Neuruppin, bevor sie auf die L16 (Neuruppin-Rheinsberg) mündet.

Abb. 3: Der Gänsepfuhl
(September 2018)

Ganz richtig wurde 2014 in einem Entwicklungsplan der Stadt Neuruppin festgehalten (2, S. 19):
Im Bereich der Bahnhofsvorstadt (Nordwesten) gibt es keine entwickelten Naherholungsbereiche. Die Zahl der in die Landschaft führenden Wege ist allseitig gering. In der Karte (...) ist erkennbar, daß am Klappgraben ein einmalig enger Bezug des potentialen Freiraumbezuges zur Innenstadt möglich ist und innerhalb des 3-km-Radius eines Ausbaues bedarf.
An diesen Ausführungen ist jedes Wort richtig. Genau das ist einer der ersten Eindrücke, die man als Neubürger Neuruppins von dieser Gegend gewinnt. Die Wegeführung hinaus in die Landschaft ist nicht "einladend", sondern man muß sich sprichwörtlich außerordentlich versteckte Wege "erkämpfen", bis man sie gefunden hat. In dem Entwicklungsplan von 2014 schreiben die Landschaftsarchitekten dann weiter (2):
Nach Auskunft von Mitarbeitern der Administration wird vor allem der an den Klappgraben angrenzende ehemalige Flugplatz derzeit von Joggern, Radfahrern und insbesondere Hundehaltern auf Brachflächenniveau genutzt. Gleichzeitig wird der Bereich erheblich von Motorsportlern beansprucht, so daß sich Erholungseffekte wieder aufheben und es einer gewissen Ordnung bedarf. Auch die Verwahrlosung und Vermüllung legen nahe, den Flächen einen geordneten und vielfältigen Zugang zu geben und die Chancen von Weite und Steppenkulturen mit besonderer Lebensraumqualität herauszuarbeiten. Der Klappgraben sollte dafür eine zentrale Rolle einnehmen.
Es ist schön, solche Dinge einmal Schwarz auf Weiß zu lesen, die man selbst mit einigem Unverständnis schon hat zur Kenntnis nehmen können. Am meisten aber stört gegenwärtig, daß im Bereich des ehemaligen Militärflughafens die großen und scharf bellenden Hunde der dortigen großen Schäferei frei umherlaufen und jeden noch so unerschrockenen Erholungssuchenden die Flucht ergreifen lassen. Man muß das als einen ganz unglaublichen Zustand bezeichnen. Von Einladung zur Erholung kann hier wahrlich nicht die Rede sein, sondern vom reinen Vertreiben. Auch gibt es dort überall Verbotsschilder, die einen einschüchtern, zum Beispiel das Segelfluggelände wenigstens in den vielen Monaten zu betreten, an denen es doch gar nicht genutzt wird. Jogger, Radfahrer, Hundehalter hat der Autor dieser Zeilen jedenfalls in dieser Gegend noch noch nie angetroffen. Das dürfte vermutlich auch nur Lebensmüden zu empfehlen sein.

Abb. 4: Der Gänsepfuhl
(September 2018)

Ganz richtig heißt es ja auch weiter (2):
Noch ist auf einem Großteil der Fläche Munitionsverdacht und Altlastenverdacht. Der Bergungsbedarf ist aus Sicherheitsgründen sowieso gegeben, denn ein Fernhalten der Menschen ist unrealistisch. Altlastenbereinigungen sind schon aus Gründen der Fließrichtungen von Grundwasser, Klappgraben und Landwehr erforderlich.
Und ganz richtig wurde schon 2014 empfohlen (2):
Konzipierung von Sport- und Freizeitrouten auf bestehenden und zu schaffenden Wegestrukturen am Klappgraben, [sowie] Anlage eines Klappgraben begleitenden Rad- und Wanderweges zur Nutzung für konventionelle Freizeitaktivitäten (Radfahren, Spazieren gehen, Wandern), gleichzeitig Etablierung eines Themenpfades „Klappgraben – Wandlungen einer Kulturlandschaft“.
Tapfer voran, also, Stadtverwaltung! Für alle übrigen aber gilt: Weiß man nach vielen Versuchen die genannten Hindernisse "ortskundig" zu umgehen und bleibt man auf den oft völlig sumpfigen Feldwegen und Wiesen nicht sprichwörtlich im Wasser stecken, entdeckt man eine ganz einsame, verzaubernde Landschaft, befindet sich nur noch in der Gesellschaft von Ottern und Bibern, Lerchen, Kranichen und viel Rehwild (s. Abb. 1 und 2).

Abb. 5: Im Wahlendorfer Luch
(September 2018)
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  1. Stirnemann, Heinz: Woselbst sie wohl aufgenommen. 300 Jahre Schweizer Kolonien in der Mark Brandenburg am Beispiel der Gemeinde Storbeck. Evangelischer Regionalverband Frankfurt am Main 1991 (78 S.)
  2. Entwicklungsplan „Wasser unter Stadt“. Fontanestadt Neuruppin 2014 (html, pdf)

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